Lange: Gibt es denn Ausreißer nach oben oder nach unten?
Roth: Durch die Steuerreform in den letzten Jahren haben kleinere Kommunen in der Bundesrepublik einen Zuwachs an der Gewerbesteuer, die aber nicht zu den Hauptarbeitsplatzgebieten gehören. Das kann man nicht zum Durchschnitt nehmen. Wir haben grundsätzlich bundesweit 10 Prozent weniger Gewerbesteuereinnahmen, aber teilweise Kommunen, zu denen auch Frankfurt, Stuttgart, München und die großen Städte in Nordrhein-Westfalen gehören, die 30 bzw. 40 Prozent weniger Gewerbesteuereinnahmen haben. Die Gewerbesteuer ist sozusagen der Humus, auf dem die lokale Wirtschaft erstellt wird und dann auch blühen kann.
Lange: Was sind die Folgen, wenn sich da nichts zugunsten der Kommunen tut?
Roth: Verglichen mit 1993 investierten die Kommunen im Jahr 2001 10 Milliarden weniger, d.h. es müssen viele Maßnahmen umgesetzt werden, z.B. Schulbausanierungen, Oberflächenpflege der Straßen, Grünanlagen, mehr Sicherheitskräfte, Reinigung. Das sind alles Maßnahmen, die aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden müssen.
Lange: Frau Roth, hat denn Herr Eichel gestern Ihnen mehr zu bieten gehabt als Trost und gute Worte?
Roth: Nein, wir sind mit einer Enttäuschung auseinandergegangen, denn das, was wir auch hier eben besprochen haben, die Fakten, wie schlecht es den Kommunen geht, dass die Jahre 2002 und 2003 durch das Wegbrechen der Gewerbesteuer nicht viel besser für uns sein werden, das war kaum ein Thema. Wir haben gesagt, wir möchten gerne sozusagen ein Sofortprogramm, und es geht dabei hauptsächlich um die Gewerbesteuerumlage, die nicht mehr in die Zeit passt, weniger Gewerbesteuer und erhöhte %abführungen an die Länder. Wir hatten bisher 20 Prozent, jetzt sind wir bei 30 Prozent, und wir werden bis zum Jahre 2009 bei 40 Prozent sein. Das belastet die Kommunen noch mehr. Da hat uns aber der Bundesfinanzminister keine Hoffnung gemacht, dass er das verändert. Was er zugesagt hat ist, dass wir diese Gemeindefinanzreform mit einem Arbeitskreis, in dem federführend auch der Deutsche Städtetag vertreten sein soll, mit Personen besetzen, dass wir externe Informationen haben werden, um das unabhängig von den eigenen Interessen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu beraten. Wir werden in diesem Arbeitskreis nochmals darauf hinweisen, dass wir eine Entzerrung wollen, dass wir weg wollen von der Mischfinanzierung dahin, dass uns nicht zusätzliche Aufgaben auferlegt werden, die wir in den Kommunen bezahlen müssen. Beispiel: Wenn das Zuwanderungsgesetz kommt und die Integrationskosten anstehen - und ich habe in Frankfurt ein hervorragendes Integrationsprogramm -, dann ist es für uns selbstverständlich, dass das der Bund bezahlt, aber nicht die Kommunen. Und wenn wir uns leider mit weniger Steuereinnahmen zufrieden stellen müssen, dann kann das nicht im Sinne der Entwicklung der Städte sein. Wer schafft eigentlich Arbeitsplätze, wenn nicht die Kommunen? Und der Arbeitsmarkt wird entlastet durch Arbeitsplätze und ein hohes Beschäftigungsverhältnis, durch die Attraktivität der Städte.
Lange: Manchmal sind ja diese Arbeitskreise quasi nur eine feinere Umschreibung für "auf die lange Bank schieben". Haben Sie diesmal nicht diesen Eindruck?
Roth: Das trifft mit Sicherheit für vieles zu. Wir haben 1966 eine große Finanzreform gehabt, die auch einen Arbeitskreis hatte. Jetzt geht es um die Modernisierung - ich könnte auch sagen -, Revitalisierung der Gewerbesteuer, nicht die Abschaffung, aber unter veränderten Kriterien, sie muss auch Europafähig sein. Dieses kann man nur mit Fachleuten beraten. Es soll 2003 ein Ergebnis vorliegen. Das zweifle ich an. Aber wenn wir jetzt beginnen, dann bin ich sicher, dass es zum Ende dieses Jahrzehnts eine Reform geben wird.
