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Gewerkschaft fordert Auslastung aller Standorte

Remme: Die Konkurrenz von Arbeitnehmern in Deutschland untereinander, und die Gefahr einer Abwanderung von Kapazitäten ins Ausland, beides sind schwierige Konfliktlagen für die Gewerkschaft, in diesem Fall für die IG-Metall. Am Telefon mitgehört hat und aus Hamburg ist Frank Teichmüller, IG-Metall Bezirksleiter Küste. Herr Teichmüller, zu Ihrem Tarifbezirk gehört auch der Standort Bremen. Wenn die Arbeitsplätze nun in Deutschland bleiben, ob in Sindelfingen oder in Norddeutschland, warum nimmt man es der Konzernleitung dann übel, bei dieser Politik Kosten zu sparen?

Moderation: Klaus Remme |
    Teichmüller: Wir nehmen keiner Konzernleitung übel, Kosten zu sparen. Worum es hier geht, ist, dass die Arbeitnehmer, die dieses Produkt herstellen, die die Gewinne dieses Unternehmens erarbeiten, erpresst werden sollen durch die Konkurrenz von Werken untereinander, und in Ihrem letzten Beitrag ist es sehr deutlich geworden, nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit. Heute ist es dann Bremen, aber Bremen war auch schon unter Druck, als es um andere Produkte ging. Hier kann man nur das Problem gemeinsam lösen, und das tun die Kollegen bei DaimlerChrysler.

    Remme: Aber sind Sie nicht in einer merkwürdigen Lage in Norddeutschland, praktisch tarifliche Privilegien in Sindelfingen verteidigen zu müssen, die die Kollegen in Bremen gar nicht haben?

    Teichmüller: Nein, das ist ja eine alte Geschichte, wo gerade von der Politik und interessierten Kreisen behauptet wird, dass wir den europäischen Einheitslohn durch Flächentarifsvertrag haben. Wir wissen sehr genau, dass die Tarifverträge sehr unterschiedlich sind. Die baden-württembergischen Kollegen haben zum Teil bessere Tarifverträge, aber eben auch nur zum Teil. Es geht ja immer nur um die Lohnkosten, und diese Unterschiede sind ja nur ein geringer Teil bei den Produktionskosten eines Unternehmens. Sie können bei einem Automobilwerk zwischen 15 und 30 Prozent je nach Werk von Lohnkosten ausgehen. Das heißt, diese enormen Unterschiede, um die es da angeblich geht, lassen sich durch diese Unterschiede nicht erklären. Wenn wir heute einer Erpressung von Links nach Rechts nachgeben würden, dann würde morgen die Erpressung von Rechts nach Links kommen. Das wissen die Kollegen sehr genau.

    Remme: Aber noch mal: Welche Berechtigung hat so ein Privileg, zum Beispiel die so genannte "Steinkühlerpause"?

    Teichmüller: Entschuldigen Sie, hier ist ein Unternehmen, wo enorm hohe Gewinne gemacht werden. In dieser Republik ist es offensichtlich so, dass ein Unternehmen, das 14 Prozent Kapitalrendite hat, nicht begründen muss, warum es 16, 17, 18 oder 19 Prozent haben will, während ein Arbeitnehmer, der 2.800 Euro verdient, erklären muss, warum er nicht mit 2.600 Euro auskommt. Das kann doch nicht wahr sein. Wir haben Tarifverträge - Steinkühler ist schon lange nicht mehr erster Vorsitzender -, die in einer Zeit galten, als es schwieriger auf dem Weltmarkt war als zur Zeit. In den neunziger Jahren hatten wir eine sehr viel schwierigere Situationen als deutsche Automobilindustrie als wir es zur Zeit haben.

    Remme: Ich habe immer noch nicht verstanden, warum die Arbeiter dann in Sindelfingen ein paar Minuten weniger arbeiten müssen als die in Bremen.

