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Globale Klimamessungen
Ferienflieger mit Forschungslabor

1991 hat ein großer Vulkanausbruch die Temperatur auf dem gesamten Globus um ein halbes Grad runter gekühlt. Bisher dachten Forscher, nur solche großen Vulkane haben Einfluss auf das Weltklima. Das stimmt aber nicht. Die spektakulären Daten sammelten die Forscher mithilfe eines ganz normalen Ferienfliegers.

Von Annegret Faber |
    Markus Hermann (er steht in einem Besprechungsraum)
    "Was sie hier an der Wand sehen, ist ein 1 zu 1 Poster vom Karibik Messcontainer. Dieser Container ist ungefähr 3.20 breit, 1,60 hoch und 1,60 tief und wiegt ungefähr 1,5 Tonnen.Das ist Originalgröße, sie sehen es, in der Größe, so wird er in das Flugzeug geladen."
    Der Container ist auf einer Plastikfolie abgebildet, die der Physiker Dr. Markus Hermann, im Leibnitz Institut für Troposphärenforschung in Leipzig über die gesamte Breite eines Raumes gespannt hat. Der Container ist offen und zeigt alle Messgeräte. Es sind über 20, jeweils von der Größe eines Computer.
    Hermann zeigt auf eines, das Acetonitril in der Atmosphäre misst, ein Indikator für Biomasseverbrennung. Ein anderes misst Ozon. Das nächste Quecksilber. Das nächste Schwefel. Das wichtigste Gerät steht jedoch hier, auf der rechen Seite im Container, sagt Hermann, und zeigt auf einen grauen PC. Der sogenannte Master. Er steuert die Messungen im Container.
    "Sie müssen sich vorstellen, der Container steht im Frachtraum, dort ist kein Wissenschaftler mit an Bord, kein Ingenieur. Der muss voll automatisch, alleine entscheiden, jetzt darf ich anfangen zu messen, jetzt muss ich aufhören zu messen. Es dürfen nicht alle Messgeräte gleichzeitig eingeschaltet werden, weil wenn das passiert, ist nicht mehr genug Strom da, um in der Küche den Kaffee zu erwärmen und das wäre dann ärgerlich für die Passagiere. Das heißt, wir müssen die Messgeräte nacheinander einschalten."
    40.000 Flugkilometer im Monat
    Denn dieser 1,5 Tonnen schwere Messcontainer steht im Bauch eines ganz normalen Lufthansa Airbus. Vom Münchner Flughafen aus, startet er mit 300 Passagieren an Bord, in die ganze Welt.
    "Genau, das ist der Charme dieses Projektes. Wir fliegen pro Monat etwa 40.000 Flugkilometer. Das ist fast einmal rund um den Globus, pro Monat. Das bedeutet, wir kriegen eine Fülle an Daten. Für einige Parameter, die wir messen, haben wir die Verfügbarkeit der experimentellem Daten in diesen Atmosphärenhöhenbereich, mittlerweile, im Vergleich zu dem, was vorher da war, verzehnfacht, verfünfzigfacht."
    Seit über 10 Jahren laufen die Messungen im Bauch des Ferienfliegers, erläutert Dr. Andreas Zahn vom Karlsruher Institut für Technologie. Die Passagiere merken davon nichts, denn von außen ist nur ein kurzes Rohr zu sehen, das unten aus dem Rumpf ragt. Durch dieses Rohr werden die Luftproben angesaugt.
    "Normalerweise bekommen die nichts mit. Aber Lufthansa hat einen Film gedreht und der wird dann auch gezeigt, und dann bekommen die Passagiere mit, dass sie eigentlich auf einem Forschungsflugzeug fliegen."
    Kostengünstige Langzeitstudie
    Für die Wissenschaftler ist das eine gute Gelegenheit eine kostengünstige Langzeitstudie zu machen. Mit einem Forschungsflieger wären die Messungen nicht bezahlbar, sagt Zahn. Für ihn ist die Regelmäßigkeit der Flüge interessant und die Flughöhe.
    "Weil gerade in dieser Höhe von 10, 12 km die meisten Satelliten nicht messen können. Das heißt, für Satelliten ist die Atmosphäre für die noch weiter unteren Höhenschichten quasi nicht durchlässig, optisch nicht durchlässig, das heißt, sie können typischerweise erst so bei 10, 12, 15 km anfangen zu messen, viele Gase erst weiter oben, oberhalb von 20 km."
    Gemeinsam mit Kollegen an der Universität Lund in Schweden haben die Leipziger Troposphärenforscher die gesammelten Daten jetzt analysiert. Eines ihrer Ziele ist es herauszufinden, welchen Einfluss kleine Vulkane auf das Klima haben. Der Physiker Markus Hermann.
    "Was neu festgestellt wurden ist, ist, das man einen Teil des Effekts der Vulkane bisher übersehen hat. Das heißt, man hatte bisher immer nur gedacht, ok, wenn die Vulkane ihre Gase und ihre Partikel in Höhen oberhalb von 15 km emittieren, bei den Eruptionen, dass das eine Relevanz für das Klima, für den Strahlungshaushalt der Erde hat. In unserer Studie konnten wir erstmals deutlich zeigen, dass auch unterhalb von 15 km diese Vulkane einen Einfluss haben, der nicht zu vernachlässigen ist."
    Auch die Partikel kleiner Vulkane kühlen das Klima, indem sie Sonnenlicht reflektieren. Das könnte erklären, warum die globale Temperatur in den letzten Jahren weniger angestiegen ist, als Klimamodelle vorher sagen. Der Weltklimarat will dies berücksichtigen und mithilfe der Daten aus dem fliegenden Messcontainer zuverlässigere Voraussagen machen.