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Golf von Aden ist "sicherer geworden"

Der Präsident des Deutschen Marineinstituts, Vizeadmiral a.D. Lutz Feldt, hat die internationale Anti-Piraten-Mission im Golf von Aden insgesamt als Erfolg bezeichnet. Der bisherige Aufwand habe deutlich dazu beigetragen, dass es sicherer geworden sei. Es brauche etwas mehr Zeit, "um damit auch einen deutlicheren Erfolg als bisher und eine Verminderung des Risikos zu erreichen", betonte Feldt.

Lutz Feldt im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Die Küste Somalias bleibt ein gefährliches Gewässer für die internationale Seefahrt. Trotz der massiven Präsenz internationaler Kriegsschiffe werden die Piraten immer dreister. Nach einer kurzen Pause sind die modernen Freibeuter inzwischen wieder auf Kaperfahrt. Sechs Überfälle innerhalb nur einer Woche, darunter die Attacke auf einen US-amerikanischen Frachter. Nicht nur militärisch, sondern auch juristisch soll den Piraten das Handwerk gelegt werden. Doch für deutsche Gerichte ist der Anti-Piraten-Kampf Neuland. Deutsche Staatsanwälte scheuen deshalb mehr oder weniger offen eine Anklage gegen die Piraten. Den sieben von der Marine festgenommenen Piraten wird nun in Kenia der Prozess gemacht. Am Telefon nun der ehemalige deutsche Vizeadmiral Lutz Feldt, heute Präsident des Deutschen Marineinstituts. Guten Tag, Herr Feldt!

    Lutz Feldt: Guten Tag, Herr Heinlein.

    Heinlein: Wir haben es gehört: sechs Attacken in nur einer Woche. Ist die internationale Anti-Piraten-Mission ein Schlag ins Wasser?

    Feldt: Nein. Das, glaube ich, kann man nicht sagen. Wenn Sie die Anzahl der dort in dem Seegebiet fahrenden Schiffe sehen und die Anzahl der Attacken, vor allen Dingen die Zahl der gelungenen, dann ist das Verhältnis, seitdem die internationale Staatengemeinschaft und auch die EU tätig geworden sind, deutlich zu unseren Gunsten ausgegangen. Aber zwei Dinge sind dabei zu beachten: Es gibt keine absolute Sicherheit - das ist das eine; das muss man wissen - und das Zweite, was sich auch erst entwickeln muss, ist: die Handelsschiffe, die Kapitäne und die Reeder müssen sich auch an die vorgeschlagenen und ausgegebenen Verfahren halten. Dann wird die Sicherheit auf jeden Fall eher zu erreichen sein.

    Heinlein: Welche Verfahren werden denn derzeit von den Kapitänen nicht beachtet?

    Feldt: Ich denke, in erster Linie ist das ein Kommunikationsproblem und man muss sich rechtzeitig, wenn man sich dem Gebiet - das ist ja hauptsächlich der Golf von Aden, weniger jetzt inzwischen die somalische Küste - nähert, so rechtzeitig anmelden - und die Fernmeldewege sind international bekannt gegeben - und man muss möglichst auch seine Bewegungen dort bekannt geben, so dass eben auch der militärische Schutz rechtzeitig eingeleitet werden kann. Es gibt dann Verfahren, die eine Begleitung sind, also das, was man früher als Konvoi-System bezeichnet hat. All das ist möglich, aber es garantiert - das möchte ich noch mal sagen - keine hundertprozentige Sicherheit. Aber - das muss auch gesagt werden - der bisherige Aufwand hat deutlich auch dazu beigetragen, dass es sicherer geworden ist. Allerdings haben Sie Recht: die jetzige Zunahme gerade von sechs Überfällen in einer Woche ist schon dramatisch. Das ist überhaupt gar keine Frage. Darauf muss auch reagiert werden.

    Heinlein: Wenn ich Sie richtig verstehe, versuchen immer noch zu viele Handelsschiffe auf eigene Faust den Piraten ein Schnippchen zu schlagen. Sind sie also selber Schuld, wenn sie von diesen Piraten überfallen werden und eben nicht auf diesen militärischen Schutz in einem Konvoi zurückgreifen?

