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"Goldene Morgenröte"
Eine faschistische Partei vor Gericht

Nach dem Mord an einem linken Musiker rückte die Partei "Goldene Morgenröte" in den Fokus der griechischen Justiz. Seit 2015 steht die Führungsriege der extrem rechten Gruppierung vor Gericht. Nun kommt der Mammutprozess gegen 69 Parteimitglieder, darunter auch ehemalige Parlamentsabgeordnete, zum Ende.

Von Rodothea Seralidou | 06.10.2020
Der frühere Abgeordnete und Vorsitzende der Golden Morgenröte-Partei, Nikolaos Michaloliakos, sagt am 6. November 2019 vor einem Berufungsgericht in Athen aus.
Der Athener Gerichtssaal, in dem seit 2015 der Prozess gegen die Führungsfiguren der "Goldenen Morgenröte" verhandelt wird (AFP/ Aris Messinis)
Petros Konstantinou ist seit Jahren aktiv im Kampf gegen die "Goldene Morgenröte". Der 59-Jährige Athener Stadtrat koordiniert die "Bewegung gegen Rassismus und die faschistische Bedrohung", eine der bekanntesten griechischen antifaschistischen Initiativen. Seit den 1990er-Jahren habe es immer wieder Angriffe durch die neofaschistische Partei "Goldene Morgenröte" gegen Migranten und Linke gegeben, sagt er. Mit dem Einzug ins Parlament 2012 hätten die Angriffe zugenommen – bis es zum Mord an Pavlos Fyssas kam.
"Pavlos Fyssas war ein antifaschistischer Musiker aus einer Arbeiterfamilie in Piräus. Antifaschismus war auch in seinen Songs ein Thema. Er hat gegen die Ideologie der ‚Goldenen Morgenröte‘ gekämpft. Dadurch wurde er zur Zielscheibe der Organisation."
Eine Partei mit Schlägertruppen
Am 17. September 2013 entdecken Mitglieder der "Goldenen Morgenröte" den 34-jährigen Rapper in einem Café. Sofort wird die lokale "Sturmabteilung" mobilisiert – so nannte die "Goldene Morgenröte" nach nationalsozialistischem Vorbild ihre Schlägertruppen. Fyssas wurde auf offener Straße zusammengeschlagen und erstochen, was zu einem Aufschrei im ganzen Land führte. Es folgten große antifaschistische Demonstrationen und Streiks der Gewerkschaften. Die "Goldene Morgenröte" geriet in den Fokus der Justiz. Wenige Tage nach dem Mord an Pavlos Fyssas wurde die gesamte Parteispitze festgenommen.
Im Frühjahr 2015 begann der Prozess – einer der größten und längsten in Griechenland. Seitdem sitzen 69 Partei-Mitglieder auf der Anklagebank, darunter Partei-Chef Nikos Michaloliakos und siebzehn ehemalige Parlamentsabgeordnete.
Der Athener Stadtrat Petros Konstantinou, der seit Jahren antifaschistisch aktiv ist, steht vor einer Wand mit politischen Plakaten
Der Athener Stadtrat Petros Konstantinou engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus (Deutschlandradio / Rodothea Seralidou)
Zentrale Frage: Ist die Partei eine "kriminelle Vereinigung"?
Neben dem Mord an Pavlos Fyssas, den versuchten Morden an zwei Ägyptern und an linken Gewerkschaftern, geht es vor Gericht vor allem um die Frage, ob die Parteispitze eine "kriminelle Vereinigung" gegründet und geführt hat. Parteichef Michaloliakos bestreitet das, er bezeichnete den Prozess immer wieder als politisches Komplott.
Die 45-jährige Journalistin Eleftheria Koumandou ist Gründungsmitglied von "Golden Dawn Watch", einer unabhängigen Initiative, die das Strafverfahren von Anfang an verfolgt hat. Der Mord an Pavlos Fyssas sei ein gutes Beispiel für die organisierten, kriminellen Strukturen der neofaschistischen Partei, sagt sie:
"Alles fing mit einer Auseinandersetzung im Café an. Sofort hat der eine den anderen informiert, vom Rangniedrigsten zum Ranghöchsten bis hin zum Anführer der ‚Goldenen Morgenröte‘, zu Michaloliakos. Danach wurden die Befehle erteilt. Sie sind mit Motorrädern zum Ort gefahren, wo Pavlos Fyssas sich befand. Das zeigt, dass die Mitglieder der ‚Goldenen Morgenröte‘ genau wussten, was zu tun ist und gelernt hatten, dem Ranghöheren zu gehorchen."
Führungsfiguren könnten freigesprochen werden
Trotzdem ist die Staatsanwaltschaft vom Vorwurf der "kriminellen Vereinigung" abgerückt. In ihrem Abschluss-Plädoyer sprach sie von einzelnen, voneinander unabhängigen Straftaten, die nicht im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen worden seien.
Sollten die Richter das an diesem Mittwoch auch so sehen, würden die Führungsfiguren der "Goldenen Morgenröte" freigesprochen. Das könnte der ehemals drittstärksten Partei im Land frischen Wind geben, sagt Eleftheria Koumandou.
"Dann werden sie sagen können, dass das eine politisch motivierte Anklage war, dass sie wegen ihrer Ideologie vor Gericht gezerrt wurden. Das stimmt aber nicht. Sie sind angeklagt, weil sie sich für die Taten verantworten müssen, die aus dieser Ideologie hervorgehen."
Eleftheria Koumandou wird bei der Urteilsverkündung im Gerichtssaal sitzen, als eine von wenigen akkreditierten Journalistinnen. Gewerkschaften, Studierenden- und Schülerorganisationen wollen an dem Tag vor dem Gerichtsgebäude gegen die "Goldene Morgenröte" demonstrieren.