Archiv


Glaubwürdigkeit von Siemens in der Öffentlichkeit steht in Frage

Wenn sich der Verdacht bestätigt, dass sich die Siemens-Finanzaffäre bis in die Vorstandsetagen des Konzerns zieht, dann ist nach Ansicht des Vizevorsitzenden von Transparency International in Deutschland, Peter von Blomberg, eine neue Dimension der Korruption erreicht. Sollten sich die Vorstände tatsächlich nicht an die bestehenden Richtlinien gebunden fühlen, hätte die Korruptionsprävention nicht funktioniert.

Moderation: Christine Heuer |
    Christine Heuer: Was ist vom Korruptionsskandal bei Siemens zu halten? Ist das ein typischer Fall für Korruption und auch für den Umgang mit Korruptionsfällen in großen Konzernen. Darüber möchte ich jetzt mit dem Vizevorsitzenden von Transparency International in Deutschlandsprechen. Guten Morgen, Peter von Blomberg.

    Peter von Blomberg: Guten Morgen, Frau Heuer.

    Heuer: Die Süddeutsche Zeitung, Herr von Blomberg, berichtet heute unter Berufung auf die Münchner Staatsanwaltschaft, dass auch die Büros von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld und anderen Vorständen des Konzerns durchsucht worden sind. Vorher schon gab es den Verdacht gegen Bereichschefs. Haben wir bislang nur die Spitze des Eisbergs gesehen?

    von Blomberg: Nun, das muss man mal sehen. Der Fall ist ja noch in einem relativ frühen Stadium der Ermittlungen. Was allerdings bisher bekannt geworden ist, sollte sich das im Großen und Ganzen bestätigen, dann wäre das schon ein Fall, der auch uns gewissermaßen die Sprache rauben würde. Aber, ganz generell muss man natürlich sagen, dass der Teil der Korruption, der überhaupt an das Tageslicht, ich meine an die Öffentlichkeit, kommt, nur ein Bruchteil ist. Und insofern stimmt das Bild in jedem Fall.

    Heuer: Trotzdem hätte es ja in der Tat eine völlig andere Qualität, wenn statt der Mitarbeiter, von denen jetzt immer die Rede war, tatsächlich die obersten Chefs mit im Boot sitzen in dieser Affäre.

    von Blomberg: In der Tat. Auch wir machen einen großen Unterschied, ob ein Unternehmen zum Opfer seiner Angestellten wird oder ob wir, so scheint es zumindest, ein Stück Geschäftspolitik zu sehen bekommen, in denen der Vorstand mitwirkt oder zumindest die Augen zudrückt gegenüber Methoden, die eindeutig nicht legal sind.

    Heuer: Wenn es so ist, dass dies ein, wie sie sagen, Stück Geschäftspolitik bei Siemens ist, überrascht Sie das dann?

    von Blomberg: Nun, das würde mich schon überraschen, wenn es in dieser offenkundigen Form geschehen würde. Denn wir haben ja seit 1999 eine neue Rechtslage. Nicht nur in Deutschland, sondern in praktisch allen Industrieländern. Nämlich die Strafbarkeit der Auslandsbestechungen im jeweiligen Inland. Das heißt, alle diejenigen, die für Siemens, im Namen von Siemens oder auch eigenmächtig im Ausland gegen illegale Mittel Aufträge einkaufen, laufen Gefahr, in Deutschland verfolgt zu werden und letztlich auch im Gefängnis zu landen.

    Heuer: Das ist die Gesetzeslage. Eine andere Frage ist, welche Moral Unternehmen vertreten. War Siemens bislang einigermaßen unverdächtig, was Korruption in diesem Ausmaß angeht?

    von Blomberg: Nun in diesem Ausmaß, wie gesagt, dahinter muss ich ein Fragezeichen setzen zu dieser Zeit, aber dass die Firma Siemens eine Geschichte hat, das ist ja allgemein bekannt. Auch in Deutschland hat es schon vor Jahren spektakuläre Fälle gegeben. Aber es hat auch bei Siemens eine klare Änderung der offiziellen Geschäftspolitik gegeben. Es gibt Richtlinien. Es gibt Institutionen, die so etwas verhindern sollen. Man muss sich nur die Frage stellen, wie ernst sind sie wirklich gemeint oder wie ernst sind sie genommen worden, wenn es tatsächlich zutrifft, dass selbst Vorstände sich daran nicht gebunden fühlten.

    Heuer: Dann sind sie nicht ernst genommen worden.

    von Blomberg: Das muss man in der Tat vermuten.

    Heuer: Finden Sie, Herr von Blomberg, das Krisenmanagement von Siemens in dieser Situation eigentlich gelungen?

    von Blomberg: Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass, wenn solche Fälle aufgedeckt werden, die Unternehmen mit größtmöglicher Offenheit damit umgehen sollen. Allerdings müssen wir auch akzeptieren, dass die Gesetzmäßigkeiten von Strafverfahren, zumal wenn auch ausländische Systeme involviert sind, es den Unternehmen nicht immer leicht machen, dann so offen zu sein, wie wir uns das eigentlich dann auch wünschen. Immerhin, die Reaktion beispielsweise, nun an einen Ombudsmann zu denken, eine Empfehlung, die bei Siemens schon längst auf dem Tisch lag, ist immerhin ein Indiz dafür, dass man begriffen hat, dass die Korruptionsprävention im Hause ganz offensichtlich bisher nicht funktioniert hat.

    Heuer: Aber dieser Ombudsmann, das ist ja noch Zukunftsmusik. In der Zentrale wusste man seit letztem Jahr schon von den Vorgängen. Man hat aber die deutschen Behörden nicht eingeschaltet. War das klug?

    von Blomberg: Das ist schwer einzuschätzen. Ich weiß auch nicht, ob das zutrifft. Man müsste sich ja auch die Frage stellen, warum die ausländischen Behörden nicht von sich aus auch die inländischen eingeschaltet haben, wie es ja der heutigen Rechtslage entspricht. Aber es kann sich sehr wohl herausstellen, dass das keine kluge Reaktion war, insbesondere eine, die die Glaubwürdigkeit des Unternehmens in der Öffentlichkeit und bei den eigenen Mitarbeitern sehr in Frage stellt.

    Heuer: Wer hätte Siemens denn gehindert Anzeige zu erstatten unabhängig von diesem Schweizer Verfahren, damit auch die deutschen Behörden mitarbeiten an der Aufklärung dieser Fälle?

    von Blomberg: Es gibt keinen zwingenden Grund das nicht zu tun.

    Heuer: Siemens betont, eine interne Untersuchung eingeleitet zu haben, auch das schon letztes Jahr. Müsste die nicht inzwischen abgeschlossen sein und Ergebnisse gezeitigt haben?

    Blomberg: Abgeschlossen, das kann man auch wiederum schwer beurteilen. Korruptionsfälle, zumal wenn sie sehr breitflächig sind, wenn sie mit einiger - ich sage mal - Raffinesse angelegt sind, kann es auch das eigene Unternehmen vor Schwierigkeiten stellen, was die Aufklärung anbelangt. Aber es gibt genügend Institutionen, die man sich hineinholen kann in das Unternehmen. Wirtschaftsgesellschaften, die spezielle Abteilungen für die Aufklärung derartiger Fälle haben, was ja auch in parallelen Fällen durchaus geschieht. So hätte man die Sache sicher beschleunigen können, wenn man das ernsthaft gewollt hätte.

    Heuer: Peter von Blomberg, stellvertretender Vorsitzender von Transparency International Deutschland. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr von Blomberg.