Remme: Das Goethe-Institut Inter Nationes will in der weitgehend zerstörten afghanischen Hauptstadt Kabul sobald wie möglich wieder aktiv werden, so hieß es in der vergangenen Woche. Im Jahresbericht 2001 wurde scharfe Kritik an der Sparpolitik des Außenministeriums in Sachen Kulturpolitik im Ausland geübt. Der Generalsekretär des Instituts, Joachim-Felix Leonhard, hat unter anderem ein Gespräch mit Joschka Fischer soeben hinter sich. Er ist am Telefon. Tag Herr Leonhard.
Leonhard: Guten Tag.
Remme: Herr Leonhard, diese Idee, nun bald möglichst wieder im zerstörten Kabul aktiv zu werden - gibt es in der Hinsicht was Neues?
Leonhard: Noch nicht. Es gibt aber die erklärte Zuversicht, die wir aus dem Gespräch mit allen Mittlerorganisationen, aus dem Gespräch mit Herrn Fischer, dem Außenminister, genommen haben, dass es geboten ist, in Kabul wieder ein Goethe-Institut zu eröffnen, nachdem früher dort schon mal ein Goethe-Institut existiert hat.
Remme: Wie lange war das der Fall?
Leonhard: Das ging über sehr sehr lange Zeit - ich glaube, 20 bis 30 Jahre, und ist Anfang der 90-er Jahre aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen geschlossen worden. Das Problem ist, dass wir letztendlich damit auch einen Abbruch der Kette, der Kommunikation gehabt haben. Wir haben in Afghanistan immer sehr interessierte Bürgerinnen und Bürger gehabt, die an dem Goethe-Institut gearbeitet haben, deutsch gelernt und sich für den Austausch der Kulturen interessiert haben.
Remme: Müssen die Kontakte zu diesen Gesprächspartner neu geknüpft werden oder existieren die schon?
Leonhard: Die müssen zum Teil neu geknüpft werden, zum Teil existieren sie natürlich auch über viele Afghanen, die im Exil leben. Hier gilt es mit dem Auswärtigen Amt zusammen ein Konzept zu erarbeiten, um das Goethe-Institut dort wieder als einen - ich sage mal - kulturellen Kommunikationspunkt zu eröffnen.
Remme: Ihr Präsident Hilmar Hoffmannc hat letzte Woche vorgerechnet, dass die Wiedergründung des Instituts in Kabul 750 000 DM kosten würde, weniger als ein Spürpanzer. Hat das Argument gezogen?
Leonhard: Das Argument ist, glaube ich, nicht ganz von der Hand zu weisen, denn es geht ja darum, dass wir mit wenig Geld im Sinne der kulturellen Kommunikation etwas für die Krisenprävention machen, wo wir später, wenn Kriege und Konflikte ausbrechen, mit einem Vielfachen dann zu rechnen haben. Wir haben dieses Argument vorgebracht und ich glaube, der Außenminister hat es sich auch zu eigen gemacht und meint, dass wir Kabul als ein Symbol unbedingt realisieren werden.
Remme: Teheran, Havanna, Algier, Shanghai - das alles sind neue Institute, neue Vorhaben, die geplant sind. Wie passen diese Pläne zu den Kürzungen, die Ihnen vor nicht allzu langer Zeit zugemutet wurden?
Leonhard: Die Kürzungen sind sehr schmerzlich, weil sie natürlich ganz hart in das Netzwerk eingreifen. Auf der anderen Seite sind wir aber auch dabei, das Netzwerkc zu verändern. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass wir nicht immer in Instituten oder in institutionellen Formen denken, sondern dass wir vor allem auch im Rahmen von Funktionen, von Netzwerken denken. Wir müssen nicht immer ein Institut gründen, um kulturelle Zusammenarbeit dort auszuüben. Das kann auch bedeuten, dass wir uns in anderen Regionen etwas zurückziehen, um uns damit in den Regionen, in denen wir nicht oder kaum vertreten sind, entsprechend dann präsentieren zu können.
Remme: Da sehen Sie also keinen Widerspruch zwischen diesen Plänen einerseits und den Kürzungen andererseits?
Leonhard: Selbstverständlich sehe ich einen Widerspruch drin, denn wir müssen genauso auch die Netzwerke weiterführen. Kulturarbeit ist immer auf Offenhaltigkeit und Langfristigkeit angelegt, und nicht nur immer auf kurze Events, und wir müssen darauf achten, dass das, was wir jetzt mit dem Dialog mit den islamischen Staaten beginnen, nicht wieder abbricht und immer wieder neu beginnt, sondern wir das Ganze auf Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit gründen.
