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Gewerkschaft der Polizei
"Wer einen Polizisten angreift, greift die Gesellschaft an"

Für die Polizei wird es offenbar immer schwieriger, sich in Einsatzsituationen bei "gewissen kleinen Gruppen" von Migranten durchzusetzen. "Sie akzeptieren immer seltener die Werte unserer Gesellschaft", sagte Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), im DLF.

Arnold Plickert im Gespräch mit Christoph Heinemann | 11.04.2014
    Arnold Plickert
    Der stellvertretende Bundesvorsitzende der GdP, Arnold Plickert (dpa picture alliance / Martin Gerten)
    Die Einsatzkräfte müssten sich teilweise sogar körperlichen Angriffen erwehren. "Wir treffen immer seltener auf Akzeptanz", sagte Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, im DLF.
    Plickert plädiert dafür, dass "wir keine rechtsfreien Räume" zulassen. "Wer eine Polizistin, einen Polizisten angreift, greift die Gesellschaft an." Die Polizisten trauten sich zudem nicht, ihre Bedenken und Sorgen laut zu äußern, weil sie schnell in die rechte Ecke gestellt würden. "Da müssen wir auch innerhalb der Polizei ein Klima des Vertrauens schaffen. Die Kollegen müssen wissen, dass die Vorgesetzten hinter ihnen stehen."

    Das Interview in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Sie ist 30 Jahre jung, seit zehn Jahren Polizeibeamtin, und ihr ist kürzlich der Kragen ihres Uniformhemdes geplatzt.
    O-Ton Tania Kamburi: "Die Geschehnisse, über die Kollegen oder Medien berichten, sind unfassbar. Es kann nicht sein, dass wir als Polizeibeamte kaum mehr Rechte haben und fürchten müssen, bei jeder rechtmäßigen Maßnahme, bei der wir uns gegenüber straffälligen Migranten durchsetzen müssen, sei es auch mit körperlicher Gewalt, sanktioniert zu werden. Es kann nicht sein, dass solche Menschen, die das Grundgesetz nicht achten und eine illegale Parallelgesellschaft, die in jeder Hinsicht autark ist, geschaffen haben, hier tun und lassen können was sie wollen, weil sie nicht auf den deutschen Staat angewiesen sind."
    Heinemann: Das schrieb Tania Kamburi in der Gewerkschaftszeitung "Deutsche Polizei". Als Tochter griechischer Eltern weiß auch sie, die meisten Ausländer hierzulande sind hart arbeitende Mitbürger, die im Gegensatz zu manch einem deutschen Medienstar auch ihre Steuern zahlen. Aber - darauf weist die türkischstämmige Anwältin Seyran Ates immer wieder hin – es gibt immer mehr Muslime, die sich in einer Parallelwelt zurückziehen und den Koran als ihr Gesetz akzeptieren. Das erlebt eben auch die Polizistin Tania Kamburi und das erleben ihre Kolleginnen und Kollegen. Am Telefon ist Arnold Plickert, er ist stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei und Landesvorsitzender der GDP in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen.
    Arnold Plickert: Schönen guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Plickert, hat Frau Kamburi Ihnen aus dem Herzen geschrieben?
    Plickert: Ich denke mir, die Kollegin hat das geschrieben, was viele meiner Kolleginnen und Kollegen draußen auch denken und täglich auf der Straße erleben.
    Heinemann: Wie sollten sich Polizistinnen und Polizisten verhalten, wenn sie beleidigt oder angegriffen werden?
    Plickert: Zunächst ist die Sprache unser erstes Mittel. Wir sind eine kommunikative Polizei, wir sind eine Bürgerpolizei, und von daher suchen wir immer das Gespräch, um unsere Maßnahmen und unsere Ziele umzusetzen. Wir stellen aber fest, dass es gewisse Milieus gibt, so wie es auch anmoderiert worden ist, Gruppen, die wollen nicht mit uns kommunizieren. Die haben ein anderes Rechtsverständnis und die lehnen es sogar ab in Teilen, wenn Kolleginnen hinkommen, weil aus ihrer religiösen Wertvorstellung Frauen da eine andere Rolle spielen, und da müssen deutliche Zeichen gesetzt werden.
