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Global gedacht, lokal gehandelt

In Rio de Janeiro diskutieren die Großen der Welt erneut einen Kurswechsel in der Umwelt- und Entwicklungspolitik. Diesen Wechsel hat ein kleines Dorf in Südafrika bereits vollzogen: Im Ökodorf Lyndoch eine halbe Stunde von Kapstadt entfernt arbeiten weiße und farbige Südafrikaner gemeinsam an einer besseren Zukunft für Menschen und Umwelt.

Von Leonie March | 20.06.2012
    Das Green Café ist das Herzstück des Ökodorfs. Treffpunkt und Ideenbörse. An großen Holztischen sitzen Studenten vor aufgeklappten Laptops, nippen an einer Tasse Biokaffee, entwickeln neue Projekte. Direkt über dem Café, nur eine Etage höher, liegt das Institut für Nachhaltigkeit, das an die renommierte Universität Stellenbosch angeschlossen ist. Das Studium biete mehr als nur die reine Lehre, erzählt Eve Annecke, eine der Gründerinnen des Instituts.

    "Wenn die Studenten ihren Abschluss machen, sollen sie wissen, worum es bei Nachhaltigkeit wirklich geht. Zum intellektuellen Verständnis gehört auch die praktische Erfahrung. Wir geben ihnen Raum, ihre Ideen in die Tat umzusetzen, damit sie später in der Lage sind, selbst nachhaltige Gemeinschaften aufzubauen."

    Das Vorbild für diese Gemeinschaften ist das Ökodorf Lyndoch, auf dessen Gelände das Institut steht. Phetang Mabeba ist 23 Jahre alt. Sie ist in Lyndoch aufgewachsen und arbeitet nun im Institut.

    "Es ist ein laufendes Experiment. Unser Ökodorf entwickelt sich ständig weiter. Die Studenten haben schon viele nützliche Modelle entworfen, die uns nun im täglichen Leben zugutekommen. Es ist wie eine große Spielwiese."

    Auf den Dächern glänzen Solaranlagen in der Sonne. Die Häuser wurden aus natürlichen, recycelten Materialien gebaut. Eine Biogasanlage versorgt die Großküche. Die vegetarischen Mahlzeiten stammen aus eigenem Bio-Anbau. Das Abwasser wird gefiltert und wieder ins System eingespeist. Das Leben im Ökodorf unterscheidet sich drastisch vom Rest des Landes, in dem der Strom in Kohlekraftwerken produziert wird, Recycling ein Fremdwort ist und die Landwirte noch in großem Stil Pestizide benutzen. Doch das ist nicht der einzige Unterschied, betont die Chefin des grünen Cafés, Mathilda Davis.

    "Ich habe schon an vielen Orten gearbeitet. Aber hier herrscht eine vollkommen andere Atmosphäre. Die Leute respektieren sich gegenseitig. Man wird hier nicht schlecht behandelt, nur weil man die falsche Hautfarbe hat. Es wäre schön, wenn das überall so wäre und unsere Kinder in einem solchem Umfeld aufwachsen könnten."

    In den meisten Gegenden Südafrikas wirkt die Zeit der Apartheid, der staatlichen Rassentrennung, noch sichtbar nach. Daher ging es bei der Gründung des Lyndoch Eco Village vor über zehn Jahren auch darum, die tiefe Kluft zwischen farbigen und weißen Südafrikanern, zwischen Armen und Reichen zu überbücken, erzählt Ökodorf-Gründerin Eve Annecke.

    "Die Herausforderung bestand darin, in dieser multikulturellen Gemeinschaft einen Mittelweg zu finden, der mehr war, als nur ein oberflächlicher Kompromiss. Zu demonstrieren, dass wir alle zusammen im Einklang mit der Natur leben können. Dass die Mittelschicht bewusster leben muss, damit mehr für die Armen übrig bleibt und wir so vielleicht doch mit diesem einen Planeten auskommen."

    Jedes Land, jede Region habe ihre eigene Dynamik, fügt Eve Annecke hinzu. Daher könne ihr Ökodorf auch nicht wie eine Schablone auf andere Gegenden übertragen werden. Es sei ein Weg, aber nicht der einzige. Eine Vision, wie die Zukunft in Südafrika aussehen könnte.