Elf Hallen, 15 Konzerte, drei große schwarze Trucks. Etliche teure Gitarren und gut 25.000 Menschen, die sich Tickets ab 75€ leisten konnten. Joe Bonamassa: das ist Big Blues Business. Gerade hat Joe Bonamassa seine Deutschlandtour beendet. Am kommenden Freitagerscheint sein neues, sein 12. Album "Blues Of Desperation". Doch so verzeifelt kann der Gitarrist und Sänger nicht sein, denn es läuft seit Jahren recht gut für den mittlerweile knapp 39-Jährigen aus New Hartford. Bonamassa arbeitet schier unermüdlich. Eigentlich bringt er beinahe jedes Jahr ein Studioalbum undoder eine LiveCD/CD undoder ein Album mit einer seiner Bands. Oder er steht mit US-Sängerin Beth Hart auf der Bühne oder im Studio. Die Zusammenarbeit war so erfolgreich, dass Hart und Bonamassa für August wieder zu Aufnahmen verabredet sind. Doch trotz aller Routine: Bei seinem neuen Album, sagt Bonamassa, ist diesmal alles anders:
"Das Songwriting ist auf dem neuen Album besser. Wir haben die Stücke ja jetzt auf der Tour schon gespielt, und sie heben sich stark von dem älteren Material ab - vielleicht auch, weil die Leute die alten Sachen so oft gehört haben. Ich bin auch recht stolz auf diese neue Produktion. Vor einiger Zeit habe ich beschlossen, das Buch mit "John Henry", meinem erfolgreichen Album von 2009, zu schließen und mal wieder etwas anderes zu machen. Das Neue haben wir dann mit dem Vorgängeralbum "Different Shades of Blue" gestartet, wo es jetzt mit "Blues of desperation" weitergeht."
Eine 1956er Stratocaster als Schutzschild
Joe sitzt in der Garderobe der Bonner Beethovenhalle und spielt sich für seinen Auftritt warm. Die Gitarre auf seinem Schoß ist, "nur eine 56er Strat" wie er beiläufig erwähnt, aber: so beiläufig ist der Satz nicht dahin gesagt, denn Joe beobachtet genau, wie man auf den Spruch reagiert. Dazu muss man wissen: die Fender Stratocaster wurde 1954 erfunden, so viele ältere Modelle gibt es nicht - allerdings ein paar Millionen jüngere. Joe ist manischer Gitarrenjäger, und gerade die alten Modelle der Fender Strats oder Gibson Les Pauls kauft er mit Vorliebe. Knapp 250 solcher Schätzchen hat zuhause gehortet. Die alte Gitarre behält er wie ein Schutzschild im Gespräch weiter auf dem Schoß.
"Der Sound auf dem neuen Album ist auch anders als früher, bombastischer, die Platte selbst ist mehr in Jams entstanden. Früher habe ich sehr durchstrukturiert gearbeitet , jetzt ist das mit mehr Live-Feeling… naja, eigentlich ist das Album bis auf den Gesang ja auch live entstanden. Ich habe "Blues Of Desperation" eben mit den Leuten eingespielt, mit denen ich auch vorher auf Tour war und jetzt auf Tour bin."
Auf der Tour spielte der als 12-jähriges Blueswunderkind Gestartete eigenes Material, andererseits huldigte Bonamassa aber auch den Bluesheiligen Albert, BB und Freddie King. Und diese Songauswahl spiegelt auch ein wenig den Spagat, den Bonamassa mit seiner Karriere insgesamt wagt, aber immer irgendwie hinbekommt. Einerseits hat er mit Anton Fig einen Rocktrommler an Bord, der früher in der Band von David Lettermann spielte. Andererseits sitzt Reese Wynans an der Hammondorgel, eine lebende Blues-Legende, die schon mit den Allman Brothers und in Stevie Ray Vaughans' Band Double Trouble auftrat.
Der Sound kantiger, die Soli länger
Das ist er, der neue etwas dickere Bluesrock-Sound. So klingt Joe Bonamassa 2016. Beim Vorgänger "Different Shades Of Blue" noch etwas weichgespülter, das neue Werk wirkt wieder kantiger, bringt längere Gitarrensoli, doch immer noch scheint der Mainstreammarkt im Blick zu sein. Produziert hat Kevin "Caveman" Shirley, der auch Giganten wie Iron Maiden zu seinen Kunden zählt.
Insgesamt hat das Blues-Genre - mal wieder - nicht gerade die besten Karten in der Gunst der Käufer. Und deswegen spielt Joe auf seinen Platten also Blues, der nicht nach Blues klingen darf, da ihn sonst das Mainstreamradio verschmäht. Bei den Fans hinterlässt dies ein etwas zwiespältiges Gefühl, abgesehen von der Tatsache, dass man in Bonamassas Konzerten seit einiger Zeit sitzen muss: Nicht immer springt der Funke über, die Fans sind in den großen Hallen vielleicht auch zu weit weg vom Geschehen. Der Künstler selbst hat, so sagt er, allerdings seinen Spaß, auch wenn dies die erste Platte ist, auf der kein Marshall-Verstärker zu hören ist.
"Ja, hat sich alles verändert, ich habe meine Verstärker minimiert: Keine Marshall-Wände mehr, kleineres Besteck, nur ein paar Tweed-Verstärker, ich lasse meine Hände sprechen anstelle der Technik. Die Band ist kleiner und auch in die Musik wollte ich mehr Luft hineinbringen."
Bluespentatonik mit Sonnenbrille
So läuft das Business: Platte, Tour, Platte Tour. Bonamassa verdient damit gutes Geld, er ist Veranstalter seiner eigenen Konzerte, was die Gewinnmarge hochtreibt. Doch vor allem live ist Bonamassa eine Wucht, er zeigt, wie weit man es mit der Bluespentatonik bringen kann. Nach Jahren der Schüchternheit spricht er inzwischen sogar mit dem Publikum - die Sonnenbrille allerdings bleibt stets im Gesicht. Auch diese Platte wird sich gut verkaufen. Bald also könnte Bonamassa in Rente gehen.
"Mit 62, dann bin ich 50 Jahre im Business. Ach, nein, lieber mit 52, das ist in 13 Jahren."
Das ist natürlich nur ein Scherz, denn im Business Bonamassa ist schon jetzt klar: auf das 12. wird auch ein 13. Album folgen - das Zeitfenster dafür ist schon ausgemacht.
Joe Bonamassas Album "Blues Of Desperation" erscheint am 25.3.2016 bei Mascot/Provogue