Gerd Breker: Der Staat kann seine hoheitlichen Aufgaben delegieren, aber er kann sich nicht aus der Verantwortung schleichen, so eine Kurzzusammenfassung des gestrigen Urteils zum Absturz von Überlingen am Bodensee. Die Bundesrepublik hatte sich einer hoheitlichen Aufgabe entledigt, indem es die Kontrolle des Luftraums über Baden dem Schweizer Unternehmen Skyguide übertrug, ohne es aber hinlänglich zu beaufsichtigen. In der Nacht des Absturzes waren das Kontrollzentrum unterbesetzt und die Warnsysteme zum Teil ausgeschaltet. Ein Schlendrian, den sich die deutschen Flugsicherer nun zurechnen lassen müssen. Am Telefon bin ich verbunden mit Marek Kluzniak, von der Gewerkschaft der Flugsicherung. Guten Tag, Herr Kluzniak.
Marek Kluzniak: Schönen guten Tag, Herr Breker.
Breker: Hat Sie persönlich das Urteil überrascht, oder hatten Sie es genau so erwartet?
Kluzniak: Also von Überraschung kann auf unserer Seite gar keine Rede sein. Wir haben schon seit langer Zeit darauf hingewiesen, dass hier, durch den fehlenden Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz, Ärger und natürlich auch die Verantwortung zu befürchten steht, für die Bundesrepublik Deutschland. Wir haben sogar schon vor zwei Jahren auf der AERO dazu eine Pressekonferenz herausgegeben, mehrere Beiträge in unseren Mitgliederzeitschriften dazu veröffentlicht. Also für uns ist es keinesfalls überraschend.
Breker: Wird dieses Urteil von gestern Konsequenzen haben, auf die geplante Privatisierung der Flugsicherheit hier bei uns?
Kluzniak: Das ist eine gute Frage, ich fürchte allerdings, nein. Die Bundesrepublik, oder die Bundesregierung in dem Fall, wird sich wohl nicht davon abhalten lassen, die Deutsche Flugsicherung trotzdem zu verkaufen. Zum einen braucht der Staat dringend das Geld, das heißt, auch das letzte Tafelsilber wird momentan gerade verkauft. Und zum anderen ist man eher bereit, das Grundgesetz zu ändern und diese hoheitliche Aufgabe aus dem Grundgesetz entfernen zu lassen, als dass man hier noch einmal umdenkt.
Breker: Dass private Unternehmen auch immer unter einem gewissen Kostendruck stehen, ist das ein Argument, was man gegen eine Privatisierung der Flugsicherheit einbringen kann, oder kann man es anders abdecken?
Kluzniak: Nein, ich denke nicht, dass man hier dieses Argument abschwächen kann, in irgendeiner Form. Es ist so, dass die Deutsche Flugsicherung ja bereits seit 1993 organisationsprivatisiert ist. Das heißt, wir können wie eine normale GmbH handeln, die allerdings zu 100 Prozent dem Staat gehört. Dadurch ist uns wirtschaftliches Handeln, wirtschaftliches Denken, in der Firma ermöglicht und davon wurde auch reichlich Gebrauch gemacht. Das heißt, die Firma wurde optimiert, Kosteneinsparungspotentiale wurden analysiert und umgesetzt. Insofern sind keine größeren Einspareffekte für die Zukunft mehr zu erwarten. Und, ja, jetzt, wenn man als Finanzinvestor dort eine größere Summe investiert - man spricht ja von Beträgen zwischen 800 Millionen und 1,2 Milliarden, die hier erwartet werden vom Finanzministerium - wenn man als solcher Investor natürlich dann einen Return on Investment haben möchte, dann fragen wir uns als Fluglotsen doch, wo sollen diese Einsparungen vorgenommen werden, damit man hier noch großartig Geld rauskriegen kann. Also wir sehen da keine Möglichkeit, ohne dass man wirklich dann an die Grundfesten der Sicherheit gehen würde.
Breker: Kann der Staat vielleicht durch Aufsichtsauflagen es erreichen, dass auch private Unternehmen hinreichend die Sicherheit der Fluggäste garantieren können?
Kluzniak: Ja, das versucht man natürlich, durch das Gesetz und durch die Gründung eines neuen Aufsichtsamtes, Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Die, ja, ich sage mal, die Entstehungsgeschichte lässt hier nichts Gutes erhoffen. Zum einen ist das ganze schon furchtbar spät dran, zum anderen gibt es überhaupt kein genügend ausreichendes und sachkundiges Personal, um hier die Stellen zu besetzen. Und im Übrigen wird auch im Hintergrund schon ganz kräftig daran gearbeitet, dass dieses Aufsichtsamt einzig und allein ein Feigenblatt ist, so sind zumindest unsere Erkenntnisse. Also eine wirkliche Kontrollfunktion ist hier in keinster Weise zu erwarten, nach unserer Ansicht. Und das sehen wir schon mit ganz, ganz großer Sorge.
Breker: Man darf ja bei alledem nicht vergessen, dass es um die Sicherheit der Fluggäste geht. Und Fluggäste gibt es immer mehr, es wird immer mehr geflogen. Kann sich eigentlich so ein Fall, wie der von Überlingen, heute noch einmal wiederholen?
Kluzniak: Also wir wollen es natürlich alle nicht hoffen. Nichtsdestotrotz, wer behauptet, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen könnte, der hat entweder keine Ahnung von der Materie, oder ist hoffnungsloser Optimist. Man kann es wirklich nie ganz ausschließen. Ich denke, wir wissen alle, hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben, in einem solchen System. Nur wir sollten eben alles daran setzen, an diese 100 Prozent so nah wie möglich heranzukommen und nicht die Sprüche gelten lassen, wie sie heute gerne zitiert werden: Sicherheit ja, aber nicht um jeden Preis. Wenn ich das höre als Beteiligter dieses Systems, das Sicherheit produziert, dann läuft mir wirklich ein Schauer kalt den Rücken herunter.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Marek Kluzniak, von der Gewerkschaft der Flugsicherung. Herr Kluzniak, danke für dieses Gespräch.
