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"Ghetto Radio" in Kenia
Die junge Stimme der Slums

Das "Ghetto Radio" ist einer der beliebtesten Sender Kenias. Die Macher des Jugendprogramms setzen auf Inhalte wie Armut, Kriminalität und Korruption - Themen, die sie persönlich gut kennen.

Von Linda Staude | 13.02.2018
    "Ghetto Radio"-Frühmoderator Julius Owino, besser bekannt als Maji Maji
    "Ghetto Radio"-Frühmoderator Julius Owino, besser bekannt als Maji Maji (Linda Staude )
    "Es ist sechs Uhr morgens, Sie hören 'Ghetto Radio'!" Der tägliche Auftakt zum Frühprogramm, das nach der stolzen Eigenwerbung des Senders die Nummer eins in Kenia ist.
    Die Frühsendung heißt "Breko", eine Verballhornung des englischen Worts Breakfast, Frühstück auf Sheng, Kenias Jugend-Slang.
    Und der Name ist Programm: "'Ghetto Radio' ist als Plattform für junge Leute gegründet worden. Wo sonst fühlen sie sich vertreten? Wo sonst wird ihre Sprache gesprochen? Das gab es vorher nicht", sagt Julius Owino, oder Maji Maji, wie er sich als Frühmoderator nennt.
    Sheng ist eine Mischung aus Kisuaheli, Englisch und einer ganzen Menge frei erfundener Wörter. "Die Sprache hat sich in den Städten Kenias verbreitet. Bänker benutzen Sheng, Ärzte bei der Behandlung. Mit diesem Wachstum ist 'Ghetto Radio' mittlerweile zu einem Lifestyle-Sender geworden."
    Aber die Zielgruppe ist auch nach acht Jahren on air die gleiche: junge Leute in den vielen Slums in Nairobi, erklärt Co-Moderator Nicholas Kelele, besser bekannt als King Kafu. "Wir richten uns an die Slums, weil dort die wirklich wichtigen Themen spielen. Die Probleme findet man nicht in den besseren Vierteln, und wenn doch, dann sind sie ganz anders als in den Slums."
    Armut, Kriminalität, Korruption, Politik
    An diesem Morgen geht es um alleinerziehende Mütter, wie immer mit Hörerbeteiligung und einem Studiogast. Nancy Ogisa hat vier Kinder, die sie mit dem Geld von ihrem Gemüsestand und Gelegenheitsjobs durchbringt. "Frauen, haben oft Angst, darüber zu sprechen, was sie durchmachen müssen. Ich will ihnen sagen: Ihr seid nicht alleine, es gibt viele von uns!"
    Armut, Kriminalität, Korruption, Politik – die Themen des "Ghetto Radio" kommen an. Peterson Gituma hat ein kleines Geschäft im Slum Kangemi. "Es ermutigt uns. Im Radio haben sie immer Programme, durch die man etwas lernen kann. Sie motivieren uns junge Leute in den Ghettos. Und das ist gut."
    Das Gebäude von "Ghetto Radio" in Nairobi
    "Ghetto Radio": Laut Eigenwerbung des Senders die Nummer eins in Kenia (Linda Staude)
    "Das Miteinander fördern"
    King Kafu ist selbst im Slum aufgewachsen und weiß genau, wovon er redet. Der Job als Radiomoderator war eine zweite Chance für ihn, nach vier Jahren im Gefängnis. "Ich habe Leute ausgeraubt, Autos geklaut und in Geschäften gestohlen, 20 Jahre lang. Ich habe jung angefangen, weil ich Waise war und nichts hatte. Deshalb habe ich mich einer Gang angeschlossen, um mich zu ernähren."
    Die Zahl der "Ghetto Radio"-Fans wächst ständig. Und das ist wichtig für einen kommerziellen Sender, der sich aus Werbeeinnahmen finanziert. Und es hilft, seine vordringlichste Botschaft zu verbreiten, sagt Maji Maji:" Das Übel der Konflikte zwischen Volksgruppen und einer schlechten Interessenpolitik. Ich denke, es ist unsere Pflicht als Jugendsender, Zusammenhalt zu schaffen. Ich will nicht das Wort Frieden benutzen, aber das Miteinander zu fördern."
    Gerade nach den umstrittenen Wahlen im vergangenen Jahr liegt ihm das besonders am Herzen, fügt er hinzu. Denn die meisten Todesopfer der Wahlproteste waren seine Hörer – die jungen Leute in den Slums.