Friedbert Meurer: In Islamabad hält sich in diesen Wochen und Montan zu Studienzwecken der Politikwissenschaftler Jochen Hippler auf von der Universität Duisburg. Guten Tag, Herr Hippler!
Jochen Hippler: Schönen guten Tag!
Meurer: Was zieht denn die beiden früheren Ministerpräsidenten Sharif und, wie wir gerade gehört haben, möglicherweise auch Benazir Bhutto zurück nach Pakistan?
Hippler: Nun, es sieht in Islamabad und in ganz Pakistan so aus, als würden die Zeiten generell Musharraf als Präsident zu Ende gehen. Er ist tatsächlich seit dem März, als er versuchte, den obersten Verfassungsrichter abzusetzen und das im Juli zurücknehmen musste, wirklich immer unpopulärer geworden. Sie finden kaum noch jemanden in Pakistan, der für den Präsidenten eintritt. Und es wird wirklich darüber spekuliert, dass es bald eine neue Regierung geben wird. Wahlen stehen vor der Tür, neue Präsidentschaftswahlen, auch neue Parlaments- und Provinz-Parlamentswahlen. Das heißt, da sieht es ein bisschen aus wie die Götterdämmerung dieses militärischen Präsidenten. Und da wollen sowohl Nawaz Sharif als auch Benazir Bhutto wieder mitmischen, wieder selber sich in die erste Reihe der pakistanischen Politik zurückbegeben.
Meurer: Musharraf ist ja Präsident geworden mithilfe der Militärs. Was soll ihn aus dem Amt jagen? Wahlen, oder wie sollte das aussehen?
Hippler: Na ja, er klammert sich noch sehr stark an das Amt und versucht eben tatsächlich, die Opposition zu spalten, er versucht einen Deal mit Benazir Bhutto zu machen, der jetzt im Moment wohl gerade gescheitert ist, diese Absprache. Aber es ist tatsächlich so, dass er sich eigentlich nur noch auf die Bürokratie, vor allen Dingen auf das Militär stützen kann. Und auch innerhalb dieser Kräfte gibt es zunehmend Zweifel an Musharraf. Und irgendwann wird sich eben die Frage stellen, ob auch innerhalb der hohen Bürokratie und des Militärs die Leute ihm einen Rücktritt nahe legen werden.
Aber noch ist es nicht soweit, noch ist tatsächlich das Endspiel. In den nächsten Tagen oder wenigen Wochen müssen die Wahltermine festgesetzt werden, und da stellt sich einfach die Frage, auf wen kann sich Präsident Musharraf dann noch stützen? Auf seine eigene Partei immer weniger, es gibt viele Überläufer zu Oppositionsparteien. Also da gibt es wirklich im Moment sehr viel Bewegung. Jeden Tag, jede Woche ändert sich die Lage hier gerade.
Meurer: Die USA und die Europäische Union, der Westen, Herr Hippler, erwarten ja von Musharraf oder setzen im Fall Musharraf darauf, dass er der Mann ist, der gegen den Terror, gegen die Unterstützer des Terrorismus, gegen die Terrorcamps im Land vorgehen könnte und soll. Was könnten wir denn erwarten davon, wenn er nicht mehr Präsident des Landes ist?
Hippler: Das hängt sehr stark von den Umständen ab, den Umständen einer politischen Veränderung. Also n den letzten wenigen Monaten, so in den letzten zwei Monaten, hat es auch ein paar ganz positive Veränderungen gegeben, die für Stabilität sorgen können, etwa dass das Rechtswesen zum ersten Mal eigentlich in der pakistanischen Geschichte sich jetzt wagt, unabhängige Rechtssprüche zu machen, Urteile zu machen und nicht nur den Regierenden nach dem Mund zu sprechen. Das ist einer der Faktoren, die eher zu Stabilität suchen, weil nämlich von rechts bis links, von den politischen bis zu den säkularen Kräften hier alle jetzt das oberste Verfassungsgericht als einen Hüter der Demokratie feiern. Ähnliches gilt, dass eben tatsächlich die Presse ausgesprochen frei und unabhängig agiert und dass eben das auch sehr positive Wirkungen hat auf das Klima unterhalb der Regierungsebene. Das heißt, wir haben ein paar negative Wirkungen, Destabilisierung, wenn er jetzt halt weiter, wie durch die Abschiebung jetzt von Nawaz Sharif, der Verfassung bzw. den Urteilen des Verfassungsgerichtes widerspricht, also gegen ein explizites Urteil des höchsten Gerichtes ist jetzt Nawaz an der Einreise gehindert worden. Das wird sicher zu einer größeren Instabilität führen, und das wird sicher auch zu Radikalisierungen bestimmter Oppositionskräfte, auch bestimmter radikaler religiöser Kräfte noch mal führen. Umgekehrt, wenn eben er sich endlich mal an die Verfassung halten würde und wenn er eben möglicherweise zur Übereinstimmung über die Wahlen kommen würde, dann würde das die Radikalisierung eher dämpfen.