    Heinemann: Welche?
    Plickert: Die Politik muss zum einen diese Sache offen analysieren. In dieser ganzen Sache hängt ja auch dieser Zusammenhang: Darf ich überhaupt was sagen? Viele Kolleginnen und Kollegen haben Angst, Deutschland hat eine Historie, dass man sofort in diese rechte Ecke gedrängt wird. Wir müssen die Probleme sehen, es handelt sich um wenige. Die meisten sind rechtschaffene Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Aber es gibt eben welche, die halten sich nicht an die Regeln. Das muss man auch sagen dürfen. Wir dürfen keine rechtsfreien Räume hier zulassen. Wir brauchen die Unterstützung, dass die Polizei die Institution ist, die für Recht und Ordnung hier verantwortlich ist, und wir nicht rechtsfreie Räume in irgendwelchen Stadtteilen bilden.
    Heinemann: Unterscheiden sich denn die beschriebenen Milieus von Migranten, größtenteils Muslime, wie Frau Kamburi schreibt, von den entsprechenden straffälligen Nicht-Migranten und Nicht-Muslimen?
    Plickert: Nein. Wir haben, denke ich mir, in den Großstädten auch die eine oder andere Jugendbande, wo keine Migrationshintergründe sind, die auch versuchen, die Herrschaft über die Straße zu übernehmen. Vielleicht ist der Unterschied da, dass in Teilen ganz abgelehnt wird, mit Kolleginnen und Kollegen zu sprechen. Wir haben Sachverhalte, da kommen Kollegen zu einem Einsatz, wo sie hingerufen werden. Dann steigen sie aus, haben dann mit Migranten zu tun, und da wird denen sofort entgegengebracht, geht weg, zur Seite, mit euch sprechen wir gar nicht. Das heißt, es ist überhaupt gar keine Akzeptanz da in diesem Bereich.
    "Hier zählen unsere Gesetze"
    Heinemann: Wie sollten sich Polizistinnen und Polizisten dann verhalten?
    Plickert: Ja! Wir müssen diesen Gruppen dann deutlich machen, dass wir nicht in den Streifenwagen einsteigen und zur Wache zurückfahren. Vielfalt ist eine ganz wichtige Sache. Bei uns hat jeder Religionsfreiheit. Aber man muss diesen Leuten auch sagen, hier zählen unsere Werte, hier zählen unsere Gesetze, und nötigenfalls muss man das auch somit umsetzen, nötigenfalls auch mit Gewalt.
    Heinemann: Auch mit härteren Strafen?
    Plickert: Ja das ist jetzt eine Diskussion, die ist unabhängig von irgendwelchen Migrationshintergründen. Wir fordern schon lange eine Mindeststrafe für Angriffe auf meine Kolleginnen und Kollegen. Der aktuelle 113 Widerstand bildet nicht mehr die Realität aus.
    Heinemann: Der Strafparagraph, meinen Sie?
    Plickert: Genau. Beim Widerstand muss ich eine Vollstreckungshandlung vornehmen. Ich muss also aktiv handeln. Draußen auf der Straße sieht es so aus, dass Polizist(inn)en, Rettungskräfte, wenn ich so mal an Freitags, Samstags nachts in den Großstädten bei den Feiern denke, die werden ohne Grund angegriffen. Das muss angepasst werden und wir glauben schon, dass das deutliche Signal sein muss: Wer eine Polizistin, einen Polizisten angreift, der greift die Gesellschaft an. Wir sind Teil der Gesellschaft, wir wollen nicht außen vor stehen, und deswegen muss auch das Signal kommen: Dann musst Du mit einer Mindeststrafe rechnen.
    Heinemann: Herr Plickert, Frau Kamburi hat geschrieben – Sie haben es gerade eben schon angedeutet: "Meine deutschen Kollegen scheuen sich, ihre Meinung über die straffälligen Ausländer zu äußern, da sofort die alte Leier mit den Nazis anfängt". Wie kann man diese Scheu nehmen, ohne von den neuen Nazis vereinnahmt zu werden, also aus der falschen Ecke Applaus zu bekommen?