Lange: Ihre Partei, die CDU, und die FDP haben schon mehrfach vorgeschlagen, die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen. Halten Sie das in dieser Situation für sinnvoll?
Roth: Da waren wir insofern erfolgreich, als der Bundesfinanzminister gesagt hat, dass er hier diesem Appell des Städtetages folgt. Die zweite Stufe wird nicht vorgezogen.
Lange: Nach dem, was der Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber an Vorhaben genannt hat, Investitionsprogramm für den Osten, bessere Ausstattung der Bundeswehr, dafür Einsparungen an anderer Stelle, wie optimistisch sind Sie, dass die Städte bei einer CDU geführten Regierung bessergestellt würden?
Roth: Wissen Sie, ich habe schon so viele Erfahrungen mit CDU-Bundesregierungen und mit Rot-Grünen Bundesregierungen als Bürgermeisterin der Stadt Frankfurt, und ich muss sagen, da ist kein großer Unterschied. Die Interessen des Bundes werden von den gewählten Regierungen wahrgenommen, und wir haben die Interessen der Städte wahrzunehmen. Deshalb appellieren wir auch daran, uns unser Selbstverwaltungsrecht nicht zu nehmen, d.h. wir wollen die Steuern, die wir einnehmen, für das ausgeben, was wir für richtig halten, und keine Erschwernis haben. Im Grunde genommen wollen wir jetzt auch eine Genehmigung der Aufsichtsbehörden dafür haben, dass wir unsere Haushalte zum Teil nicht ausgeglichen einbringen, weil wir damit antizyklisch Investitionsprogramme fahren, und da schließt sich der Kreis, dass hier die Kommunalaufsicht, besonders in den ostdeutschen Städten, die Kommunen nicht die Genehmigungen nicht bekommen, Schulden aufzunehmen. Deshalb ist das Sonderprogramm, was diese Bundesregierung jetzt mit einem sehr geringen Zinssatz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau anbietet, im Grunde genommen für diejenigen, die Geld brauchen, überhaupt nicht nutzbar, weil ihnen die Genehmigung nicht gegeben wird. Deshalb bin ich der Ansicht, dass der gesündeste Beitrag eine florierende Wirtschaft ist, d.h. wir müssen auf Bundesebene die Steuergesetzgebung weiter verändern, wir müssen im Bereich der Verantwortung, welche die Unternehmen in Deutschland gleich anderen europäischen Ländern haben müssen, sehr viel mehr tun, dann kommen sie mit den Unternehmen, dann gibt es Arbeitsplätze, dann gibt es Steuern, dann investieren wir und dann haben wir auch die lokale Wirtschaft mit eigenen Mitteln so im Griff, dass sie Arbeitsplätze vor Ort garantieren kann.
Lange: Erwarten Sie denn von dem Kombilohn-Modell Entlastungseffekte für die Städte?
Roth: Das Kombilohn-Modell ist - das darf man nicht verwirren - ein guter Beitrag für die Personen, die Langzeitarbeitslose sind und durch die Langzeitarbeitslosigkeit in die Sozialhilfe gefallen sind. Dafür ist das Mainzer Modell richtig. Man darf von dem Mainzer Modell nicht erwarten, dass er einen hohen Anteil der Arbeitslosigkeit reduziert, sondern die Langzeitarbeitslosen werden durch solche Programme zum Teil motiviert, eigene Leistungen zu bringen, trotz der Zuschüsse des Bundes über den Arbeitgeber, nicht durch Staatszuschüsse, die Beiträge für die Rente und die Sozialabgaben finanziert zu bekommen. Das ist der Sinn, denn wir als Kommune zahlen die Sozialhilfe. Ich kann für Frankfurt sagen, wir haben einen großen Abbau der Sozialhilfeempfänger durch solche Programme erreicht. Bei uns ist die Anzahl der Sozialhilfeempfänger rückläufig, die Zahl der Arbeitslosen ist rückläufig, weil wir ein sehr differenziertes und filigranes Beratungssystem in Frankfurt haben, aber das kostet Frankfurter Steuergelder. Im Grunde genommen sind wir ja nicht verpflichtet, den Arbeitsmarkt zu finanzieren, und die Kommunen müssten durch eine Subvention des Bundes wieder erleichtert werden.
Lange: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio