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Giftmüll unter der Leverkusener Brücke
Bayers giftiges Erbe

Die vielbefahrene Leverkusener Brücke ist marode und muss ersetzt werden. Als Fundament für die neue Trasse soll alter Giftmüll dienen. Dabei wird die vor 20 Jahren versiegelte Giftmülldeponie Dhünnaue aufgebrochen. Ein Alternativplan - ein Tunnel unter dem Rhein - wurde erst gar nicht geprüft.

Von Gerhard Schröder | 12.04.2019
Die Leverkusener Brücke über den Rhein, vom Ufer aus fotografiert
Eine neue Autobahnbrücke auf einer alten Giftmülldeponie: der Neubau der Leverkusener Brücke birgt einige Risiken (picture alliance / Oliver Berg / dpa)
"Wir stehen auf der Dhünnaue Nord, und da hat man jetzt den Panorama-Blick. Da sehen Sie die A 1." Die Altlast Dhünnaue in Leverkusen. Ingrid Obernosterer steht ganz oben auf der Anhöhe, dort, wo der Giftmüll einst besonders hoch gestapelt wurde. Von hier hat man einen guten Blick auf die marode Leverkusener Brücke, den Rhein, die Autobahn und das, was die Einheimischen den Spaghetti-Knoten nennen. Ein verwirrendes Geflecht von Autobahnrampen und Verteilerkreuzen, von Zu- und Abfahrten, die den Verkehr in Leverkusen in alle Himmelsrichtungen verteilen. Und das alles muss neugebaut werden.
"Das hier ist Autobahn, aber hier wird es eine Abfahrt geben, und deshalb brauchen wir hier wieder ein Brückenbauwerk." Ingrid Obernosterer vom Geotechnischen Institut Düllman hat die Fachaufsicht über diese Riesenbaustelle. Sie hat die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, trägt eine orangefarbene Warnweste und Sicherheitsschuhe, das ist Pflicht auf der Baustelle.
Die Leverkusener Brücke ist so marode, dass Autos nur mit Tempo 60 darüber fahren dürfen. Schweren Lastwagen ist die Überfahrt ganz verboten. Wer es trotzdem versucht, wird vor der Brücke oder auf den Zufahrten gestoppt, durch eine automatische Schrankenanlage. Damit der Verkehr in Zukunft wieder ungestört rollen kann, sollen die Brücke und die Autobahn A1 von 6 auf 8 Spuren erweitert werden.
Autobahn steht auf hochgiftiger Mülldeponie
Einziges Problem: Brücke und Autobahn stehen mitten in einer Giftmüllablagerung. Hier an den Ufern des Rheins in Leverkusen, hat der Bayerkonzern 50 Jahre lang seine hochtoxischen Produktionsrückstände abgekippt. "Chrom 6 findet man. Wir finden verschiedene andere Schwermetalle. Wir finden die sogenannten polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Wir finden aber auch Stoffe wie Chlorbenzole und PCB. Das sind in Reinstform hochgiftige Stoffe, ja." 6,5 Millionen Tonnen Müll lagern auf den Rheinwiesen in Leverkusen, davon 70 Prozent Bauschutt, Siedlungsabfälle und Klärschlämme, 15 Prozent Hausmüll und 15 Prozent gefährlicher Giftmüll des Bayer-Konzerns.
Für ein Problem hielt das damals offenbar niemand. Anfang der 60er-Jahre wurde die Autobahn A1 gebaut, mitten durch die Mülllandschaft hindurch. Aber warum auch nicht, schließlich hatte man schon in den 50er-Jahren auch Wohnhäuser auf die Deponie gebaut.
"Ja, das wird ungefähr hier gewesen sein, die Straße. Und dann waren die ganzen Wohnhäuser hier." Petra Fabrizius steht auf dem Neulandpark am Rhein, hier hat sie gewohnt, in den 80er-Jahren, mitten auf der Giftmüllhalde. "Und dann haben wir auch am Wasser gespielt, Buden gebaut. Ja, und ganz oft wurden tote Fische angeschwemmt, und wir haben dann damit gespielt."

Das Gift, das tonnenweise im Boden unter den Häusern lagerte, machte auch viele Menschen krank. "Freunde von mir sind auch erkrankt, die früher da auch gewohnt haben, die eine kann keine Kinder kriegen, bei den anderen sind die Eltern gestorben. Meine Mutter ist vor zwei Jahren gestorben an Leukämie. So, ich habe zwei Knoten an der Schilddrüse."
