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Gewürze
Der Duft des Advents

Den Advent kann man schmecken: im Glühwein, Lebkuchen und bei der traditionellen Gans. Für den besonderen Geschmack sind Gewürze verantwortlich und die sind die Leidenschaft von Stefan Lemcke, Inhaber der Gewürzmanufaktur "Ankerkraut".

Von Maike Strietholt | 29.11.2013
    Ein Gewürzstand auf einem Wiener Wochenmarkt.
    Ein Gewürzstand auf einem Wiener Wochenmarkt. (Jan-Martin Altgeld)
    Vor der Tür der Gewürzfirma Ankerkraut dröhnt der Zulieferverkehr des nahen Hamburger Hafens, sogar drinnen ist davon noch ein wenig zu hören. Inhaber Stefan Lemcke, Mitte 30, ist im Vorratslager unterwegs – er sucht die Zutaten für die heutige Mischung zusammen: Ein Glühweingewürz...
    "Wir können mal am Zimt riechen...hmm. Sternanis – ganz hübsches Gewürz, haben wir ganz, haben wir geschrotet, haben wir gemahlen, das kommt in ganz viele Mischungen rein. Muskatblüte Macis, das ist auch oft in Gin drin. Damit muss man etwas aufpassen, das schmeckt sehr intensiv."
    Rund 100 Rohgewürze – von Bockshornklee bis Wacholderbeeren – und eine Vielzahl an Mischungen lagern hier auf schlichten Metallregalen in fünf bis zehn Liter fassenden weißen Plastikeimern. Für die Weihnachtszeit ist so einiges dabei:
    "Bratengewürze, Entengewürze, Glühweingewürz, Hamburger Rumtopfgewürz, Zucker-Zauber-Weihnachten, Lebkuchengewürz, Spekulatiusgewürz."
    Und auch einige Teesorten: "Windhuk-Vanille, das ist ein Roibuschtee mit Vanille, und Pfeffernuss-Orange, das ist ein Roibuschtee mit Pistazien und Pfeffernüssen."
    Die Verarbeitung geschieht bei Ankerkraut fast ausschließlich in Handarbeit. Nicht einmal die beiden kleinen Mahlmaschinen, die auf dem Produktionstisch stehen, finden heute Anwendung:
    "So, wir machen heute Glühweingewürz. Wir fangen an mit Zimt. Jetzt schneide ich den Zimt vor und breche ihn mit der Hand in kleine Stücke. Man riecht jetzt den Zimt schon. So, als nächstes kommt Orangenschale und Zitronenschale. Das gibt einen frischen, zitrusartigen Geschmack. So, hier haben wir Nelken, und Sternanis. Die Nelken lassen wir ganz, da sie sonst zu intensiv sind, den Sternanis brechen wir aber ein wenig."
    Die meisten Gewürze werden in Indien eingekauft
    Alle Gewürze landen in einer kleinen Metallschale. Bei der Vanille wird es etwas aufwendiger. "Man schneidet die Schote einmal auf, ich nehme die Gewürzmischung und streiche sie durch die Schote. So, jetzt vermengen wir das alles. Das ist jetzt zwei ein halbes Kilo Glühweingewürz, " und reicht für etwa zehn Gläser, die durch einen Trichter befüllt werden.Zuletzt beklebt Lemcke die Korkengläser mit dem Etikettierer. Die Maschine gehört zu den jüngeren Investitionen. Ankerkraut existiert erst seit dem Frühjahr. Stefan Lemcke, zuvor selbstständig in der IT-Branche tätig, erfüllte sich mit der Firmengründung einen Lebenstraum. Für die Gründung der GmbH und das Anmieten der Räumlichkeiten in Hamburg-Wilhelmsburg nutzte er seine Ersparnisse, über Messen und Internetrecherche suchte er Kontakt zu den Gewürzlieferanten:
    "Die meisten Gewürze kommen aus Indien. Viel aber auch aus Madagaskar, Indonesien, Pakistan, Ägypten und einige Besonderheiten aus Hawaii, Tahiti."##
    Kurkuma aus Indien kann dabei für 2,50 pro Kilogramm zu haben sein, hochwertiger Safran aus dem Iran kostet bis zu 3.000 Euro pro Kilogramm. Entsprechend variieren die Verkaufspreise der Kräuter und Mischungen. 100g kosten zwischen drei und 20 Euro; 50g des Glühweingewürzes kosten fünf Euro.
    Lemcke betont, dass alle Gewürze auf Giftstoffe überprüft werden, bevor sie ins Sortiment gelangen. Ansonsten entscheidet beim Firmenchef aber schlichtweg die Nase: Als Sohn eines Entwicklungshelfers in Afrika schaute er schon als kleiner Junge den Köchen über die Schulter und störte sich immer wieder an der eingeschränkten Verfügbarkeit guter Gewürze in Deutschland: "Besonders macht uns, dass alles handgemacht ist, dass alle Rezepte selbst gemacht sind, und, das Wichtigste, dass wir ganz frisch produzieren. Die meisten Gewürze, wenn sie beim Kunden ankommen, sind eine oder zwei Wochen alt, sind aus ganzen Gewürzen klein gemahlen."
    Lemcke legt Wert auf besondere Qualität
    Und zudem frei von Aromen und anderen Zusatzstoffen wie Geschmacksverstärkern oder Rieselhilfen. Offensichtlich sieht nicht nur Lemcke diesen Qualitätsunterschied zu den industriell gefertigten Produkten großer Hersteller: Diverse Feinkost- und Fischhändler in Hamburg und Umgebung sind bereits Stammkunden, außerdem werden von Firmen der unterschiedlichsten Branchen Gewürze für besondere Anlässe bestellt – um Neukunden zu gewinnen oder Kundengeschenke zu verteilen. Der VFL Bochum ließ für ein Event ein hochwertiges Salz liefern.
    Allerdings ist Ankerkraut im Segment der Spezialitätengewürze natürlich auch nicht allein auf dem Markt. Lemcke ist bislang jedoch mit dem Verkauf zufrieden: "Es läuft sehr, sehr gut. Viel besser als gedacht."
    40.000 Euro Umsatz hatte Lemcke für das erste Jahr geplant, 70.000 könnten es mit etwas Glück noch werden. Für ein gesichertes Auskommen der Familie – Lemcke ist verheiratet und Vater zweier Kinder – müssten es allerdings schon 150.000 Euro Umsatz werden. So kümmert sich der Chef bislang um Vieles selbst, auch um den Vertrieb und die Buchhaltung. Lediglich in der Produktion sind zwei weitere Kräfte angestellt. Für die Zukunft plant Lemcke aber ohnehin eine Umstrukturierung:
    "Ich denke, Ankerkraut wird ein richtiges Familienunternehmen werden. Der Firmensitz wird in die Nähe meines Wohnhauses verlegt werden, und die ganze Familie wird mithelfen."
    Bis dahin muss Ankerkraut noch ein wenig wachsen, doch die Chancen stehen nicht schlecht: Das Geschäft mit Glühweingewürz und Co. ist außerordentlich gut angelaufen - und das, obwohl der Verkauf auf dem Weihnachtsmarkt erst noch bevorsteht.