Meurer: Für welche Politik steht Nawaz Sharif und für welche Benazir Bhutto? Eigentlich sind beide durchaus mit einem prowestlichen Kurs in Erinnerung geblieben.
Hippler: Beide Politiker sind eigentlich diskreditiert. Nawaz Sharifs und Benazir Bhuttos Regierungen sind beide durch Korruption weidlich unglaublichen Ausmaßes aufgefallen. Aber Sharif hat gerade in seiner Amtszeit sich in einem Maße schamlos bereichert und auch seinen Freunden, Verwandten, Kollegen riesige Mengen zugeschoben. Ähnliches für den Mann von Benazir Bhutto, die von ihr gedeckt worden ist, der hier in der ersten Amtszeit Mister Zehn-Prozent, in der zweiten Amtszeit Mister Zehn-Prozent genannt wurde. Das heißt, sie beide haben keine positiven politischen Ergebnisse gehabt und sind eigentlich eher populistische, demagogische Politiker gewesen.
Das ist eine der dramatischen Situationen hier. Wir haben eine diskreditierte Regierung, vor allen Dingen einen diskreditierten Präsidenten. Selbst die Armee, die früher vor zehn Jahren noch als was Positives wahrgenommen hat, gerät jetzt ziemlich in die Kritik der gesamten Öffentlichkeit. Und dann haben sie drei politische Alternativen: Die MMA, das ist die Allianz von sechs religiösen Parteien, die zum Teil extreme rechte, auch reaktionäre Positionen vertreten. Sie haben dann eben die Partei von Frau Bhutto und die Partei von Nawaz Sharif, die beide im Inneren völlig undemokratisch sind und richtige feudale Cliquenorganisationen und die beide in der Vergangenheit keine positiven Ergebnisse hatten. Und auf diesen beiden Gruppen liegt jetzt im Moment die Hoffnung der Bevölkerung, so dass, selbst wenn es gelingen würde, eine nicht mehr militärisch geprägte Regierung zu haben, dann abzubleiben ist, ob die Bevölkerung nicht sehr, sehr enttäuscht würde, falls diese beiden ehemaligen Ministerpräsidenten nichts dazugelernt hätten und sich dann tatsächlich noch radikaleren anderen Kräften zuwenden würden.
Meurer: Sie haben eingangs einige positive Bemerkungen gemacht über die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklungen in Pakistan. Wie groß ist die Gefahr, dass die Islamisten jetzt im Umbruch von der Situation profitieren können?
Hippler: Also das ist tatsächlich heute etwas gefährlicher geworden. In vielen Teilen der Bevölkerungen, wenn ich mal die Nordwestprovinz und Teile von Belutschistan abziehe, sind eigentlich islamistische Parteien immer noch nicht schrecklich beliebt, wenn auch manche Thesen von ihnen unterstützt würden. Gleichzeitig ist es sehr interessant, dass auch die islamistischen Parteien, auch wirklich die extrem rechten islamistischen Parteien, sich zunehmend als demokratische Parteien verkaufen, zunehmend eben für Verfassungsrechtlichkeit, für Rechtsstaatlichkeit und für Demokratie eintreten. Es ist nicht klar, wie belastbar diese neue Orientierung, zumindest in der Rhetorik, bezogen auf Demokratie ist. Aber wenn jetzt dieser neue Trend, über den ich gesprochen habe, dass eben jetzt tatsächlich das Verfassungsgericht endlich mal Verfassungsrecht spricht und die Verfassung interpretiert und nicht als Befehlsempfänger von Regierungen auftritt, wenn diese Tendenz nicht anhalten würde, wenn nicht heute durch diese Abschiebung von Nawaz Sharif eben ein Bruch einer klaren verfassungsgerichtlichen Entscheidung eintritt, dann ist es auch durchaus möglich, dass verschiedene Teile der Opposition, das kann jetzt auch für die säkularen Oppositionsparteien gelten, es kann aber in höherem Maße auch für die religiösen Parteien gelten, dass es da jetzt einen Abbruch dieser Demokratisierungsrhetorik gibt und dass es eine stärkere Radikalisierung, auch eine stärkere Zuwendung in den Extremismus wieder geben könnte.