Die braunhaarige Petra Fabricius steht auf einer Wiese an der ehemaligen Giftmülldeponie.
Petra Fabrizius wohnte als Kind in einem Haus auf der Giftmülldeponie, heute ist sie Gegnerin des Autobahnbaus auf der Giftmülldeponie (Deutschlandradio / Alexander Moritz)
Das kommt von den Bayer-Giften, glaubt die 42-Jährige, aber beweisen kann sie das nicht. Ende der 80er-Jahre lässt die Stadt die Häuser auf der Giftmüllhalde abreißen; die Fläche wird für die Öffentlichkeit gesperrt. Auch der Bayer-Konzern gerät unter Druck.
Endlich wird ein Sanierungsplan entworfen. Die nahe liegende Idee, den Giftmüll auszugraben und fachgerecht zu entsorgen, wird schnell verworfen – zu teuer. Stattdessen werden provisorische Sicherungsmaßnahmen beschlossen, die verhindern sollen, dass die Schadstoffe weiter in die Umwelt gelangen können. Eine knapp vier Kilometer lange Sperrwand wird gebaut, die die Altlast zum Rhein hin absichern soll, oben drauf wird eine dicke Schutzschicht aufgetragen, sie soll verhindern, dass Gase austreten. 110 Millionen Euro kostete das insgesamt. Den Großteil übernimmt der Bayer-Konzern.
"Die gesicherte Altablagerung ist heute nicht mehr gefährlich. Die Umweltauswirkungen sind gesichert", sagt Bayer-Manager Josef Schiffer, er ist heute für die Sicherung der Altlast Dhünnaue zuständig. "Die Stoffe, die darin sind, die sind kritisch, ja. Deshalb ist die Altablagerung auch gesichert mit Oberflächenabdichtung, und Grundwasserbarriere, sodass der Kontakt zum Grundwasser, zur Luft, zum Menschen unterbunden ist."
"Natürlich kann die Altdeponie noch ausbluten"
Harald Friedrich, einst Abteilungsleiter im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, ist da zurückhaltender. Man habe getan, was man konnte, um die Altlast abzusichern, sagt der gelernte Chemiker. Aber ein Grundproblem sei einfach nicht zu lösen: Die Giftmüllablagerung sei nicht dicht, giftiges Sickerwasser könne austreten: "Das, was man vorgefunden hat und was man saniert hat, natürlich würde das heute so nicht mehr genehmigt, weil der gesamte Altbereich ist ohne eine Basisabdichtung. Das heißt also, es muss jedem deutlich sein: Natürlich kann diese Altdeponie noch in Richtung Grundwasser ausbluten."
Heißt im Klartext: Schadstoffe können ins Grundwasser gelangen, sagt Friedrich. Um das zu verhindern, hat Bayer tiefe Brunnen gebohrt. Dort wird das hochbelastete Sickerwasser aufgefangen und in die benachbarte Kläranlage gepumpt. Im Jahr rund 3,5 Millionen Kubikmeter. "Und in diesem Wasser befinden sich eben die Schadstoffe, die aus der Altablagerung ausgewaschen werden. Da ist mehr oder weniger alles drin. Es gibt mobile und weniger mobile Schadstoffe. Sie finden Schwermetalle, Chlorbenzole da drin."
Bayer muss nachweisen, dass die Sicherungssysteme so funktionieren, dass keine Schadstoffe ins Grundwasser oder in den Rhein ausgeschwemmt werden. "Und da sind wir ganz sicher, dass kein belastetes Wasser aus dem Sicherungsbereich der Altablagerung in Richtung Rhein abfließt. Das wird jedes Jahr dokumentiert, regelmäßig gemessen. Da sind wir ganz sicher, ja."

Die Grundidee ist eigentlich ganz einfach: Der Wasserspiegel in der Deponie wird abgesenkt, und zwar unter das Niveau des Rheinpegels. Das führt dazu, dass das Wasser immer vom Rhein in die Deponie fließt. Nicht umgekehrt. Ein sicheres System, sagt Bayer-Manager Schiffer. Zumindest in der Theorie.
Blick auf den Rhein und dahinter die Grabungsstelle an der Deponie Dhünnaue, die von einem langgestreckten weißen Zeltbau abgedeckt ist.
