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Götterdämmerung in Bayreuth?

Die Sitzung des Stiftungsrates der Wagner-Festspiele hat kein Ergebnis zur Nachfolge des jetzigen Leiters Wolfgang Wagner gebracht. Nach Ansicht des Journalisten Jörn Florian Fuchs will der Rat aber ein Zeichen für den Wechsel setzen. Fakt sei auch, dass die Festspiele de facto seit Längerem von Wolfgang Wagners Frau Gudrun geleitet würden.

Moderation: Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Künstlerisch ist es mit den Wagner-Festspielen nicht mehr bestens bestellt. Zu viele Sänger- und Dirigentenprobleme, zu viele Regieflops und zu viele Klagen über ein erstarrtes, ritualisiertes Festivalprogramm. Dazu in jüngster Zeit erstmals finanzielle Engpässe und ein gesundheitlich schwer angeschlagener Festspielleiter, der Enkel des Komponisten, Wolfgang Wagner, 88 Jahre alt, wie gesagt, seit über einem halben Jahrhundert im Amt mit einem Vertrag auf Lebenszeit ausgestattet. Und Rücktrittsforderungen gab es wieder einmal in den vergangenen Tagen, auch heute, aber Wolfgang liegt und besitzt und will seinen Platz nur räumen, wenn seine jüngste Tochter, die 29-jährige Katharina Wagner, vom Stiftungsratzur Nachfolgerin gekürt wird. Jörn Florian Fuchs in Bayreuth, Sie haben den Nachmittag dort im Rathaus verbracht, um Stimmen und Stimmungen einzufangen. Entschieden wurde heute zur Nachfolge Wolfgangs ja nichts, aber was hat man denn geredet?

    Jörn Florian Fuchs: Zunächst mal habe ich den Eindruck, dass der Stiftungsrat schon ein Zeichen setzen wollte, auch anschließend in diesen kurzen, aber prägnanten Pressestatement, dass man den Nachfolgeprozess jetzt endlich mal auf den Weg bringen will. Also es ist wohl sehr, sehr negativ angekommen, dass Wolfgang Wagner heute dann nicht erschienen ist in den beiden Sitzungen. Es gab um 10.00 Uhr die Sitzung des Vorstandes des Stiftungsrates und um 14.00 Uhr dann die Sitzung mit allen Mitgliedern dieses Rates. Und ursprünglich hieß es, dass sowohl er wie Gudrun Wagner erscheinen würden. Das war nicht der Fall. Und sie haben vor allem schon auf dem Karl Gerhard Schmidt hingewiesen. Der hat nun gesagt, also sowohl Bayreuth wie auch die Person Wolfgang Wagner nimmt mehr und mehr Schaden, und das Problem ist wirklich, dass er jetzt sagt, er will ihn aufsuchen in den nächsten Tagen, um ein persönliches Gespräch ersuchen und ihn dort zum Rücktritt auffordern. Also das ist doch eine unerwartete Schärfe fast und deutliche Mitteilung auch an die Medien zu sagen, wir wollen das jetzt in Gang bringen, den Nachfolgeprozess. Und sofern es dann tatsächlich klappt, und er zurücktritt, dann gibt es eben diese Idee, dass nun die Mitglieder der Familie Wagner, also niemand von außerhalb, Konzepte einreichen und die dann möglichst schnell geprüft werden. Das Ganze soll rasch vom Tisch, man spricht hier von zwei, drei Monaten.

    Schmitz: Das heißt, der Druck wird erhöht. Man will handeln. Man möchte auch mit Wagner reden, heißt das auch, wenn das Karl Gerhard Schmidt sagt, der Vorsitzende des Mäzenatenvereins der Gesellschaft der Freunde Bayreuths, dass man unter Umständen sogar den Geldhahn zudreht, wenn er nicht pariert?