    Plickert: Wir müssen ein offenes Klima in der eigenen Organisation schaffen, dass ich den Mut habe, zu meinen Vorgesetzten zu gehen, dass ich den Mut habe, darüber zu sprechen. Ich erwarte, dass die Behördenleitungen hinter den Kolleginnen und Kollegen stehen. Wir haben ja eine Analyse in Nordrhein-Westfalen gerade gemacht zum Thema Gewalt. Da ist ein Ergebnis herausgekommen, dass im Prinzip 57 Prozent meiner Kolleginnen und Kollegen, die angegriffen wurden, gar keine Anzeige mehr erstatten, weil sie schon im Prinzip resigniert haben, weil sie feststellen oder fühlen, ich werde nicht von der Justiz unterstützt, ich werde von den Behördenleitungen nicht unterstützt. Da sind wir auf dem falschen Weg und da müssen wir ein klares Signal an die Kollegen geben, wir sind an eurer Seite und wir werden euch nicht im Stich lassen, wenn solche Dinge offen angesprochen werden und auch diskutiert werden.
    Plickert: Oftmals nur geringe Geldstrafen
    Heinemann: Was erwarten Sie von der Justiz?
    Plickert: Ich will jetzt hier nicht der Justiz irgendwelche Vorgaben machen. Das ist die dritte Gewalt. Aber die Kollegen haben zumindest das Gefühl, dass die Urteile doch eher im unteren Bereich sind, oftmals mit geringen Geldstrafen, wo die Kollegen manchmal den Eindruck haben, weil die Rechtsanwälte auch sehr aggressiv in ihrer Verteidigungsstrategie vorgehen, dass sie die Beschuldigten sind, und das führt dazu, dass sie schon in großen Teilen resigniert haben und das schon klaglos hinnehmen, und das darf auch nicht sein. Es muss immer klar gesagt werden, dass diese Maßnahmen auch umgesetzt werden.
    Heinemann: Herr Plickert, wenn Thilo Sarrazin das geschrieben hätte, würde man ihn wahrscheinlich des Rassismus zeihen. Kann so etwas in Deutschland nur eine Mitbürgerin, eine Bürgerin mit Migrationshintergrund äußern?
    Plickert: Ich glaube, wir sind da schon einen Schritt weiter. Wir haben durchaus dieses Thema jetzt in den letzten Wochen und Monaten angefangen, mal wahrzunehmen und auch in die öffentliche Diskussion zu nehmen. Man reflektiert ja immer auf Thilo Sarrazin. Richterin Heisig hat das Ähnliche geschrieben, sie hat bloß diesen schwachsinnigen Part nicht zu den Juden geschrieben. Ich glaube, die Gesellschaft wird da offener für diese Diskussion, und je offener wir werden, je besser werden wir die Frage auch diskutieren. Es geht hier nicht um Stigmatisierung, das will ich noch mal deutlich sagen. Es geht darum, dass wir der Wahrheit aber auch die Ehre geben, und die Wahrheit ist, dass wir gewisse kleine Gruppen haben, die haben ein Macho-Gehabe, die haben nichts mehr an der Rolle, und denen muss man deutlich sagen, bis hierhin und nicht weiter.
    Heinemann: Hat die Politik Beißhemmungen?
    Plickert: Ja ich sage mal, auch für die Politik ist das natürlich ein unangenehmes Thema, weil wenn das Thema diskutiert wird, gibt es immer irgendwelche Gruppierungen, die einen versuchen, sofort in die Richtung zu drängen. Ich glaube, wir müssen da selbstbewusst auftreten. Die Vergangenheit darf nicht vergessen werden, aber die Gegenwart darf auch nicht ausgeblendet werden, und da muss man einen Kompromiss finden, muss aber deutlich aufzeigen, hier ist der Rechtsstaat, der gilt, und hier gelten unsere Rechte und Gesetze.
    Heinemann: Arnold Plickert, der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Plickert: Ich danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.