Freitag, 19. April 2024

Archiv

Giovanni "Don" Bosco
"Ein extravaganter Dickkopf"

Don Bosco ist der zweitgrößte katholische Männerorden weltweit und hat 15.000 Mitglieder in 130 Ländern. In internationalen Projekten setzen sie sich für Straßenkinder und die Bildung benachteiligter Jugendlicher ein. Der Begründer des Ordens, Giovanni Bosco, wurde heute vor 200 Jahren geboren.

Von Anna Gann | 16.08.2015
    Eine Skulptur von Giovanni Don Bosco
    Eine Skulptur des katholischen Priesters Giovanni Don Bosco (dpa/picture alliance/Uwe Gerig)
    Im Dezember 1841 sieht der katholische Priester Giovanni Bosco, wie der Küster der Franziskanerkirche in Turin mit dem Handbesen auf einen verängstigten Jungen eindrischt und ihn aus der Sakristei jagt. Er weist den Mesner an, den Vertriebenen zurückzurufen und setzt hinzu:
    "Er ist mein Freund."
    Dabei hat er den 16jährigen noch nie im Leben gesehen. Doch seine eigene spontane Reaktion offenbart Giovanni Bosco seine Lebensaufgabe. In Turin wimmelt es in dieser Zeit der beginnenden Industrialisierung von Jugendlichen, die ohne Zuhause und ohne Schulabschluss auf der Straße stehen. Sie schlagen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch, schuften in Fabriken, viele landen im Gefängnis. In seinen Erinnerungen schreibt Don Bosco, wie er meist genannt wird:
    "Wenn diese jemanden finden, der sich ihrer annimmt, dann führen diese jungen Leute nach der Verbüßung ihrer Strafe ein anständiges Leben. Dies konnte ich mit Händen greifen."
    Seinen ersten Schützling aus der Franziskanerkirche lädt Don Bosco sofort ein, wiederzukommen und seine Kameraden mitzubringen. Anfangs sind es sonntags um die neunzig Jugendliche, schließlich strömen sie zu Hunderten in Boscos "Oratorium", wie er es nennt. Sie beten gemeinsam, lernen Lesen und Schreiben, sie essen, feiern und spielen. Der charismatische Priester ist bei allem mittendrin. Um 1960 erinnerte sich der 89jährige Don Quaranini:
    "Wenn er in den Hof kam, wo wir spielten, sind wir alle gerne zu ihm gelaufen und wollten einige Worte wenigstens von ihm hören."
    Er besucht die jungen Leute in den Gefängnissen und setzt sich bei ihren Arbeitgebern für gerechtere Verträge ein. Zuwendung und Vertrauen, Freundschaft und Güte statt Bevormundung und starrer Erziehungskonzepte: Damit war Don Bosco seiner Zeit voraus, wie Emil Hartmann, Leiter des Don Bosco-Jugendwerkes Bamberg, feststellt:
    "Ganz elementare pädagogische Grundprinzipien, die heute als wahnsinnig modern gelten: Erlebnispädagogik, ressourcenorientierte Pädagogik, Beziehungspädagogik, hat Don Bosco in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts alles schon gemacht."
    Zumal Don Bosco die Situation seiner jungen Freunde aus persönlichem Erleben nachempfinden konnte. Er selbst wurde am 16. August 1815 in ärmliche Verhältnisse hineingeboren. Sein Vater starb, als er zwei Jahre alt war. Mit elf Jahren verließ er sein Zuhause, um in der Fremde als Stallknecht zu arbeiten.
    "Ein extravaganter Dickkopf"
    So nannte ihn sein Heimatpfarrer. Denn der außergewöhnlich begabte Junge war berüchtigt für seinen Stolz und sein aufbrausendes Temperament. Doch er strahlte auch eine große Lebensfreude aus, hatte einen Hang zum Spielerischen und ein mitreißendes Wesen. In Becchi veranstaltete er Aufführungen mit selbst einstudierten Kunststückchen.
    "Der Salto mortale, auf den Händen gehen, Bälle und Eier vermehren, ein Huhn köpfen und wieder lebendig machen, so dass es lustiger gackert als vorher: Das waren so meine gewöhnlichen Nummern. Auf dem Seil bewegte ich mich so sicher wie auf einem festen Weg.
    Ein Zauberer und Seiltänzer im Priestergewand inmitten einer Horde lärmender, ungewaschener Buben? Sein Oratorium sei eine Brutstätte für Aufstand und Revolution, argwöhnten manche. Eine Zumutung, dass sich ein Geistlicher mit Menschen vom Rand der Gesellschaft umgibt, dachten andere. Im Klima eines aufkeimenden Antiklerikalismus versuchte man den populären Priester durch Hausdurchsuchungen und Überwachung unter Druck zu setzen. Mehrfach entging er Mordanschlägen. Doch Don Bosco blieb unbeirrt bei seiner berühmt gewordenen Lebensdevise:
    "Fröhlich sein, Gutes tun – und die Spatzen pfeifen lassen."
    Erst 1846 fand er eine dauerhafte Bleibe für sein Oratorium in Valdocco bei Turin. Dort richtete er später ein Internat und Werkstätten ein. 1859 gründete er eine Ordensgemeinschaft, die sich Salesianer Don Boscos nennt und sein Werk weiterführt. Giovanni Bosco starb am 31. Januar 1888 in Turin nach einer längeren Lungenentzündung. Die katholische Kirche erklärte den "Gaukler Gottes", wie er auch genannt wird, zum Schutzpatron der Jugend und der Zirkusleute.