Remme: Seit dem 11. September, Herr Leonhard, ist viel von diesem Dialog der Kulturen die Rede. Haben die Ereignisse Ihrer Sache insofern genutzt?
Leonhard: Die haben uns genutzt, indem das öffentliche Bewusstsein in unserem Lande ein wenig aufgerüttelt worden ist. Das Thema Dialog mit den Kulturen bedeutet vor allem auch, darüber nachzudenken, was ist ein Dialog. Es darf kein einseitiger Monolog, etwa der Europäer gegenüber den islamischen Staaten sein. Die anderen auch wahrzunehmen und von ihnen etwas zu erfahren ist eine Sache. Die andere Sache ist, dass der Dialog oder die Zusammenarbeit immer sich im Zweibahnverkehr des kulturellen Austauschs bewegt, weswegen wir auch darauf achten müssen, was wir in der Bundesrepublik über Schulen und Hochschulen islamischer Staaten annehmen. Was ist die Wahrnehmung, was ist das Wesentliche? Hier muss man ein Konzept erarbeiten, dass die Gesellschaft, die Hochschulen, die Bildungsbeauftragten ebenso mit ins Boot zieht, wie aber auch die Wirtschaft, die sich ja auf den kulturellen Dialog bezieht, natürlich den Handel aufbauen möchte.
Remme: Ich habe die Kürzungen erwähnt. In den vergangen sieben Jahren wurden 32 Institute geschlossen. Sie von der Institutsleitung haben das natürlich immer kritisiert. Haben Sie den Eindruck, diese Politik wird jetzt nach dem 11. September auch vom Ministerium betrachtet?
Leonhard: Es ist weniger das Ministerium als im Grunde genommen die gesamte Haushaltspolitik, die uns hier Einschnitte auferlegt. Das Ministerium ist eigentlich in der Situation, uns zu fördern, aber das Ministerium selbst hat auch wiederum unter den Einsparmaßnahmen zu tun. Wir müssen eine öffentliche Diskussion darüber führen, auch im Bundestag: Was ist uns die auswärtige Kulturpolitik wert? Wie wirkt Sie sich auf die Attraktivität unseres Landes als Kultur-, Studien- und Wirtschaftsstandort aus? Das ist eine gesamtgesellschaftliche und politische Diskussion, wie wir führen müssen, die nicht nur mit dem Auswärtigem Amt zu führen ist.
Remme: Sie haben eben das Thema mal ganz kurz angeschnitten. Welchen Stellenwert nimmt innerhalb der gegenseitigen Verständigung vieler Kulturen der Dialog mit dem Islam ein?
Leonhard: Momentan einen sehr großen, weil wir einfach hier Vernachlässigungen in den letzten Jahren hatten, und insofern hat uns der 11. September zum Nachdenken gebracht. Es geht aber auch darum, dass die Europäer sich in den Dialog einbringen, und zwar als Vermittler zwischen Amerikanern und dem nahöstlichen Rahmen, wo sonst mehr oder minder leichter oder stärkere Fundamentalismen aufeinander treffen.
Remme: Von einem Sonderprogramm "Dialog mit dem Islam" ist die Rede. Was heißt das konkret?
Leonhard: Das lässt sich noch nicht so genau absehen. Es gibt dafür eine Planung aller Mittlerorganisationen, also nicht nur Goethe-Institut, sondern auch das Deutsche Akademische Auslandsdienst, das Institut für Auslandsbeziehungen, die ihrerseits dann über Netzwerke versuchen, Schlüsselthemen zu definieren, um damit auch zu Organisationsformen zu kommen.
Remme: Herr Leonhard, sind in der Beziehung die Deutschen praktisch als ein Alleingänger tätig oder wird das Ganze auch im europäischen Verbund gesehen?
Leonhard: Wir haben vor, das mit dem British Council zusammen zu machen, möglicherweise auch mit den französischen Kollegen, aber zunächst müssen wir erst mal die Hausaufgaben im eigenen Hause machen. Wenn es uns gelingt, mit den Europäern etwas zusammen zu machen und auch Fördermittel zu bekommen, wird es der nächste Schritt sein.
Remme: Dialog mit dem Islam: Auf welche Institute kommen denn da jetzt besonders große Aufgaben zu?
Leonhard: Auf jeden Fall auf die Institute in Nahost, aber nicht nur dort, sondern insbesondere auch etwa in Karatschi. Wir haben natürlich auch zu bedenken, dass wir in Lahore das Institut geschlossen haben, auf dem indischen Subkontinent, und nicht zur vergessen auch in den nordafrikanischen Ländern, wie in Algerien und Ägypten, oder auch im Sudan, also auch einem islamischen Land, und wir dürfen bei alledem nicht das größte islamische Land vergessen - das ist Indonesien, wo wir allerdings auch Institute haben. Da werden wir auch mit entsprechenden Programmen etwas machen.