    Feldt: Selber Schuld - so weit würde ich nicht gehen. Ich muss sagen, es hängt natürlich davon ab, welche Möglichkeiten die Schiffe selbst haben. Wenn ein Schiff mit einer Geschwindigkeit von über 20 Knoten fahren kann, dann, sage ich mal, ist das schon eine große Verbesserung des Eigenschutzes. Und wenn dann zu den kritischen Zeiten morgens und abends auch der Ausguck einfach verstärkt wird, so dass auch eine gewisse Sensibilität gegenüber dem möglich ist, was um einen herum passiert, und man dann rechtzeitig solche Bewegungen von annähernden Piraten auch erkennen kann, dann ist das ein zweiter Schritt, der durch die Besatzungen zu leisten ist. Aber das wichtigste ist - und das möchte ich gerne noch mal hervorheben -, dass man sich rechtzeitig mit den bekannten Telefonnummern und Adressen sowohl im Internet als auch über den VHF-Kanal 16 oder 8 in Verbindung setzt und dann seine Bewegungen koordiniert. Dann ist ein Schutz eher möglich.

    Heinlein: Wir haben es in dem Bericht aus Nairobi gehört; die Besatzung eines US-Frachters hat ja im Alleingang Piraten überwältigt. Ist das auch ein Weg, der Bedrohung Herr zu werden, oder ist das nur gefährlicher Leichtsinn?

    Feldt: Auf diese Frage kann ich Ihnen keine einfache Antwort geben. Richtig ist, wenn die Gelegenheit da ist, dann ist es ganz natürlich, dass man sich dagegen wehrt, und wenn man das mit Erfolg tut, dann wird das von allen gelobt werden. Aber Sie haben in diesem Fall gesehen: Es ist eben nur sehr begrenzter Erfolg. Wenn jetzt eine Geisel genommen wird und dort eine Eskalation entsteht, dann besteht die Gefahr, dass am Ende es nicht mehr mit Lösegeld zu lösen ist. Das muss man sehr wohl abwägen. Es ist sehr schwer, von außen das zu beurteilen. Ich kann nur sagen: Es ist ja angeboten worden und es wird auch weiterhin angeboten, Soldaten - bewaffnet oder unbewaffnet - an Bord zu nehmen, um eine gewisse auch interne Verstärkung und eine gewisse Ausbildung an Bord für die Besatzungsangehörigen zu gewährleisten. Das bietet sowohl die Region an, der Jemen zum Beispiel, aber auch die internationale Gemeinschaft. Auch wir haben solche Teams, die das auf Bitten der Kapitäne machen können. Das ist die eine Möglichkeit, aber die andere Seite ist, wenn man sich wehrt oder wenn man Besatzungen bewaffnet, was ja auch immer wieder diskutiert wird, dann besteht ganz klar die Gefahr der Eskalation und dann wird es nicht mehr unblutig ausgehen. Das, glaube ich, ist sehr viel schlimmer als das, was wir jetzt erleben.

    Heinlein: Sie haben mehrfach betont, Herr Feldt, absolute Sicherheit gibt es nicht. Lässt sich denn dieser Kampf gegen die Piraten militärisch gewinnen, oder braucht es letztendlich eine politische Lösung dieses Konfliktes?

    Feldt: Ich denke, beides muss parallel nebeneinander herlaufen, auch zeitgleich. Sicher sind die militärischen Operationen notwendig. Und wenn Sie bedenken: Wir haben im Dezember angefangen. Es ist jetzt eine gute Koordination zwischen den Unterschiedlichen erreicht, die dort tätig sind. Es braucht etwas länger Zeit, um damit auch einen deutlicheren Erfolg als bisher und eine Verminderung des Risikos zu erreichen. Das ist die eine Seite, aber auf der anderen Seite ist es notwendig, dass die Maßnahmen, die eingeleitet worden sind, fortgeführt werden - vor allen Dingen auch von der Europäischen Union - zur Stabilisierung in Somalia selbst . Die Europäische Union unterstützt ja sehr die Bildung der Regierung oder hat das getan und will jetzt auch weiter die Regierung unterstützen. Es ist auch notwendig, sehr notwendig, dringend notwendig - das möchte ich betonen -, sich um die innere Stabilität des Jemen Gedanken zu machen und die Regierung dort zu unterstützen. Das sind Maßnahmen, die parallel zur militärischen Operation notwendig sind, und beides zusammen kann und wird einen Erfolg bringen.

    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag der Präsident des Deutschen Marineinstituts, Ex-Vizeadmiral Lutz Feldt. Ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Bonn.