Ein luftdichtes Zelt soll vor austretenden giftigen Dämpfen schützen (imago / Manngold)
Der Schweizer Geologe und Altlastenexperte Walter Wildi ist da nicht ganz so sicher. "Wenn der Rheinspiegel rasch absinkt, dann müsste ja der Grundwasserspiegel in der Deponie ebenfalls ganz rasch so weit abgesenkt werden wie der Rhein. Nun, im Überwachungsbericht sagen sie, das ist nur kurzfristig, da kommt nichts rüber. Aber das wurde ja noch nie untersucht. Also, so viel ich sehe, ist das eine Abschätzung, ja, an die glauben nur diejenigen, die daran glauben wollen."
Von der Anhöhe nördlich der Rheinbrücke sieht man ein weißes Zeltdach. Eine Leichtbauhalle. Sie steht direkt neben der Autobahn. Und das bedeutet: Hier wird gerade Giftmüll ausgebaggert. Die Arbeiter tragen weiße Schutzanzüge und Atemmasken, um sich vor giftigen Gasen zu schützen. Zwei Stunden dauert eine Schicht, dann wechselt das Personal. Aus Sicherheitsgründen: Die Luft im Zelt wird abgesaugt und gefiltert, damit keine Schadstoffe in die Umwelt gelangen können.
Bislang lief alles glatt, sagt Andre Volmert. Er überwacht die Arbeiten in der Einhausung: "Wir messen ja verschiedene Sachen, wir haben einmal ein Sechs-Gas-Messgerät in Betrieb, also das misst anorganische Gase und dann aber noch ein Messgerät, das organische Gase misst. Aber diese Geräte sind eben so kalibriert, dass, wenn irgendwas käme, dann eben ein Alarm ausgelöst würde, aber das hatten wir jetzt in der Form noch nicht."
Giftmüll als Fundament für vielbefahrene Autobahn
Aber es bleiben Risiken. Das zeigt das Beispiel Bonfol in der Schweiz. Bei der Sanierung der dortigen Deponie kam es zu einer Explosion, sagt Walter Wildi. Er hat die Sanierung in Bonfol wissenschaftlich begleitet. "Eine ziemlich starke Explosion. Die kam von Stoffen, von denen man offiziell nichts wusste. Das waren irgendwelche Phosphate, die dann zündeten und die zu einer Explosion führten. Also wenn Sie so wollen: primitive Sprengstoffe."
In Bonfol kam bei der Explosion niemand zu Schaden, weil die Einhausung der Baustelle so massiv war. Eine Leichtbauhalle, wie sie in Leverkusen eingesetzt wird, hätte der Druckwelle kaum standgehalten. Ingrid Obernosterer vom Büro Düllmann bleibt dennoch gelassen: "Ja, wir sind da sehr guter Dinge. Wir können das ausschließen. Wir haben keine Angst, dass wir in Situationen kommen, in denen wir brennbare Materialien in entsprechender Konzentration antreffen werden."
Die Anwohner machen sich dennoch Sorgen. Detlev Stoller wohnt einen Kilometer Luftlinie von der Dhünnaue entfernt. Das ist nicht weit, sagt er. "Wenn da was passiert, dann ist dieses Gift in zwei Minuten bei mir. Da gibt es kein Schutzkonzept dagegen. Ich fühle mich als Hauptbetroffener."
Es gibt noch mehr offene Fragen. Ist es wirklich eine gute Idee, die neue Autobahntrasse einfach auf den Giftmüll aufzulegen? In den 60er-Jahren, als die Autobahn A1 gebaut wurde, hatte man den Giftmüll unter der Trasse noch komplett ausgeräumt. Jetzt soll er drin bleiben und als Fundament für eine viel befahrene Autobahn dienen.
Eine riskante Strategie, meint der Straßenbauingenieur Helmut Hesse. Nicht nur weil der Müll so giftig ist, sondern auch, weil er unterschiedlich fest ist. Es lagern dort harte Materialien wie Bauschutt neben weichen und flüssigen Rückständen aus der Chemieindustrie. "Dann wird die Straße nicht stabil liegen bleiben. Sie wird sich bereichsweise setzen. Es kann zu Muldenbildung kommen, es kann aber auch größere Sackungen eintreten. Es können Löcher entstehen, die so groß sind, dass da drin ein Auto verschwindet."
Ingrid Obernosterer, die Fachfrau der nordrhein-westfälischen Straßenbauverwaltung hält das für abwegig. Bauen auf weichem Grund sei heute kein Problem mehr, sagt sie: "Denken Sie einfach mal an die Niederlande, da haben wir ganz viel Schwemmland. Das hat keine höhere Tragfähigkeit als die Altablagerung Dhünnaue. Und auch dort werden große Verkehrsanlagen gebaut. Also das Bauen auf weichem Untergrund ist nichts Neues."
