Ein Nichteingreifen käme jedoch wesentlich teurer, so Gerke.
Gerd Breker: Mit Bestürzung, so die Formulierung, hat die Börse den höchsten Verlust der Deutschen Bank in ihrer Geschichte zur Kenntnis genommen. Das Wort "Bestürzung" ist vielsagend und trägt den Charakter unerwartet und überraschend - vor allem in der Dimension. Reiner Zufall, dass die Zahlen bekannt wurden, als die Deutsche Bank in Berlin ihren Neujahrsempfang gab. Reiner Zufall, dass ihr Chef Josef Ackermann heute mit einem Kreislaufkollaps ins Krankenhaus musste, nachdem seine Feststellung, die Krise, sie sei noch lange nicht überwunden, kolportiert wurde. Deutsche Bank, Hypo Real Estate und zuvor die Commerzbank, die Bankenszene ist in der Finanzkrise in Bewegung. Am Telefon begrüße ich Wolfgang Gerke, Bankenexperte, Präsident des Münchener Finanzzentrums. Guten Tag, Herr Gerke!
Wolfgang Gerke: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Vieles ist aus den Fugen geraten im Zuge der Finanzkrise, Herr Gerke, und vieles, was gestern noch als gesetzt galt, das gilt heute nicht mehr. Und in diesem Zusammenhang muss man sagen, Herr Gerke, dass der Staat gar nicht anders konnte. Er musste den Banken aus der Krise helfen.
Gerke: Ja, leider ist es so. Es kostet ein Heidengeld, was hier abläuft, und deshalb fragt man sich dann doch immer wieder mal, wäre es nicht besser, beispielsweise Hypo Real Estate scheitern zu lassen. Das was die Vorstände uns da eingebrockt haben, ist so eine Katastrophe, dass man wirklich nicht gerne Geld da noch reinschiebt. Und dann setzt die Vernunft ein und man sagt sich nein, die Folgen wären noch viel schlimmer, würden noch viel Geld mehr erforderlich machen, um die Kreditinstitute zu stützen, die mit Hypo Real Estate Geschäfte betrieben haben, um den Pfandbrief zu stützen, der da auch Schaden erleiden könnte, obwohl er direkt mit den Risiken, die hier eingegangen wurden, gar nichts zu tun hat. Also der Steuerzahler muss hinhalten aus eigenem Interesse, aber dass das passieren konnte, da muss man auch fragen, wo sitzen all die Schuldigen.
Breker: Das wird man später sicherlich fragen, aber erst mal muss man helfen.
Gerke: Ja, das ist es. Man muss in der Tat als erstes helfen und dann die Lehren ziehen. Dafür hat man ein paar Monate mehr Zeit. Zum helfen hat man höchstens Tage Zeit. Glücklicherweise hat die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt. Sie hat rechtzeitig Sparern erklärt, dass ihre Gelder bei Banken, die den Einlagensicherungseinrichtungen angeschlossen sind, sicher sind, weil auch der Staat dafür sorgt. Sie haben rechtzeitig Rettungsschirme aufgespannt. Jetzt sehen wir, wie dringend sie gebraucht werden.
Breker: Worüber wir keine Ahnung haben, Herr Gerke - oder sind Sie da schlauer -, ist die Dimension dieser Krise. Also: Commerzbank, indirekt sich beteiligen an Deutsche Bank, Hypo Real Estate muss wahrscheinlich ganz übernommen werden. Welche Bank steht als nächstes an?
Gerke: Da würde ich jetzt mit Sicherheit keinen Namen nennen wollen. Man facht ja nur die Spekulationen damit an.
Breker: Aber es könnte sein?
Gerke: Es könnte natürlich sein, denn wir sehen an den Hiobsbotschaften, die immer wieder kommen, dass Überraschungen, die man dann glaubt, nicht mehr prognostizieren zu müssen, doch in einer Dimension auftreten, die erschreckend ist. Vielleicht haben wir noch mehr Probleme bei den amerikanischen Kreditkarten-Organisationen, die auch, wenn die Rezession länger anhält, in Schwierigkeiten geraten könnten, und dies sind auch wieder Titel, die verbrieft bei uns mitliegen. Unsere Automobilbanken bereiten mir Sorgen, und da habe ich auch Sorgen, dass es den Wettbewerb verzerren könnte. Wenn dann so ein Automobilunternehmen einen Kredit mit 1,9 Prozent gibt, damit den Sparkassen- und Genossenschaftsbanken harte Konkurrenz macht, und auf der anderen Seite einen staatlichen Rettungsschirm dafür in Anspruch nimmt, so wettbewerbsverzerrende Konditionen zu bieten, die man ja letzten Endes nur durch Quersubventionierung bieten kann, dann sind all diese staatlichen Eingriffe auch wettbewerbspolitisch nicht ganz unproblematisch.
Breker: Herr Gerke, man sagt, der Finanzmarkt - und Sie haben gerade Beispiele dafür genannt - funktioniert zumindest nicht so, wie er funktionieren sollte. Gibt es denn eigentlich schon die neuen Regeln, von denen ja so viel die Rede war, oder ist eigentlich alles immer noch beim alten?
