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Gewerkschafts-Chef Schmoldt unterstützt EU-Chemie-Richtlinie

Der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, hat die gestern vom EU-Parlament angenommene Chemikalien-Verordnung als zukunftsweisendes Konzept begrüßt. Da die Branche ein wichtiger Wachstumsmotor sei, habe man einen Kompromiss finden müssen, betonte Schmoldt. Nach der EU-Richtlinie soll die Chemie-Industrie 30.000 bisher kaum getestete Stoffe auf ihre Gefährlichkeit hin überprüfen und registrieren.

Moderation: Klaus Remme |
    Klaus Remme: Egal ob Sie gerade noch im Bett liegen, im Bad stehen, in der Küche sitzen oder im Auto fahren, die Chemie ist mit dabei. Deshalb ist die Europäische Chemikalienverordnung "REACH" auch so wichtig für jeden von uns. Welche Stoffe sind unbedenklich, welche gefährlich. Man sollte meinen, dies wäre vor der Herstellung des Produktes geprüft worden. Doch weit gefehlt! Die gestern beschlossene Verordnung sieht nun eine Analyse vieler, aber längst nicht aller Stoffe vor und da setzt die Kritik ein. Kniefall vor der Industrie, löchrig wie ein Schweizer Käse. So tönt es von manchem Umweltschützer und in der Tat: die Abgeordneten im Parlament haben den ursprünglichen Entwurf entschärft. Die Summe der zu prüfenden Stoffe wurde erheblich gesenkt. Immerhin geht es um eine Branche, die bis zu fünf Millionen Menschen in der EU beschäftigt. Ich habe vor der Sendung mit Hubertus Schmoldt, Vorsitzender der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, darüber gesprochen und meine erste Frage an ihn war, ob es nicht ein ständiger Spagat war im Vorfeld dieser Verhandlungen, ein Spagat zwischen den Interessen der Arbeitnehmer als Arbeitsplatzsicherung und den Interessen der Arbeitnehmer als Verbraucher?

    Hubertus Schmoldt: Nein, genau das haben wir ja versucht, mit den Kompromissvorschlägen in Übereinstimmung zu bringen. Das ist ja auch gelungen und die mögliche Einigung, die jetzt in greifbare Nähe gerückt ist, ist ein ganz wesentlicher Beitrag zum Beispiel für das Erreichen der Lissabon-Strategie. Die chemische Industrie hat in Europa Platz drei, ist ein wichtiger Wachstumsmotor und dafür musste man trotz der Kombination von Umweltschutz, Arbeitssicherheitsgedanken, aber auch Wettbewerbsfähigkeit einen solchen Kompromiss finden, wie er jetzt vorliegt.

    Remme: Wie kommt es eigentlich, dass so viele Chemikalien nie systematisch untersucht worden sind? Das hätten Sie doch als Gewerkschaft wirklich lange fordern müssen.

    Schmoldt: Das haben wir ja auch. Die deutsche chemische Industrie hat ja als einzige in Europa eine weitestgehende Stoffuntersuchungsbestimmung vorgenommen. Insoweit liegen dann ja nun auch die entsprechenden Daten vor und mit der Berufsgenossenschaft, in diesem Fall der chemischen Industrie, ist das in den vergangenen Jahren systematisch gemacht worden. Was gefehlt hat ist dann die Umsetzung auf dann fertige Produkte und dies wird nun mit dem neuen Chemikalienrecht in Europa getan.

    Remme: Ganz grundsätzlich bedeutet ja diese Richtlinie eine Umkehrung der Beweispflicht. Nicht die Schädlichkeit, sondern die Unbedenklichkeit muss nachgewiesen werden. Unterstützen Sie diesen Grundsatz?

    Schmoldt: Wir unterstützen ihn natürlich. Das worüber wir uns in den vergangenen Jahren, muss man beinahe sagen, immer aufgeregt haben ist die Kompliziertheit dieses Verfahrens, das angestrebt war, das in der Tat nicht dem Gedanken von Sicherheit, Umweltschutz und auch Unbedenklichkeit der Stoffe im weitestgehenden Sinne Rechnung tragen würde, sondern ein bürokratisches Monster aufgebaut hätte. Nun ist beides so in Übereinstimmung gebracht worden, dass ich sage es ist ein zukunftsweisendes Konzept. Es gibt auf der Welt nirgendwo anders ein solch weitgehendes Chemikalienrecht. Das ist gut so. Mehr darf es aber im Moment auch nicht sein.

    Remme: Was bedeutet denn das konkret für die 1.700 deutschen Chemieunternehmen?

    Schmoldt: Es bedeutet einen höheren Aufwand der Dokumentation, der Nachuntersuchung in einigen Bereichen, insbesondere auch in dem Bereich von niedrigen Tonnage-Produktionsmengen.

    Remme: Wie groß ist der Aufwand?

    Schmoldt: Der wird unterschiedlich beziffert. Ich werde mich aber an Spekulationen nicht beteiligen. Für die größeren Betriebe – das war ja immer unsere Position – wird sich diese Frage nicht wesentlich bemerkbar machen. Das war im Prinzip immer ein Problem für die kleinen, für die mittelständischen Betriebe, die ja die Mehrzahl der Betriebe ausmachen, und deshalb hier auch der Versuch, einen vernünftigen Kompromiss zu finden.

    Remme: Herr Schmoldt, gefährdet diese Richtlinie Arbeitsplätze in der Branche?

    Schmoldt: Das will ich nicht hoffen! Wir haben ja mit Sicherheit jetzt einen höheren Aufwand. Das beeinträchtigt die Wettbewerbsposition der chemischen Industrie in Deutschland und natürlich auch in Europa gegenüber anderen in der Welt. Nun wird es bei der Umsetzung darauf ankommen, dass man hier eine Umsetzungsart wählt, die nicht doch wieder so kompliziert und bürokratisch wird, dass daraus erneut zusätzliche finanzielle Belastungen entstehen. Wir müssen sehr sorgfältig darauf achten, dass unser weitgehendes Chemikalienrecht nicht ausgehöhlt, unterlaufen wird durch Importe aus anderen Ländern, die diese Bestimmung nicht haben.

    Remme: Das letzte Wort hat der Ministerrat, nicht etwa die Abgeordneten, die gestern abgestimmt haben. Sollte die neue Bundesregierung auf eine Veränderung des jetzigen Entwurfs in irgendeine Richtung drängen oder nicht?

    Schmoldt: Nein, das bringt nun nichts mehr. Es ist ja fast drei Jahre lang um dieses neue Chemikalienrecht gerungen worden. Es ist sicherlich auch einmalig, dass die chemische Industrie mit ihrem Verband der chemischen Industrie, die Bundesregierung und wir als zunächst zuständige Gewerkschaft gemeinsam die Positionen formuliert haben und sie gegenüber Europa auch versucht haben durchzusetzen. Ich glaube, dass das, was jetzt vorliegt, ein Kompromiss wie alles immer im Leben sein wird, dass man damit aber leben kann und zunächst auch arbeiten sollte.

    Remme: Hubertus Schmoldt war das, Vorsitzender der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.