    Fuchs: Nein, das hat er mir gegenüber ausdrücklich noch mal gesagt, das ist nicht der Fall. Also man gibt eine Finanzierungssicherheit, eine Finanzierungsgarantie. Schmidt sagte aber auch, dass er gerade in den letzten Monaten extrem viele Nachrichten bekommen hat, E-Mails, Anrufe und Briefe von Mitgliedern, von den Mäzenen sozusagen, die das mitfinanzieren hier einfach, die gesagt haben, das geht so nicht weiter, und sie möchten auch ganz gerne einfach mal sehen, ja wirklich, wie es Wolfgang Wagner geht, und was da passiert. Schmidt sagte auch ganz unverhohlen, dass es so ist, dass die Festspiele de facto seit Längerem von Gudrun Wagner geleitet werden. Also die Aussage ist so eindeutig jetzt gefallen. Jetzt müsste man vielleicht noch mal von anderer Seite klären, inwieweit der Vertrag von Wolfgang Wagner dann wirklich hinfällig ist. Das ist natürlich sehr schwierig. Es wird sicher nicht dazu kommen, dass man jetzt ihn gar entmündigt, wie es in den letzten Wochen ab und zu als Gerücht hier herumschwirrte. Aber diese Aussage muss man ernst nehmen. Und ich denke schon, dass man sich da jetzt drum kümmern wird, auch mal die juristischen Fragen abzuklären. Wolfgang Wagner selber hat zwei hervorragende Anwälte hier heute zur Vertretung geschickt. Übrigens war er auch einfach verhindert. Es war also nicht so, dass es hieß, er sei krank. Man kann somit auch keinen Attest zum Beispiel anfordern, sondern er ist einfach verhindert aus terminlichen Gründen. Das war das. Und der Stefan Müller, den wir ja im O-Ton schon kurz hatten, der hat also vehement bestritten, dass Herr Wagner geschäftsuntüchtig ist, ganz im Gegenteil, es sei ein reines Terminproblem gewesen.

    Schmitz: Was denken Sie, warum er nicht erscheint?

    Fuchs: Ich glaube, und das wissen alle, die ihn sehen, das hat Herr Schmidt auch noch mal gesagt, der ihn im Sommer zuletzt gesprochen hat, er ist auf Deutsch gesagt tattrig, er hat lange die Geschäfte hier schon nicht mehr in der Hand. Die künstlerischen Entscheidungen auch in den letzten Jahren, zum Beispiel auch Christoph Schlingensief, Parsifal oder im nächsten Jahr Stefan Herheim, sind, das kann man so, glaube ich, offen sagen, nachweislich nicht mehr auf seinem, platt gesagt, Mist gewachsen, sondern das war so ein bisschen der Familienrat. Katharina Wagner hat das mal durchblicken lassen, dass sie beim Frühstück die Personalie Schlingensief zum Beispiel mal ins Spiel gebracht hat und schwupp, dann hat er dort den Parsifal inszeniert. Also das ist wirklich eine Sache, die immer unwürdiger wird, und das realisieren die Leute einfach. Und ich fand es in dem Sinne schon positiv, dass der Stiftungsrat zwar erwartungsgemäß nichts Konkretes entscheiden konnte, aber dass doch durch die Statements vor allen Dingen auf den Weg gebracht ist, dass der Druck wirklich erhöht wird.

    Schmitz: Die Katharina Wagner ist an die Öffentlichkeit bereits mehrfach getreten mit mehr oder weniger konkreten Konzepten für die Zukunft Bayreuths. Was, glauben Sie, wird der Stiftungsrat an Prioritäten setzen, wenn es um die Nachfolge geht?

    Fuchs: Also was recht negativ auch angekommen ist heute, ist, dass es überhaupt kein Konzept gibt, dass dem Stiftungsrat vorliegt. Das ist ja sehr unüblich. Und es wurde dann auch von Toni Schmid noch mal gesagt, dass es ein Problem ist, dass man praktisch über Boulevardmedien mehr und mehr erfährt, wer sich für was interessiert. Ich glaube, meine persönliche Einschätzung ist, dass dieses neue Dreierteam, wo Christian Thielemann, Katharina Wagner und Peter Ruzicka, ehemaliger Salzburger Intendant, im Zusammenwirken, dass das keine große Chance hat. Gerade Peter Ruzicka ist ein Kulturmanager eher, der zwar einige Kontakte hat, der aber, ich sage mal, so vom Charisma und von allem nicht unbedingt eine Person ist, die groß repräsentiert. Und ich weiß auch, ehrlich gesagt, nicht bei im Durchschnitt einer Neuinszenierung pro Sommer, was da drei Leute in der Form, wie alle drei doch, sage ich mal, ein starkes Ego auch haben, was die machen sollen?

    Schmitz: Wir müssen leider hier unser Gespräch beenden. Wir haben noch drei weitere Themen unserem Publikum zu präsentieren. Vielen Dank für die bisherigen Einschätzungen nach der Sitzung des Stiftungsrates der Richard-Wagner-Stiftung zur Nachfolgefrage am Grünen Hügel.