Gerke: Es gibt die neuen Regeln noch nicht. Ich sehe das nicht ganz so dramatisch, weil man soll sich lieber jetzt bei den neuen Regeln ein paar Tage oder Monate mehr Zeit nehmen und dafür die Regeln aber auch so gestalten, dass sie langfristig Bestand haben können, dass sie effizient eingerichtet wurden. Das Dringende im Moment ist, die Kreditwirtschaft funktionsfähig zu erhalten, Institute, die man stützen muss, zu stützen. Das ist im Moment eine Feuerwehraufgabe und wenn man dann gelöscht hat, dann muss man sehen, wie man die weiteren Strukturen baut. Dafür haben wir ein bisschen mehr Zeit, was aber nicht heißt, wenn es dann wieder besser geht, dass man diese ganz wichtige Aufgabe verschieben darf. Konkret heißt das, man muss die Investmentbanken anders kontrollieren, man muss die nationalen Aufsichtsbehörden anders gestalten, anders vernetzen, anders selber beaufsichtigen. Es ist da viel zu tun. Man muss immer überlegen, wie man die Besetzung der Aufsichtsräte und Verwaltungsräte doch in Zukunft so gewährleistet, dass hier Kontrolleure sitzen, die ihrer Aufgabe auch gut gerecht werden können. Da gibt es eine Menge Lehren, die zu ziehen sind, aber im Moment ist Krisen-Management angesagt und das ist so vorrangig, wie wir von Tag zu Tag sehen, dass hier keine Fehler gemacht werden dürfen. Fehler werden dann gemacht, wenn man das, was man jetzt mit den Kreditinstituten macht, bei anderen Unternehmen auch macht. Ich glaube, es ist wichtig, dass Gelder, die zur Stützung aufgebracht werden, über die Kreditwirtschaft laufen, dass die Kreditwirtschaft die Bonitätsprüfung macht, und manches Unternehmen, was jetzt sagt, es gibt eine Kreditklemme, ist ja auch in der Bonität schlechter geworden, als es noch vor ein, zwei Jahren war, so dass die Kreditklemme vielleicht gar nicht so sehr die Klemme ist, sondern auch die Kreditwürdigkeit nicht mehr die gleiche ist.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der Präsident des Münchener Finanzzentrums, Wolfgang Gerke. Herr Gerke, danke für dieses Gespräch.
Gerd Breker: Mit Bestürzung, so die Formulierung, hat die Börse den höchsten Verlust der Deutschen Bank in ihrer Geschichte zur Kenntnis genommen. Das Wort "Bestürzung" ist vielsagend und trägt den Charakter unerwartet und überraschend - vor allem in der Dimension. Reiner Zufall, dass die Zahlen bekannt wurden, als die Deutsche Bank in Berlin ihren Neujahrsempfang gab. Reiner Zufall, dass ihr Chef Josef Ackermann heute mit einem Kreislaufkollaps ins Krankenhaus musste, nachdem seine Feststellung, die Krise, sie sei noch lange nicht überwunden, kolportiert wurde. Deutsche Bank, Hypo Real Estate und zuvor die Commerzbank, die Bankenszene ist in der Finanzkrise in Bewegung. Am Telefon begrüße ich Wolfgang Gerke, Bankenexperte, Präsident des Münchener Finanzzentrums. Guten Tag, Herr Gerke!
Wolfgang Gerke: Guten Tag, Herr Breker!
Breker: Vieles ist aus den Fugen geraten im Zuge der Finanzkrise, Herr Gerke, und vieles, was gestern noch als gesetzt galt, das gilt heute nicht mehr. Und in diesem Zusammenhang muss man sagen, Herr Gerke, dass der Staat gar nicht anders konnte. Er musste den Banken aus der Krise helfen.
Gerke: Ja, leider ist es so. Es kostet ein Heidengeld, was hier abläuft, und deshalb fragt man sich dann doch immer wieder mal, wäre es nicht besser, beispielsweise Hypo Real Estate scheitern zu lassen. Das was die Vorstände uns da eingebrockt haben, ist so eine Katastrophe, dass man wirklich nicht gerne Geld da noch reinschiebt. Und dann setzt die Vernunft ein und man sagt sich nein, die Folgen wären noch viel schlimmer, würden noch viel Geld mehr erforderlich machen, um die Kreditinstitute zu stützen, die mit Hypo Real Estate Geschäfte betrieben haben, um den Pfandbrief zu stützen, der da auch Schaden erleiden könnte, obwohl er direkt mit den Risiken, die hier eingegangen wurden, gar nichts zu tun hat. Also der Steuerzahler muss hinhalten aus eigenem Interesse, aber dass das passieren konnte, da muss man auch fragen, wo sitzen all die Schuldigen.
Breker: Das wird man später sicherlich fragen, aber erst mal muss man helfen.