Meurer: Der Politikwissenschafter Jochen Hippler zur Lage in Pakistan. Dankeschön nach Islamabad und auf Wiederhören, Herr Hippler.
Jochen Hippler: Schönen guten Tag!
Meurer: Was zieht denn die beiden früheren Ministerpräsidenten Sharif und, wie wir gerade gehört haben, möglicherweise auch Benazir Bhutto zurück nach Pakistan?
Hippler: Nun, es sieht in Islamabad und in ganz Pakistan so aus, als würden die Zeiten generell Musharraf als Präsident zu Ende gehen. Er ist tatsächlich seit dem März, als er versuchte, den obersten Verfassungsrichter abzusetzen und das im Juli zurücknehmen musste, wirklich immer unpopulärer geworden. Sie finden kaum noch jemanden in Pakistan, der für den Präsidenten eintritt. Und es wird wirklich darüber spekuliert, dass es bald eine neue Regierung geben wird. Wahlen stehen vor der Tür, neue Präsidentschaftswahlen, auch neue Parlaments- und Provinz-Parlamentswahlen. Das heißt, da sieht es ein bisschen aus wie die Götterdämmerung dieses militärischen Präsidenten. Und da wollen sowohl Nawaz Sharif als auch Benazir Bhutto wieder mitmischen, wieder selber sich in die erste Reihe der pakistanischen Politik zurückbegeben.
Meurer: Musharraf ist ja Präsident geworden mithilfe der Militärs. Was soll ihn aus dem Amt jagen? Wahlen, oder wie sollte das aussehen?
Hippler: Na ja, er klammert sich noch sehr stark an das Amt und versucht eben tatsächlich, die Opposition zu spalten, er versucht einen Deal mit Benazir Bhutto zu machen, der jetzt im Moment wohl gerade gescheitert ist, diese Absprache. Aber es ist tatsächlich so, dass er sich eigentlich nur noch auf die Bürokratie, vor allen Dingen auf das Militär stützen kann. Und auch innerhalb dieser Kräfte gibt es zunehmend Zweifel an Musharraf. Und irgendwann wird sich eben die Frage stellen, ob auch innerhalb der hohen Bürokratie und des Militärs die Leute ihm einen Rücktritt nahe legen werden.
Aber noch ist es nicht soweit, noch ist tatsächlich das Endspiel. In den nächsten Tagen oder wenigen Wochen müssen die Wahltermine festgesetzt werden, und da stellt sich einfach die Frage, auf wen kann sich Präsident Musharraf dann noch stützen? Auf seine eigene Partei immer weniger, es gibt viele Überläufer zu Oppositionsparteien. Also da gibt es wirklich im Moment sehr viel Bewegung. Jeden Tag, jede Woche ändert sich die Lage hier gerade.
Meurer: Die USA und die Europäische Union, der Westen, Herr Hippler, erwarten ja von Musharraf oder setzen im Fall Musharraf darauf, dass er der Mann ist, der gegen den Terror, gegen die Unterstützer des Terrorismus, gegen die Terrorcamps im Land vorgehen könnte und soll. Was könnten wir denn erwarten davon, wenn er nicht mehr Präsident des Landes ist?
Hippler: Das hängt sehr stark von den Umständen ab, den Umständen einer politischen Veränderung. Also n den letzten wenigen Monaten, so in den letzten zwei Monaten, hat es auch ein paar ganz positive Veränderungen gegeben, die für Stabilität sorgen können, etwa dass das Rechtswesen zum ersten Mal eigentlich in der pakistanischen Geschichte sich jetzt wagt, unabhängige Rechtssprüche zu machen, Urteile zu machen und nicht nur den Regierenden nach dem Mund zu sprechen. Das ist einer der Faktoren, die eher zu Stabilität suchen, weil nämlich von rechts bis links, von den politischen bis zu den säkularen Kräften hier alle jetzt das oberste Verfassungsgericht als einen Hüter der Demokratie feiern. Ähnliches gilt, dass eben tatsächlich die Presse ausgesprochen frei und unabhängig agiert und dass eben das auch sehr positive Wirkungen hat auf das Klima unterhalb der Regierungsebene. Das heißt, wir haben ein paar negative Wirkungen, Destabilisierung, wenn er jetzt halt weiter, wie durch die Abschiebung jetzt von Nawaz Sharif, der Verfassung bzw. den Urteilen des Verfassungsgerichtes widerspricht, also gegen ein explizites Urteil des höchsten Gerichtes ist jetzt Nawaz an der Einreise gehindert worden. Das wird sicher zu einer größeren Instabilität führen, und das wird sicher auch zu Radikalisierungen bestimmter Oppositionskräfte, auch bestimmter radikaler religiöser Kräfte noch mal führen. Umgekehrt, wenn eben er sich endlich mal an die Verfassung halten würde und wenn er eben möglicherweise zur Übereinstimmung über die Wahlen kommen würde, dann würde das die Radikalisierung eher dämpfen.