Bayer-Konzern tritt Teil der Altlast an den Bund ab
Durch den Autobahnbau wird die Schutzschicht, mit der die Altlast Dhünnaue vor 20 Jahren versiegelt wurde, zerstört. Und Kritiker wie Harald Friedrich bezweifeln, dass der Asphalt der Autobahn ein ausreichender Ersatz ist: "Ich sage es in aller Deutlichkeit: Wenn da gesagt wird, dass nach dem Aufbringen der Straße auf den Sonderabfallkörper, die Deponie genauso gesichert sei wie vorher, dann ist das barer Unsinn."
Friedrich fürchtet, dass giftige Gase durch den Asphalt nach außen gelangen und zu einer Gefahr für die Umwelt werden könnten. Ein Einwand, den Ingrid Obernosterer nicht gelten lässt. "Wir haben da Gussasphaltschichten, die sind technisch quasi dicht. Und wenn diese Materialien Schaden nehmen, was jeder Fahrbahnbelag im Lauf der Jahre tut, dann wird er vom Straßen NRW im Rahmen der Instandhaltung ersetzt. Das machen wir mit allen Autobahnen, ob da jetzt eine Altablagerung drunter ist oder nicht. Das muss ja immer Instandgehalten werden."
Der Vorteil dieser Methode liegt auf der Hand: Es muss weniger Giftmüll ausgebaggert und anschließend entsorgt werden. Dadurch fallen weniger Kosten an.
Straßen NRW hat für die Deponiearbeiten 41 Millionen Euro eingeplant. Helmut Hesse hält das für viel zu gering. Er hat nachgerechnet und kommt auf Ausgaben von 1,28 Milliarden Euro, also 30 mal soviel. Ein Grund: Hesse geht davon, dass mehr Giftmüll ausgebuddelt werden muss. "Das ist ein allgemein verbreitetes Gesellschaftsspiel, dass man die Kosten niedrig rechnet, um einen Baubeginn zu erreichen und hinterher sagt, das haben wir nicht gewusst, jetzt kostet es mehr, tut uns leid. Hier besteht aber die große Gefahr, dass diese Steigerung so ungewöhnlich ist. Also alles, was die Menschen bis jetzt hier in Deutschland aufregt, von der Elbphilharmonie über den Flughafen in Berlin, das wird aller Voraussicht nach in Leverkusen getoppt."
Ziemlich gut kommt bei der ganzen Sache der Bayer-Konzern weg. Den Teil der Altlast, der für den Autobahnbau gebraucht wird, tritt der Konzern an den Bund ab. Und er kann den Müll, den er einst selbst auf den Rheinwiesen verklappt hat, auf Steuerzahlerkosten entsorgen.
Geld will der Konzern damit aber nicht verdienen, sagt Sebastian Reißner, der Leiter der Sondermülldeponie der Bayer-Tochter Currenta. "Da ist eine Investition in die Zukunft. Es reicht uns hier ein kostendeckendes Angebot, weil wir eben durch die neue Rheinquerung an der Stelle einen erheblichen Wettbewerbsvorteil wieder generieren können."
Bonfodil als Vorbild
Giftmüll im Überschwemmungsgebiet, direkt am Rhein, durchschnitten von Autobahnen? Alles kein Problem, wir haben das im Griff! Das ist die Botschaft der Straßenplaner um Ingrid Obernosterer. Das mag für den Augenblick stimmen. Aber ist das auch eine Lösung auf Dauer, eine Lösung für nachfolgende Generationen?
Am 25. August 2017 endete im Schweizer Kanton Jura mit einem lauten Knall die Sanierung der Giftmülldeponie Bonfol. Es war kein Unfall, sondern die fachgerechte Sprengung der Halle, die die Baustelle während der Grabungsarbeiten abgeschirmt hatte. Die Explosion, mit der die Halle zum Einsturz gebracht wurde, war der Schlusspunkt einer erfolgreichen Sanierung, die im Jahr 2000 angestoßen und knapp 20 Jahre später abgeschlossen wurde. 114.000 Tonnen Giftmüll wurden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ausgebuddelt, in Containern verschlossen und größtenteils in Hochtemperaturöfen entsorgt.
Bonfol gilt heute als Modell für einen anderen, einen nachhaltigen Umgang mit Giftmüll. Nicht mehr reparieren, abdichten, abpumpen heißt die Devise in der Schweiz, sondern den Giftmüll rausholen und entsorgen. Innerhalb einer Generation, so der Leitgedanke, müssen die Spuren des Giftmülls beseitigt werden, sagt der Schweizer Geologe Walter Wildi. "Das hat zur Folge, dass Sicherungsmaßnahmen, die während mehr als einer Generation, also das sind etwa 30 Jahre, aufrechterhalten werden müssen, sind nicht gesetzeskonform. Der Giftmüll muss raus, ja."