Gerke: Ja, das ist es. Man muss in der Tat als erstes helfen und dann die Lehren ziehen. Dafür hat man ein paar Monate mehr Zeit. Zum helfen hat man höchstens Tage Zeit. Glücklicherweise hat die Bundesregierung rechtzeitig gehandelt. Sie hat rechtzeitig Sparern erklärt, dass ihre Gelder bei Banken, die den Einlagensicherungseinrichtungen angeschlossen sind, sicher sind, weil auch der Staat dafür sorgt. Sie haben rechtzeitig Rettungsschirme aufgespannt. Jetzt sehen wir, wie dringend sie gebraucht werden.
Breker: Worüber wir keine Ahnung haben, Herr Gerke - oder sind Sie da schlauer -, ist die Dimension dieser Krise. Also: Commerzbank, indirekt sich beteiligen an Deutsche Bank, Hypo Real Estate muss wahrscheinlich ganz übernommen werden. Welche Bank steht als nächstes an?
Gerke: Da würde ich jetzt mit Sicherheit keinen Namen nennen wollen. Man facht ja nur die Spekulationen damit an.
Breker: Aber es könnte sein?
Gerke: Es könnte natürlich sein, denn wir sehen an den Hiobsbotschaften, die immer wieder kommen, dass Überraschungen, die man dann glaubt, nicht mehr prognostizieren zu müssen, doch in einer Dimension auftreten, die erschreckend ist. Vielleicht haben wir noch mehr Probleme bei den amerikanischen Kreditkarten-Organisationen, die auch, wenn die Rezession länger anhält, in Schwierigkeiten geraten könnten, und dies sind auch wieder Titel, die verbrieft bei uns mitliegen. Unsere Automobilbanken bereiten mir Sorgen, und da habe ich auch Sorgen, dass es den Wettbewerb verzerren könnte. Wenn dann so ein Automobilunternehmen einen Kredit mit 1,9 Prozent gibt, damit den Sparkassen- und Genossenschaftsbanken harte Konkurrenz macht, und auf der anderen Seite einen staatlichen Rettungsschirm dafür in Anspruch nimmt, so wettbewerbsverzerrende Konditionen zu bieten, die man ja letzten Endes nur durch Quersubventionierung bieten kann, dann sind all diese staatlichen Eingriffe auch wettbewerbspolitisch nicht ganz unproblematisch.
Breker: Herr Gerke, man sagt, der Finanzmarkt - und Sie haben gerade Beispiele dafür genannt - funktioniert zumindest nicht so, wie er funktionieren sollte. Gibt es denn eigentlich schon die neuen Regeln, von denen ja so viel die Rede war, oder ist eigentlich alles immer noch beim alten?
Gerke: Es gibt die neuen Regeln noch nicht. Ich sehe das nicht ganz so dramatisch, weil man soll sich lieber jetzt bei den neuen Regeln ein paar Tage oder Monate mehr Zeit nehmen und dafür die Regeln aber auch so gestalten, dass sie langfristig Bestand haben können, dass sie effizient eingerichtet wurden. Das Dringende im Moment ist, die Kreditwirtschaft funktionsfähig zu erhalten, Institute, die man stützen muss, zu stützen. Das ist im Moment eine Feuerwehraufgabe und wenn man dann gelöscht hat, dann muss man sehen, wie man die weiteren Strukturen baut. Dafür haben wir ein bisschen mehr Zeit, was aber nicht heißt, wenn es dann wieder besser geht, dass man diese ganz wichtige Aufgabe verschieben darf. Konkret heißt das, man muss die Investmentbanken anders kontrollieren, man muss die nationalen Aufsichtsbehörden anders gestalten, anders vernetzen, anders selber beaufsichtigen. Es ist da viel zu tun. Man muss immer überlegen, wie man die Besetzung der Aufsichtsräte und Verwaltungsräte doch in Zukunft so gewährleistet, dass hier Kontrolleure sitzen, die ihrer Aufgabe auch gut gerecht werden können. Da gibt es eine Menge Lehren, die zu ziehen sind, aber im Moment ist Krisen-Management angesagt und das ist so vorrangig, wie wir von Tag zu Tag sehen, dass hier keine Fehler gemacht werden dürfen. Fehler werden dann gemacht, wenn man das, was man jetzt mit den Kreditinstituten macht, bei anderen Unternehmen auch macht. Ich glaube, es ist wichtig, dass Gelder, die zur Stützung aufgebracht werden, über die Kreditwirtschaft laufen, dass die Kreditwirtschaft die Bonitätsprüfung macht, und manches Unternehmen, was jetzt sagt, es gibt eine Kreditklemme, ist ja auch in der Bonität schlechter geworden, als es noch vor ein, zwei Jahren war, so dass die Kreditklemme vielleicht gar nicht so sehr die Klemme ist, sondern auch die Kreditwürdigkeit nicht mehr die gleiche ist.
Breker: Im Deutschlandfunk war das der Präsident des Münchener Finanzzentrums, Wolfgang Gerke. Herr Gerke, danke für dieses Gespräch.