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"Gewaltiger Schritt nach vorn"

Der Film- und Opernregisseur Franco Zeffirelli lobt Genius und Talente des designierten neuen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Kritik an der Verquickung von Politik und privaten Geschäften wies Zeffirelli zurück. Niemand habe Berlusconi bisher nachweisen können, dass er ein Schurke oder Gauner ist.

Moderation: Christoph Heinemann | 18.04.2008
    Christoph Heinemann: Silvio Berlusconi ist noch nicht im Amt, hat aber bereits in Spanien für Empörung gesorgt, als er sich abfällig über den Frauenanteil in der neuen Regierung von Ministerpräsident Zapatero äußerte. Das Kabinett in Madrid sei zu rosa, sagte Berlusconi. Während er ankündigte, mindestens vier Frauen in sein Kabinett nehmen zu wollen, gehören der neuen spanischen Regierung neun Frauen und acht Männer an.

    Neben den üblichen Äußerungen also, die mit einem Ausrufungszeichen enden, lassen feinfühligere Andeutungen des künftigen italienischen Ministerpräsidenten aufhorchen. Nach der Wahl hat Silvio Berlusconi die Wahlverlierer nicht etwa beschimpft, sondern in einem Halbsatz sogar die Hand ausgestreckt.

    Zwei starke Lager gibt es nun in Italien: auf der einen Seite Berlusconis "Volk der Freiheit", in dem die erstaunlich erfolgreiche föderalistisch ausgelegte Lega und die nationalstaatlichen Gralshüter der postfaschistischen "Alleanza Nationale" mit von der Partie sind, und andererseits Walter Veltronis demokratische Partei - mitte-links angesiedelt. Verlierer ist die sogenannte Regenbogen-Linke. Dazu gehören die Grünen und vor allem die ideologischen Erben der einst mächtigen kommunistischen Partei. Und darüber freut sich der italienische Film- und Opernregisseur Franco Zeffirelli, den wir vor dieser Sendung nach seiner Bewertung des Wahlergebnisses gefragt haben.

    Franco Zeffirelli: Italien hat in diesen Tagen einen gewaltigen Schritt nach vorn getan. Wir waren, so dass man sich dafür schämen musste, hinter dem Rest der Welt zurückgeblieben. Dieses war das einzige Land, in dem es drei kleine Parteien mit Hammer und Sichel gab - dem Symbol der Sowjetunion und des alten Kommunismus. Die Mauer in Berlin ist gefallen, und in Italien träumten einige weiterhin vom alten Kommunismus. Dieser kleine Teil der Linken bestimmte das Handeln der Regierungen mit politischen Maximalforderungen. Ich erkenne an, dass Walter Veltroni mit dieser schrecklichen Maskerade Schluss gemacht hat. Er hat sie in einer mutigen Operation vollständig zerstört.

    Heinemann: Herr Zeffirelli, was erwarten Sie von Silvio Berlusconi?

    Zeffirelli: Silvio Berlusconi wird als großer Unternehmer Politik gestalten - eine Politik, wie sie sie in fast allen Staaten Europas gibt: Business! Er wird es auf seine Art tun. Er ist Geschäftsmann. Er hat enormen Reichtum erworben mit seinem Genius und seinen Talenten. Er weiß, wie man Geld verdient. Man wird jetzt beurteilen können, ob Berlusconi ein erstklassiger Staatsmann ist, oder ein Aufschneider. Bislang konnte er nicht handeln, da er in seinen früheren Regierungszeiten abhängig war von kleinen Parteien, diesem ganzen Wald voller Zwerge, Traumtänzer und Clowns.

    Heinemann: Dass der Ministerpräsident gleichzeitig Herr über verschiedene Fernsehsender ist, sehen Sie darin einen Interessenkonflikt?

    Zeffirelli: Das gilt doch für alle. Alle haben irgendeine soziale oder berufliche Position. Es gibt keinen einzigen Fall, wo Berlusconi in der Vergangenheit oder gegenwärtig gegen das Gesetz verstoßen hätte. Er ist ein Genius und hat sicherlich auch Leichen im Keller wie alle Geschäftsleute. Aber niemand hat ihm bisher nachweisen können, dass er ein Schurke oder Gauner ist.

    Heinemann: Die Lega von Umberto Bossi hat stark gewonnen. Sehen Sie darin eine Gefahr für die Einheit des Staates. Schließlich hat Bossi immer wieder gerufen: "Los von Rom!"

    Zeffirelli: Weil Rom, schon von Rom aus betrachtet, ekelhaft ist. Diese römische Verwaltung, dieses Netz der Medienredaktionen, diese dunkle politische Macht, wo alles nicht nur mit Geld, sondern auch mit politischer Immoralität geregelt wird. Die Kaste, die in Rom regiert hat, war jahrelang einfach unmöglich.

    Die Lega erschien am Anfang wie ein kleiner Teil des Nordens, der protestierte. Die Abstimmung für die Lega ist keine Protestwahl. Die vertreten seit 40 Jahren gewisse Prinzipien. Und sie haben das Recht, wie eine ernsthafte Partei behandelt zu werden.

    Heinemann: Der Philosoph und Kommunist Antonio Gramsci hat den Begriff der kulturellen Hegemonie geprägt. Was bedeutet dies heute?

    Zeffirelli: Dieses Schurkenstück! Das hat mit dem Apparat der Sowjetunion begonnen. Dann folgte in den 30er Jahren der spanische Bürgerkrieg. Leute wie Picasso, sagten, du bist nicht fortschrittlich, wenn du nicht Kommunist bist.

    In diesem Kulturkrieg mussten wir alle Kommunisten sein, wenn wir Karriere machen wollten. Ich bin ein Opfer dieser Anbiederung an das kommunistische Ideal von Gramsci gewesen. Sie können sich vorstellen, dass ich mit ihm nicht einverstanden bin. Gramsci sollte man vergessen. Von Gramsci ist dieses Laster ausgegangen, das darin besteht, jemanden nur dann wertzuschätzen, wenn er sich zur kulturellen Linken hin ausrichtet.

    Heinemann: Herr Zeffirelli, Sie haben viele Opern inszeniert. Fällt Ihnen ein Opernheld ein, der Silvio Berlusconi ähnelt?

    Zeffirelli: Oh Gott, daran habe ich noch nie gedacht. Wir sind doch alle alles: manchmal Rigoletto, manchmal Don Giovanni oder Tristan. In der Oper werden alle guten und schlechten Gefühle dargestellt, deren Menschen fähig sind. Und in Form eines Gesellschaftsspiels könnte man das eine oder andere über Berlusconi sagen: An einem Tag ist er ein Heiliger, dann eine Schurke oder Verräter. Ich glaube nicht, dass man die Politik und die ideale Welt der Oper irgendwie vergleichen kann.

    Heinemann: Der Film- und Opernregisseur Franco Zeffirelli.

    Das Interview wurde aus dem Italienischen übersetzt.