Remme: Vielen Dank. Das war der Generalsekretär des Vereins Goethe Institut Inter Nationes, Joachim-Felix Leonhard.
Leonhard: Guten Tag.
Remme: Herr Leonhard, diese Idee, nun bald möglichst wieder im zerstörten Kabul aktiv zu werden - gibt es in der Hinsicht was Neues?
Leonhard: Noch nicht. Es gibt aber die erklärte Zuversicht, die wir aus dem Gespräch mit allen Mittlerorganisationen, aus dem Gespräch mit Herrn Fischer, dem Außenminister, genommen haben, dass es geboten ist, in Kabul wieder ein Goethe-Institut zu eröffnen, nachdem früher dort schon mal ein Goethe-Institut existiert hat.
Remme: Wie lange war das der Fall?
Leonhard: Das ging über sehr sehr lange Zeit - ich glaube, 20 bis 30 Jahre, und ist Anfang der 90-er Jahre aufgrund wirtschaftlicher Rahmenbedingungen geschlossen worden. Das Problem ist, dass wir letztendlich damit auch einen Abbruch der Kette, der Kommunikation gehabt haben. Wir haben in Afghanistan immer sehr interessierte Bürgerinnen und Bürger gehabt, die an dem Goethe-Institut gearbeitet haben, deutsch gelernt und sich für den Austausch der Kulturen interessiert haben.
Remme: Müssen die Kontakte zu diesen Gesprächspartner neu geknüpft werden oder existieren die schon?
Leonhard: Die müssen zum Teil neu geknüpft werden, zum Teil existieren sie natürlich auch über viele Afghanen, die im Exil leben. Hier gilt es mit dem Auswärtigen Amt zusammen ein Konzept zu erarbeiten, um das Goethe-Institut dort wieder als einen - ich sage mal - kulturellen Kommunikationspunkt zu eröffnen.
Remme: Ihr Präsident Hilmar Hoffmannc hat letzte Woche vorgerechnet, dass die Wiedergründung des Instituts in Kabul 750 000 DM kosten würde, weniger als ein Spürpanzer. Hat das Argument gezogen?
Leonhard: Das Argument ist, glaube ich, nicht ganz von der Hand zu weisen, denn es geht ja darum, dass wir mit wenig Geld im Sinne der kulturellen Kommunikation etwas für die Krisenprävention machen, wo wir später, wenn Kriege und Konflikte ausbrechen, mit einem Vielfachen dann zu rechnen haben. Wir haben dieses Argument vorgebracht und ich glaube, der Außenminister hat es sich auch zu eigen gemacht und meint, dass wir Kabul als ein Symbol unbedingt realisieren werden.
Remme: Teheran, Havanna, Algier, Shanghai - das alles sind neue Institute, neue Vorhaben, die geplant sind. Wie passen diese Pläne zu den Kürzungen, die Ihnen vor nicht allzu langer Zeit zugemutet wurden?
Leonhard: Die Kürzungen sind sehr schmerzlich, weil sie natürlich ganz hart in das Netzwerk eingreifen. Auf der anderen Seite sind wir aber auch dabei, das Netzwerkc zu verändern. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass wir nicht immer in Instituten oder in institutionellen Formen denken, sondern dass wir vor allem auch im Rahmen von Funktionen, von Netzwerken denken. Wir müssen nicht immer ein Institut gründen, um kulturelle Zusammenarbeit dort auszuüben. Das kann auch bedeuten, dass wir uns in anderen Regionen etwas zurückziehen, um uns damit in den Regionen, in denen wir nicht oder kaum vertreten sind, entsprechend dann präsentieren zu können.
Remme: Da sehen Sie also keinen Widerspruch zwischen diesen Plänen einerseits und den Kürzungen andererseits?
Leonhard: Selbstverständlich sehe ich einen Widerspruch drin, denn wir müssen genauso auch die Netzwerke weiterführen. Kulturarbeit ist immer auf Offenhaltigkeit und Langfristigkeit angelegt, und nicht nur immer auf kurze Events, und wir müssen darauf achten, dass das, was wir jetzt mit dem Dialog mit den islamischen Staaten beginnen, nicht wieder abbricht und immer wieder neu beginnt, sondern wir das Ganze auf Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit gründen.
Remme: Seit dem 11. September, Herr Leonhard, ist viel von diesem Dialog der Kulturen die Rede. Haben die Ereignisse Ihrer Sache insofern genutzt?