    Teichmüller: Ja, weil zum Beispiel dort ein anderer Feiertag gilt. Warum müssen die Kollegen auf etwas verzichten, was vorhanden ist, wenn dieses Unternehmen Gewinne in einem Umfang macht, wie es zur Zeit der Fall ist. Also der Eichel wäre ganz froh, wenn er die 3,5 Milliarden hätte. Das ist der Gewinn nach Steuern, um es mal so deutlich zu sagen. Erklären Sie mir bitte, warum es so ist, dass der, der hohe Gewinne macht, höhere Gewinne machen darf, und dass das richtig und schön ist, während die Arbeitnehmer permanent nur begründen sollen, warum sie nicht auf mehr verzichten und noch ein bisschen was abgeben.

    Remme: Ich frage Sie lieber, zum Beispiel, warum die C-Klasse in Bremen günstiger gebaut werden kann als in Sindelfingen? Sie haben gerade selber gesagt, die Lohnkosten sind nicht alles.

    Teichmüller: Also Sie müssen sehen, es geht hier um einen Teil der C-Klasse. Es geht hier um Sondermodelle der C-Klasse. Die C-Klasse wird üblicherweise in Bremen gebaut. Es gibt eine Reihe von Sondermodellen, die an verschiedenen Standorten gebaut werden. Die Lohnkosten sind nicht überall gleich. Wir haben in Norddeutschland, weil bei uns in Bremen die wirtschaftliche Situation deutlich schlechter ist als in Stuttgart, einen Tarifvertrag, der zwar im Ecklohn gleich, aber weder in der Lohnlinie noch in den Arbeitsbedingungen gleich ist. Das haben die Kollegen in Baden-Württemberg sich erarbeitet. Aber darum geht es nicht. Wir haben schon in anderen Fällen um Produkte die Auseinandersetzung zwischen Werken gehabt, wo dann der Unternehmer kommt und sagt, passt auf, wir vergeben dieses Produkt, und jetzt müsst ihr gewissermaßen bieten, wie weit ihr bereit seid, runterzugehen. Das führt zu keinem Erfolg. Was wir wollen, ist eine Auslastung aller Werke. Was wir wollen, ist technische Innovation, ist Qualität. Das ist der Grund, warum Daimler-Benz gekauft wird, nicht weil er billig ist.

    Remme: Ich habe gelesen, dass BMW mit 8.000 Mitarbeitern weniger annähernd die gleiche Anzahl von Autos herstellt. Ist dieser Hinweis auf Produktionsreserven zulässig?

    Teichmüller: Nein, er ist nicht zulässig, weil man immer im Einzelfall nachgucken muss, wie viel gemacht wird. Es ist ja eine Frage der Fertigungstiefe. Sie werden feststellen, dass Sie bei VW, Opel und Ford noch andere Zahlen haben. Das ist sogar von Werk zu Werk unterschiedlich. Das hängt von der Produktionsweise ab. Man kann ein Werk auf die reine Montage reduzieren. Man kann sehr viel mehr in dem Werk machen. Diese Vergleiche bringen uns überhaupt nichts. Wenn wir in der Not wären, dass Daimler-Benz seine Autos nicht verkauft und die C-Sonderklassenmodelle nicht liefen, dann müsste man sich mehr Gedanken machen. Darum geht es überhaupt nicht, das steht alles außer Frage. Was nicht außer Frage steht, ist, dass Daimler-Benz erklärt, jetzt wollen wir ein bisschen mehr Gewinn haben.

    Remme: Wird es bei diesem bundesweiten Protesttag bleiben?

    Teichmüller: Ich gehe mal davon aus, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden in Baden-Württemberg mit dem Gesamtbetriebsrat - da sind ja Bremer Kollegen beteiligt -, mit der IG-Metall - da sind wir dabei. Aber ich glaube, es ist auch sehr deutlich, dass Daimler-Benz wissen muss, diese berühmte Sozialpartnerschaft, von der sie erzählt haben, das war ja Produktivität, das war Motivation der Arbeitnehmer, das war Einsatz für die Marke Daimler-Benz. Da waren ja die Menschen stolz drauf, ich arbeite bei Daimler. Das kann man alles kaputtkriegen. Nur kriegt man damit nicht mehr Produktivität, nicht mehr Qualität, nicht mehr Motivation, sondern immer nur weniger, und das kostet richtig viel Geld.

    Remme: Vielen Dank für das Gespräch.