Meurer: Für welche Politik steht Nawaz Sharif und für welche Benazir Bhutto? Eigentlich sind beide durchaus mit einem prowestlichen Kurs in Erinnerung geblieben.
Hippler: Beide Politiker sind eigentlich diskreditiert. Nawaz Sharifs und Benazir Bhuttos Regierungen sind beide durch Korruption weidlich unglaublichen Ausmaßes aufgefallen. Aber Sharif hat gerade in seiner Amtszeit sich in einem Maße schamlos bereichert und auch seinen Freunden, Verwandten, Kollegen riesige Mengen zugeschoben. Ähnliches für den Mann von Benazir Bhutto, die von ihr gedeckt worden ist, der hier in der ersten Amtszeit Mister Zehn-Prozent, in der zweiten Amtszeit Mister Zehn-Prozent genannt wurde. Das heißt, sie beide haben keine positiven politischen Ergebnisse gehabt und sind eigentlich eher populistische, demagogische Politiker gewesen.
Das ist eine der dramatischen Situationen hier. Wir haben eine diskreditierte Regierung, vor allen Dingen einen diskreditierten Präsidenten. Selbst die Armee, die früher vor zehn Jahren noch als was Positives wahrgenommen hat, gerät jetzt ziemlich in die Kritik der gesamten Öffentlichkeit. Und dann haben sie drei politische Alternativen: Die MMA, das ist die Allianz von sechs religiösen Parteien, die zum Teil extreme rechte, auch reaktionäre Positionen vertreten. Sie haben dann eben die Partei von Frau Bhutto und die Partei von Nawaz Sharif, die beide im Inneren völlig undemokratisch sind und richtige feudale Cliquenorganisationen und die beide in der Vergangenheit keine positiven Ergebnisse hatten. Und auf diesen beiden Gruppen liegt jetzt im Moment die Hoffnung der Bevölkerung, so dass, selbst wenn es gelingen würde, eine nicht mehr militärisch geprägte Regierung zu haben, dann abzubleiben ist, ob die Bevölkerung nicht sehr, sehr enttäuscht würde, falls diese beiden ehemaligen Ministerpräsidenten nichts dazugelernt hätten und sich dann tatsächlich noch radikaleren anderen Kräften zuwenden würden.
Meurer: Sie haben eingangs einige positive Bemerkungen gemacht über die demokratische und rechtsstaatliche Entwicklungen in Pakistan. Wie groß ist die Gefahr, dass die Islamisten jetzt im Umbruch von der Situation profitieren können?
Hippler: Also das ist tatsächlich heute etwas gefährlicher geworden. In vielen Teilen der Bevölkerungen, wenn ich mal die Nordwestprovinz und Teile von Belutschistan abziehe, sind eigentlich islamistische Parteien immer noch nicht schrecklich beliebt, wenn auch manche Thesen von ihnen unterstützt würden. Gleichzeitig ist es sehr interessant, dass auch die islamistischen Parteien, auch wirklich die extrem rechten islamistischen Parteien, sich zunehmend als demokratische Parteien verkaufen, zunehmend eben für Verfassungsrechtlichkeit, für Rechtsstaatlichkeit und für Demokratie eintreten. Es ist nicht klar, wie belastbar diese neue Orientierung, zumindest in der Rhetorik, bezogen auf Demokratie ist. Aber wenn jetzt dieser neue Trend, über den ich gesprochen habe, dass eben jetzt tatsächlich das Verfassungsgericht endlich mal Verfassungsrecht spricht und die Verfassung interpretiert und nicht als Befehlsempfänger von Regierungen auftritt, wenn diese Tendenz nicht anhalten würde, wenn nicht heute durch diese Abschiebung von Nawaz Sharif eben ein Bruch einer klaren verfassungsgerichtlichen Entscheidung eintritt, dann ist es auch durchaus möglich, dass verschiedene Teile der Opposition, das kann jetzt auch für die säkularen Oppositionsparteien gelten, es kann aber in höherem Maße auch für die religiösen Parteien gelten, dass es da jetzt einen Abbruch dieser Demokratisierungsrhetorik gibt und dass es eine stärkere Radikalisierung, auch eine stärkere Zuwendung in den Extremismus wieder geben könnte.
Meurer: Der Politikwissenschafter Jochen Hippler zur Lage in Pakistan. Dankeschön nach Islamabad und auf Wiederhören, Herr Hippler.