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Gewerkschaftstag der IG Metall
Ost-West-Unterschiede, Hetze im Betrieb und Clickworker

Mit 2,3 Millionen Mitgliedern ist sie Deutschlands größte Gewerkschaft: Alle vier Jahre trifft sich die IG Metall zu ihrem Gewerkschaftstag – neben Vorstandswahlen geht es auch um Ost-West-Unterschiede und den Umgang mit Rechtspopulisten im Betrieb.

Von Birgit Harprath | 07.10.2019
Ein Mann trägt am 10.01.2018 in Homburg (Saarland) bei einem Warnstreik am Werk der Firma Bosch eine Mütze mit der Aufschrift IG Metall. Mit Warnstreiks will die Gewerkschaft den Druck im Tarifstreit der Metall- und Elektroindustrie erhöhen. Foto: Oliver Dietze/dpa | Verwendung weltweit
Im saarländischen Homburg fürchten viele Mitarbeiter des Autozulieferers Bosch, die E-Mobilität könnte ihre Jobs überflüssig machen. (picture alliance / Oliver Dietze/dpa)
Ordnung muss sein – auch auf einem Gewerkschaftstag. Und so begann der Kongress erst einmal mit den vorgeschriebenen Berichten verschiedener Kommissionen. Und danach hatte der geschäftsführende Vorstand das Wort. Alle vier Jahre muss der für seine Politik geradestehen. Jörg Hofmann, erster Vorsitzender der Gewerkschaft, ist für die Tarifpolitik zuständig. Er lobte die guten Abschlüsse. Ein Manko: Immer noch haben die Metallbeschäftigten im Osten nicht die 35 Stunden Woche wie ihre westlichen Kollegen.
"30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es keinen Grund mehr, dass unsere Tarifverträge weiter eine Grenze ziehen. Wir, die IG Metall, wird dieses Thema nicht fallen lassen."
Das gleiche gilt für den Klimaschutz. Es gehe beides, betont der IG-Metallvorsitzende: Umwelt schützen und Arbeitsplätze halten, auch in der Automobilindustrie. Die IG Metall sieht hier den Staat in der Verantwortung – wer mit viel Steuergeld Banken gerettet habe, der müsse jetzt auch die Energie- und Mobilitätswende aktiv begleiten. Gerade vor dem Gewerkschaftstag machten Autobauer aber auch Zulieferer mit Plänen zum Personalabbau von sich reden. Hofmann griff das auf. Kein Unternehmen dürfe Arbeitsplätze in Billiglohnländer verlagern und das mit dem Strukturwandel begründen.
"Ich sage, da ist Schluss mit lustig. Das ist die Aufkündigung der Sozialpartnerschaft. Das erzeugt Widerstand. Und den haben wir und werden wir organisieren. Ob bei Conti, ob bei ZF und anderen. Wir lassen unsere Zukunft nicht rauben, Widerstand ist angesagt."
"Wer hetzt, der fliegt aus dem Betrieb"
Den kündigte der IG-Metallchef auch gegen rechtspopulistische und nationalistische Umtriebe an. In einigen Firmen hat das schon zu heftigen Auseinandersetzungen in der Belegschaft geführt. Hofmann wurde angegriffen, weil er Position bezog. Doch er bleibt dabei.
"Wer hetzt, der fliegt aus dem Betrieb und aus der IG Metall. Das ist unsere klare Position."
Applaus dafür vom Plenum – doch in der anschließenden Aussprache gibt ein Delegierter eines auch zu Bedenken.
"Wir haben auch in der Organisation ein Problem, was offen angesprochen werden muss. Wenn ich höre, dass wir viele Kolleginnen und Kollegen, die rechts wählen, weil sie nicht mehr weiter wissen, oder aus welchen Gründen auch immer man Nazis wählt. Ich weiß es nicht, aber das ist unser Problem und darum müssen wir uns kümmern."
Cristiane Benner, zweite Vorsitzende, sprach ein weiteres Problem an: die neuen Beschäftigungsformen, also Click- oder Crowdworker, die ohne Arbeitsvertrag, sozial nicht abgesichert und für oft wenig Geld kleine Aufträge im Internet annehmen.
"Mächtige Plattformen unterlaufen so ziemlich alle Errungenschaften, die Gewerkschaften je erkämpft haben. Wir sagen den Internetgiganten in diesem Konflikt klipp und klar: Recht und Gesetz dürfen weder am Werkstor noch beim Einloggen auf eine Internetplattform enden."
63-jähriger Jörg Hofmann als einziger Kandidat für IG-Metall-Spitze
Und für das Alter abgesichert sollten die Menschen auch sein. Für das Thema ist im Vorstand der IG Metall Hans-Jürgen Urban zuständig. Dass die Rente mit 63 für langfristig Beschäftigte durchgesetzt wurde, sei auch das Verdienst der IG Metall.
"Schon die Rente mit 67 war eine der größten Fehlentscheidungen in der Sozialpolitik dieses Landes. Ja, die Altersgrenzen müssen verschoben werden, aber nach unten."
Eine Delegierte kam da gleich auf den nächsten Tag zu sprechen. Dann wird gewählt. Alle sieben Mitglieder des geschäftsführenden Vorstandes treten wieder an – auch der erste Vorsitzende Jörg Hofmann mit bald 64 Jahren.
"Mit allem Respekt Jörg: Wir haben doch alle gemeinsam gegen die Rente mit 67 gekämpft. Du wirst beim nächsten Gewerkschaftstag fast 68 Jahre alt sein. Unsere Glaubwürdigkeit stärkt das nicht."
Gegenkandidaten für den Posten gibt es bisher aber nicht.