Dienstag, 16. April 2024

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Gewaltprävention
"Unterscheidung von Terror und Amok wirkungslos"

Die Publizistin Ines Geipel sieht Parallelen zwischen Amoktätern und Terroristen. In beiden Fällen seien die Täter meist junge Männer, die keinen Platz in ihrem Umfeld fänden und nicht mehr anders reagieren könnten, sagte sie im DLF. Es brauche Angebote, um sie an die Gesellschaft zu binden.

Ines Geipel im Gespräch mit Änne Seidel | 24.07.2016
    Die Vorsitzende des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins, Ines Geipel.
    Die Autorin Ines Geipel. (dpa-Bildfunk / Rainer Jensen)
    Keinesfalls wolle sie die Gewalt verteidigen. "Aber ich glaube, es ist nötig, dass wir darüber nachdenken, welche Sublimierungsmodelle man diesem Typ Männer anbieten kann."
    "Wir sollten über die Idealitätskrankheit dieser jungen Männer sprechen," so Geipel. 18-Jährige seien süchtig nach Idealität. "Sie suchen Andocksysteme. Sie wollen glauben, sie wollen lieben." Bei "diesem Typ junger Mann" gehe es um Einbindung. "Es sind verlorene Söhne, die Bezug zum symbolischen, gesellschaftlichen Vater suchen." Besonders bei Fällen wie dem Axt-Angriff in Würzburg, bei denen der Täter beispielsweise eine Flüchtlingsgeschichte habe, gehe es um sehr instabile Psychen.
    Terror ist politisch, Amok ist privat: "Das halte ich für wirkungslos"
    In München wurde anfangs auch eine Tat mit islamistischem Hintergrund nicht ausgeschlossen, in Würzburg soll der Angriff in Zusammenhang mit dem IS stehen. Die Problematik der Taten mit dem Motiv des islamistischen Terrors anzugehen, hält Geipel bei diesen Tätern für nicht hilfreich: "Ich halte die islamistische Aufladung für ziemlich ungeeignet, um diese Schule der negativen Transzendenz zu beschreiben," so Geipel. "Es ist immer ein bestimmter Typus von Mann, der nicht mehr anders reagieren kann. Die Unterscheidung - Terror ist politisch, Amok ist privat, deswegen können wir nichts dagegen tun - das halte ich für wirkungslos."
    "Die Täter referieren immer auf ein bekanntes Muster"
    Geipel sieht beim Amoklauf von München Parallelen zu früheren Amokläufen wie etwa in Erfurt oder Winnenden. "Die Täter referieren immer auf ein bekanntes Muster." Es gebe einen jugendlichen Täter und jugendliche Opfer. Auch bei der Vorbereitung auf die Tat und beim Motiv seien Ähnlichkeiten zu erkennen. "Die Ermittler gehen von einem klassischen Außenseiter mit Schulproblemen aus." Bereits 2010 sei er Opfer von Diebstahl und Körperverletzung geworden. "Das klingt nach Mobbing und Kränkung," so Geipel. Es könne sein, dass er aus einer Verbitterungsstörung gehandelt habe.
    Geipel hält es auch für möglich, dass der Täter nicht zufällig am 5. Jahrestag des Massakers von Utoya gehandelt hat. "Wir wissen, dass dieser Typus Täter ein ganz klares Referenzsystem, hat, er sieht sich genau die früheren Destruktionsmodelle an."
    Das gesamte Gespräch können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.