Leonhard: Die haben uns genutzt, indem das öffentliche Bewusstsein in unserem Lande ein wenig aufgerüttelt worden ist. Das Thema Dialog mit den Kulturen bedeutet vor allem auch, darüber nachzudenken, was ist ein Dialog. Es darf kein einseitiger Monolog, etwa der Europäer gegenüber den islamischen Staaten sein. Die anderen auch wahrzunehmen und von ihnen etwas zu erfahren ist eine Sache. Die andere Sache ist, dass der Dialog oder die Zusammenarbeit immer sich im Zweibahnverkehr des kulturellen Austauschs bewegt, weswegen wir auch darauf achten müssen, was wir in der Bundesrepublik über Schulen und Hochschulen islamischer Staaten annehmen. Was ist die Wahrnehmung, was ist das Wesentliche? Hier muss man ein Konzept erarbeiten, dass die Gesellschaft, die Hochschulen, die Bildungsbeauftragten ebenso mit ins Boot zieht, wie aber auch die Wirtschaft, die sich ja auf den kulturellen Dialog bezieht, natürlich den Handel aufbauen möchte.
Remme: Ich habe die Kürzungen erwähnt. In den vergangen sieben Jahren wurden 32 Institute geschlossen. Sie von der Institutsleitung haben das natürlich immer kritisiert. Haben Sie den Eindruck, diese Politik wird jetzt nach dem 11. September auch vom Ministerium betrachtet?
Leonhard: Es ist weniger das Ministerium als im Grunde genommen die gesamte Haushaltspolitik, die uns hier Einschnitte auferlegt. Das Ministerium ist eigentlich in der Situation, uns zu fördern, aber das Ministerium selbst hat auch wiederum unter den Einsparmaßnahmen zu tun. Wir müssen eine öffentliche Diskussion darüber führen, auch im Bundestag: Was ist uns die auswärtige Kulturpolitik wert? Wie wirkt Sie sich auf die Attraktivität unseres Landes als Kultur-, Studien- und Wirtschaftsstandort aus? Das ist eine gesamtgesellschaftliche und politische Diskussion, wie wir führen müssen, die nicht nur mit dem Auswärtigem Amt zu führen ist.
Remme: Sie haben eben das Thema mal ganz kurz angeschnitten. Welchen Stellenwert nimmt innerhalb der gegenseitigen Verständigung vieler Kulturen der Dialog mit dem Islam ein?
Leonhard: Momentan einen sehr großen, weil wir einfach hier Vernachlässigungen in den letzten Jahren hatten, und insofern hat uns der 11. September zum Nachdenken gebracht. Es geht aber auch darum, dass die Europäer sich in den Dialog einbringen, und zwar als Vermittler zwischen Amerikanern und dem nahöstlichen Rahmen, wo sonst mehr oder minder leichter oder stärkere Fundamentalismen aufeinander treffen.
Remme: Von einem Sonderprogramm "Dialog mit dem Islam" ist die Rede. Was heißt das konkret?
Leonhard: Das lässt sich noch nicht so genau absehen. Es gibt dafür eine Planung aller Mittlerorganisationen, also nicht nur Goethe-Institut, sondern auch das Deutsche Akademische Auslandsdienst, das Institut für Auslandsbeziehungen, die ihrerseits dann über Netzwerke versuchen, Schlüsselthemen zu definieren, um damit auch zu Organisationsformen zu kommen.
Remme: Herr Leonhard, sind in der Beziehung die Deutschen praktisch als ein Alleingänger tätig oder wird das Ganze auch im europäischen Verbund gesehen?
Leonhard: Wir haben vor, das mit dem British Council zusammen zu machen, möglicherweise auch mit den französischen Kollegen, aber zunächst müssen wir erst mal die Hausaufgaben im eigenen Hause machen. Wenn es uns gelingt, mit den Europäern etwas zusammen zu machen und auch Fördermittel zu bekommen, wird es der nächste Schritt sein.
Remme: Dialog mit dem Islam: Auf welche Institute kommen denn da jetzt besonders große Aufgaben zu?
Leonhard: Auf jeden Fall auf die Institute in Nahost, aber nicht nur dort, sondern insbesondere auch etwa in Karatschi. Wir haben natürlich auch zu bedenken, dass wir in Lahore das Institut geschlossen haben, auf dem indischen Subkontinent, und nicht zur vergessen auch in den nordafrikanischen Ländern, wie in Algerien und Ägypten, oder auch im Sudan, also auch einem islamischen Land, und wir dürfen bei alledem nicht das größte islamische Land vergessen - das ist Indonesien, wo wir allerdings auch Institute haben. Da werden wir auch mit entsprechenden Programmen etwas machen.
Remme: Vielen Dank. Das war der Generalsekretär des Vereins Goethe Institut Inter Nationes, Joachim-Felix Leonhard.