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Weitenjagd im Golf
Jeder Zentimeter zählt

Um das ständige Wettrüsten der Golf-Industrie bei der Herstellung von Schlägern und Bällen zu bremsen, hat die Regelaufsicht eine Grenze gezogen: Erstmals wurde offiziell die Schaftlänge limitiert.

Von Jürgen Kalwa | 02.01.2022
Im Golfsport ist eine wahre Materialschlacht ausgebrochen
Golfspieler C.T. Pan aus Taiwan während der Olympischen Spiele in Rio de Janeiro 2016 (picture alliance / dpa / Erik Lesser)
Er war schon als Teenager ein Tüftler, der alles in Frage stellte. Seine Denke sorgte für eine Reihe von Innovationen: Darunter spezielle Schläger und seit dem ersten Corona-Lockdown vor allem die Arbeit an seinem Körper. Bryson DeChambeau wollte sowohl muskulöser als auch beweglicher werden, um den kleinen Ball noch weiter zu schlagen als die Konkurrenz.
Zwei Tage vor dem Jahreswechsel beschreibt er die Entwicklung bis heute – seine "Geheimwaffe" - in einem Video auf seinem YouTube-Kanal. Dort wo ihm mehr als 200.000 Neugierige folgen, um ihn und seine ungefilterte Begeisterung am eigenen Erfolg zu erleben: “Das ist besser als Anabolika. So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt. Ich habe meine Kraft mehr als verdoppelt und das in sehr kurzer Zeit."

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Aushängeschild für die kaufkräftigen Amateurgolfer

Das Resultat eines speziellen Fitness-Trainings, für das der Texaner in Colorado einen Spezialisten engagiert hatte? Er wirbelt seine Schläger heute zehn Prozent schneller durch die Luft. Mit einer Schwunggeschwindigkeit von mehr als 200 Stundenkilometern.
Eine Energie, die dafür sorgt, dass der Ball weiter fliegt als der der Konkurrenz. Er landet allerdings viel zu häufig in unebenem Gelände links und rechts vom Fairway. Weshalb seine Erfolgsbilanz vergleichsweise bescheiden ist. Der US-Open-Sieg 2020 ist das bislang einzige herausragende Resultat. Am Aufwand selbst kann es nicht liegen. Zu seinen Helfern gehört nämlich auch noch ein hochmotiviertes Team aus Ingenieuren einer kalifornischen Ausrüsterfirma. Die entlohnt DeChambeau so gut, dass er dank dieser und anderer Werbepartner inzwischen mit seiner Vermarktung mehr verdient als mit den Preisgeldern auf dem Golfplatz. Der Weltranglistenfünfte genießt die Rolle als Aushängeschild mit Blick auf den weltweiten Markt kaufkräftiger Amateurgolfer.

Die Materialschlacht soll nicht ausarten

Die Techniker experimentieren ständig herum: sei es am Material der Schlägerköpfe. Sei es an der Länge des Schlägerschafts. Die Theorie dahinter entstammt uraltem Wissen aus der Physik, wo das sogenannte Hebelgesetz besagt: je länger der Kraftarm, desto wirkungsvoller der Bewegungsablauf. Im September probiert der 28-Jährige bei der Weltmeisterschaft der Longhitter, bei der es nur darum geht, den Ball möglichst weit zu schlagen, einen Schaft von 1,22 Meter aus. Das Ergebnis beschreibt DeChambeau mit leuchtenden Superlativen.
"Das könnte der Tag sein, der Golf in eine andere Richtung, in eine neue Stratosphäre schießt". Was er nicht erwähnt: Dank einer Regeländerung, die am 1. Januar in Kraft getreten ist, darf man einen derart langen Schläger bei regulären Turnieren, egal ob bei den Profis oder den Amateuren, nicht mehr benutzen. Der amerikanische Golfverband und die britischem Traditionswächter vom Royal and Ancient Golf Club im schottischen St. Andrews, die weltweit für das Reglement verantwortlich sind, wollen verhindern, dass die Materialschlacht ausartet.

Einige Stars machen ihrem Unmut Luft

Die maximale Schaftlänge liegt nun bei 1,17 Meter. Um solche Regeländerungen herrscht hinter den Kulissen oft ein kleiner Kulturkampf. Briten wollen aus Tradition eher weniger regulieren, die Amerikaner mehr. Durch die ständigen Verbesserungen beim Equipment sind gewisse Regeln aber nötig - sonst würden die bestehenden und für teures Geld gebauten Golfplätze für die Top-Spieler zu läppischen Herausforderungen werden.
Von einigen Stars wurde Unmut laut. Was der Münchner Stephan Jäger, Nummer 129 der Weltrangliste, nicht versteht. Er habe im normalen Turnieralltag bisher keinen einzigen Golfer mit einer Schaftlänge gesehen, die über den neuen Grenzwert hinausging. Auf amerikanisch: 46 Inches. "Es haben mal ein paar Leute probiert. Mit diesen 48 inches, also zwei Inches, fünf Zentimeter länger. Ich glaube jetzt nicht, dass diese Längeneinschränkung etwas ausgemacht hätte. Auf der PGA Tour ist klar, wenn du lang bist, ist gut. Aber du musst auch schon präzise sein. Wenn du brutal harte Grüns hast und das Rough hoch hast, ist es egal, wie lang du bist. Wenn du jetzt superkurz bist, da musst du arbeiten, musst du zuviel arbeiten."
Jäger liegt deutlich hinter DeChambeau zurück. Bei seinen Abschlägen kommt er im Schnitt auf eine Weite von knapp 270 Metern. Ist also 30 Meter kürzer als die stärksten Konkurrenten. Seine Qualität zeigt Jäger rund ums Grün, dem sogenannten kurzen Spiel. Bei den längeren Schlägen gibt es durchaus Verbesserungsbedarf, sagt er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Aber anders als DeChambeau geht es ihm nicht zum größere Distanz, sondern um mehr Konstanz. Und da spielt nicht nur die Schlägerlänge eine Rolle. "Da wird gearbeitet vom Körper, vom Golfen her, vom Mentalen her eigentlich von allem. Dieser Golfsport hat sich in den letzten 15 oder 20 Jahren so verändert, dass wenn du nicht alles machst, wirst du einfach überholt von anderen."