Ein nachhaltiger Umgang mit Giftmüll, wäre das nicht auch ein Vorbild für Deutschland? Ein Vorbild auch für den Umgang mit dem Giftmüll in der Dhünnaue in Leverkusen? Bayer-Manager Josef Schiffer zuckt irritiert mit den Schultern. "Die Altablagerung Dhünnaue ist nach damaligem, sprich 90er-Jahre, und heutigen Gesichtspunkten, nach dem Stand der Technik, gesichert. Und auch heute wüssten wir keine bessere Lösung, die Altablagerung zu sichern. Für die Ewigkeit."
Also wird in Leverkusen weiter abgedichtet und abgepumpt, in der Hoffnung, dass keine Schadstoffe in den Rhein oder ins Grundwasser geschwemmt werden. Walter Wildi hält das auf Dauer nicht für den richtigen Umgang mit dem Giftmüll: "Das sind provisorische Notmaßnahmen, würde ich sagen, und es ist nicht eine Lösung, es ist einfach das Problem auf die nächste Generation hinausschieben. Es steht also im blanken Widerspruch zur Nachhaltigkeit."
Tunnel statt größerer Autobahn
So sehen das auch einige Bürger in Leverkusen. Das Forum, ein Kulturzentrum in der Leverkusener Innenstadt, sonst Anlaufpunkt von Theater- und Opernfreunden. Heute treffen sich hier Umweltaktivisten, Kommunalpolitiker und engagierte Bürger, um zu beraten, ob der Autobahnbau durch die Giftmülldeponie noch zu stoppen ist.
"Die Sachlage ist, wie sie im Moment ist. Und sie ist für uns Leverkusener leider, leider beschissen", sagt Erhard Schoofs, der Mann von der Bürgerliste. Gemeinsam mit einigen Umweltverbänden hatte Schoofs gegen das Autobahnprojekt geklagt, war bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. Vor anderthalb Jahren wies das Gericht die Klage zurück.

Statt der vergrößerten Autobahn hatten die Bürgerinitiativen einen langer Tunnel vorgeschlagen - sechs Kilometer lang. Das war der Plan, der einen Eingriff in die Giftmülldeponie überflüssig gemacht hätte. Und Leverkusen von den 120.000 Autos befreit hätte, die täglich durch die Stadt rasen. Erhard Schoofs: "Unser Konzept war ganz einfach. Durchgangsverkehr, der sowieso nicht hierhin will, in die Tunnel - weg damit. Die Tunnel auch noch mit guten Filteranlagen ausrüsten, und wir haben einen riesen Schritt in Sachen Gesundheit gemacht."
Allerdings hat diese Variante in den Planungen von Straßen NRW nie eine größere Rolle gespielt. Das sei technisch nicht machbar, sagt Projektleiter Thomas Raithel. Ein langer Rheintunnel sei nie ernsthaft geprüft worden, entgegnet Karl Lauterbach, der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte. Er setzt sich seit langem für einen Tunnelbau ein: "Das würde in der Stadt tatsächlich, das habe ich damals mal ausgerechnet, mit einem Lungenfacharzt zusammen, wahrscheinlich bis zu 200 Todesfällen pro Jahr vermeiden, weil der Feinstaub viel gefährlicher ist als wir denken."
Die Leverkusener Bürgerinitiativen haben 23.000 Unterschriften gegen die Autobahn und für die Tunnellösung gesammelt und dem nordrhein-westfälischen Verkehrsministerium übergeben. Ob das reicht, um die Politik zum Nachdenken zu bewegen? Auch der Kommunalpolitiker und Umweltaktivist Erhard Schoofs ist da skeptisch. Aber Aufgeben, sagt der 78-Jährige, aufgeben sei für ihn auch keine Alternative:
"Solange ich der Überzeugung bin, das ist richtig, werde ich auch weitermachen. Geschlagen geben wir uns nicht. Wir geben uns erst geschlagen, wenn nichts mehr geht."
Lokalpolitiker Erhard Schoofs im Gespräch mit unserem Autor und Redakteur Gerhard Schröder.
Lokalpolitiker Erhard Schoofs im Gespräch mit Dlf-Redakteur Gerhard Schröder (Deutschlandradio / Alexander Moritz)