Kluzniak: Vielen Dank.
Marek Kluzniak: Schönen guten Tag, Herr Breker.
Breker: Hat Sie persönlich das Urteil überrascht, oder hatten Sie es genau so erwartet?
Kluzniak: Also von Überraschung kann auf unserer Seite gar keine Rede sein. Wir haben schon seit langer Zeit darauf hingewiesen, dass hier, durch den fehlenden Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der Schweiz, Ärger und natürlich auch die Verantwortung zu befürchten steht, für die Bundesrepublik Deutschland. Wir haben sogar schon vor zwei Jahren auf der AERO dazu eine Pressekonferenz herausgegeben, mehrere Beiträge in unseren Mitgliederzeitschriften dazu veröffentlicht. Also für uns ist es keinesfalls überraschend.
Breker: Wird dieses Urteil von gestern Konsequenzen haben, auf die geplante Privatisierung der Flugsicherheit hier bei uns?
Kluzniak: Das ist eine gute Frage, ich fürchte allerdings, nein. Die Bundesrepublik, oder die Bundesregierung in dem Fall, wird sich wohl nicht davon abhalten lassen, die Deutsche Flugsicherung trotzdem zu verkaufen. Zum einen braucht der Staat dringend das Geld, das heißt, auch das letzte Tafelsilber wird momentan gerade verkauft. Und zum anderen ist man eher bereit, das Grundgesetz zu ändern und diese hoheitliche Aufgabe aus dem Grundgesetz entfernen zu lassen, als dass man hier noch einmal umdenkt.
Breker: Dass private Unternehmen auch immer unter einem gewissen Kostendruck stehen, ist das ein Argument, was man gegen eine Privatisierung der Flugsicherheit einbringen kann, oder kann man es anders abdecken?
Kluzniak: Nein, ich denke nicht, dass man hier dieses Argument abschwächen kann, in irgendeiner Form. Es ist so, dass die Deutsche Flugsicherung ja bereits seit 1993 organisationsprivatisiert ist. Das heißt, wir können wie eine normale GmbH handeln, die allerdings zu 100 Prozent dem Staat gehört. Dadurch ist uns wirtschaftliches Handeln, wirtschaftliches Denken, in der Firma ermöglicht und davon wurde auch reichlich Gebrauch gemacht. Das heißt, die Firma wurde optimiert, Kosteneinsparungspotentiale wurden analysiert und umgesetzt. Insofern sind keine größeren Einspareffekte für die Zukunft mehr zu erwarten. Und, ja, jetzt, wenn man als Finanzinvestor dort eine größere Summe investiert - man spricht ja von Beträgen zwischen 800 Millionen und 1,2 Milliarden, die hier erwartet werden vom Finanzministerium - wenn man als solcher Investor natürlich dann einen Return on Investment haben möchte, dann fragen wir uns als Fluglotsen doch, wo sollen diese Einsparungen vorgenommen werden, damit man hier noch großartig Geld rauskriegen kann. Also wir sehen da keine Möglichkeit, ohne dass man wirklich dann an die Grundfesten der Sicherheit gehen würde.
Breker: Kann der Staat vielleicht durch Aufsichtsauflagen es erreichen, dass auch private Unternehmen hinreichend die Sicherheit der Fluggäste garantieren können?
Kluzniak: Ja, das versucht man natürlich, durch das Gesetz und durch die Gründung eines neuen Aufsichtsamtes, Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Die, ja, ich sage mal, die Entstehungsgeschichte lässt hier nichts Gutes erhoffen. Zum einen ist das ganze schon furchtbar spät dran, zum anderen gibt es überhaupt kein genügend ausreichendes und sachkundiges Personal, um hier die Stellen zu besetzen. Und im Übrigen wird auch im Hintergrund schon ganz kräftig daran gearbeitet, dass dieses Aufsichtsamt einzig und allein ein Feigenblatt ist, so sind zumindest unsere Erkenntnisse. Also eine wirkliche Kontrollfunktion ist hier in keinster Weise zu erwarten, nach unserer Ansicht. Und das sehen wir schon mit ganz, ganz großer Sorge.
Breker: Man darf ja bei alledem nicht vergessen, dass es um die Sicherheit der Fluggäste geht. Und Fluggäste gibt es immer mehr, es wird immer mehr geflogen. Kann sich eigentlich so ein Fall, wie der von Überlingen, heute noch einmal wiederholen?
Kluzniak: Also wir wollen es natürlich alle nicht hoffen. Nichtsdestotrotz, wer behauptet, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen könnte, der hat entweder keine Ahnung von der Materie, oder ist hoffnungsloser Optimist. Man kann es wirklich nie ganz ausschließen. Ich denke, wir wissen alle, hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben, in einem solchen System. Nur wir sollten eben alles daran setzen, an diese 100 Prozent so nah wie möglich heranzukommen und nicht die Sprüche gelten lassen, wie sie heute gerne zitiert werden: Sicherheit ja, aber nicht um jeden Preis. Wenn ich das höre als Beteiligter dieses Systems, das Sicherheit produziert, dann läuft mir wirklich ein Schauer kalt den Rücken herunter.
Breker: Im Deutschlandfunk war das Marek Kluzniak, von der Gewerkschaft der Flugsicherung. Herr Kluzniak, danke für dieses Gespräch.
Kluzniak: Vielen Dank.