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Görlitz
Die letzte Spende des anonymen Millionenstifters

Mit einer Million D-Mark fing es an: 1995 traf die erste Spende eines anonymen Stifters in Görlitz ein. Das Geld sollte ausschließlich in den Denkmalschutz fließen. Seit 22 Jahren freut sich die Stadt mit den 3.500 Baudenkmälern über die anonymen Spenden - mittlerweile über knapp 11 Millionen Euro. Nun kam die letzte Überweisung des Millionenspenders.

Von Bastian Brandau | 14.04.2016
    Zweistöckiges Gebäude mit Dachgeschoss und Gaube sowie im Erdgeschoss drei Bögen, die einen Wandelgang vor dem Eingang freigeben.
    Das Hallenhaus am Untermarkt 2 in Görlitz wurde Ende des 14. Jahrhunderts erbaut. Das verfallende Renaissance-Haus konnte mittlerweile restauriert werden. (imago / Rainer Weisflog)
    "So, wir sind jetzt hier in der Halle des Görlitzer Hallenhauses, das ist also dieser spezielle Haustyp. Sie sehen eine große, prächtige Halle, in die man früher mit Pferd und Wagen hineinfuhr."
    Heute ist in dem Görlitzer Haus gegenüber vom Rathaus ein Hotel unterbracht. Die Rezeption ist nicht besetzt, Gäste sind auch nicht zu sehen, aber Peter Mitsching hat einen Schlüssel. Er ist der oberste Denkmalpfleger in Görlitz, er leitet das Amt für Denkmalpflege. Der Hotelbesitzer hat ihm erlaubt, auch bei seiner Abwesenheit das restaurierte Renaissance-Haus zu zeigen. Denn eine Treppe höher gibt es einen ganz besonderen Raum:
    "Da schließen wir mal diese Eisentür auf, die auch aus der Zeit stammt. Also Riegel beiseite schieben
    Und dann sehen Sie also eine Glastür eingebaut, die den Raum abdichtet, dass also feuchte Luft aus der Nutzung des Hotelbetriebes nicht in diesen Raum dringt. Und schon haben wir ein anderes Gefühl, einen anderen Ton, wir haben einen Hall hier drin, es ist ein Tonnengewölbe."
    Die Decke türkisfarben mit Blumenmustern. An den Wänden: Gemälde aus der Zeit um 1500, mit denen der Kaufmann Hans Frenzel seinen Reichtum darstellte. Venezianische Amphoren, Bilder von Feigen und Datteln zeigen, dass er südlich der Alpen unterwegs gewesen ist. Reichlich unbescheiden hat sich der Kaufmann außerdem als einer der Heiligen Drei Könige darstellen lassen.
    "Und solch einen Schatz zu pflegen, kostet natürlich Geld. Das muss ständig beobachtet werden. Wenn’s notwendig ist, müssen die Restauratoren wieder in den Raum rein und damit arbeiten. Und das ist natürlich ein ziemlicher Aufwand, den wir bis jetzt mit der Altstadtstiftung mitfinanzieren konnten."
    Das Spendengeld verwaltet die Altstadtstiftung
    Die Altstadtstiftung – finanziert aus den Schenkungen des anonymen Görlitzer Stifters. Der überwies 1995 zum ersten Mal eine Million D-Mark an die Stadt Görlitz. Mit der Auflage, dass das Geld für den Denkmalschutz eingesetzt werden sollte. Der Spender – oder die Spenderin – will anonym bleiben, überwies jedes Jahr die Summe an die Stadt, das Geld verwaltet eine Stiftung. Knapp 11 Millionen Euro sind so bisher in Denkmäler in Görlitz geflossen.
    "Ja, das sieht man an den Häusern, wo die Plaketten hängen. Diese Häuser sind bedacht worden in unterschiedlichster Form, in unterschiedlichsten Bauteilen ist das Geld zum Einsatz gekommen. Das ist nicht immer die Fassade, es kann auch die Türen im Haus sein oder eine Stuckdecke, oder eine bemalte Holbalkendecke oder ein Kamin."
    Anfang April kamen noch einmal rund 300.000 Euro, mit dem Hinweis, dass dies die letzte Spende sei. Tiefe Dankbarkeit empfindet nicht nur Görlitz oberster Denkmalschützer und die zahlreichen Bauherren, die mit dem Geld unterstützt wurden. Auch die Görlitzer, die in einem immer weiter restaurierten Freilichtmuseum leben:
    "Ich kann einfach nur sagen, wir wissen nicht, wer es ist, und das ist vielleicht gut so. Aber hier wurde gerecht verteilt. Hier hat nicht bloß jemand eine große Summe bekommen. Es wurde unsere Altstadt aufgebaut, und dafür bin ich dankbar."
    Identität des Spenders wird wohl ungeklärt bleiben
    Nur ab und zu erinnert heute ein nicht renoviertes Haus daran, wie Görlitz, die Stadt mit den 3.500 Baudenkmälern, Anfang der 1990er-Jahre aussah. Wie genau es nach der letzten Geldüberweisung weitergeht mit der Altstadtstiftung, ist offen. Denkbar wäre eine Abwicklung, aber auch der Erhalt und die Umstellung auf Spendenbasis. Und dann ist da noch die Frage, die sich in Görlitz viele stellen. Wer steckt hinter den Millionen?
    "Es wär natürlich interessant zu wissen, wer es ist, wie der zu so viel Geld gekommen ist, was ihn auch speziell mit Görlitz verbindet. Er muss ja nun auch eine spezielle Verbindung haben zu Görlitz, sonst würde er sich nicht so ins Zeug legen."
    "Möchte ich nicht drüber nachdenken, weil ich das schätze, was er getan hat, warum soll ich darüber nachdenken?"
    Er, sie, vielleicht eine Erbengemeinschaft? Das wird wohl offenbleiben. Und auch der oberste Denkmalschützer Peter Mitsching hat keinen heißen Tipp:
    "Die Anonymität war die Grundvoraussetzung, dass das überhaupt funktioniert hat. Es war von Anfang an gewünscht, und die Stadt hat das auch von Anfang an akzeptiert und hat auch immer gesagt: Schön die Füße still halten, hier wird nicht nachgeforscht. Es gab natürlich immer mal wieder Leute in den 22 Jahren, die dann auftauchten und sagten: Wir kennen den, wir wissen, wer es ist… Naja, die gibt es immer."