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Google-Urteil
"Kein Recht auf Vergessen eingeräumt"

Das Google-Urteil räume kein generelles Recht der Menschen auf Vergessen im Internet ein, sagte die Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, Birgit Rosenbaum, im Deutschlandfunk. Vielmehr müsse ein eindeutiger Löschungsgrund der personenbezogenen Daten vorliegen.

Birgit Rosenbaum im Gespräch mit Bettina Klein | 14.05.2014
    Das Google-Logo ist durch ein Brillenglas auf einem Bildschirm zu sehen.
    Was sieht und weiß Google alles über den Internetnutzer? (dpa / Martin Gerten)
    Die großen Suchmaschinen wie Google und Yahoo säßen dieses Urteil sicher erst einmal aus, sagte die Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, Birgit Rosenbaum, im Deutschlandfunk. Laut Rosenbaum wird sich die Bereitschaft der Unternehmen, personenbezogene Daten zu löschen, nicht erhöhen.
    Auch sei in den Medien ein falscher Eindruck erweckt worden. Es herrsche nämlich durch das Urteil jetzt kein generelles Recht auf Vergessen im Internet. Vielmehr müsse ein eindeutiger Löschungsgrund der Daten vorliegen. Dies sei der Fall, wenn Daten nachweisbar falsch sind oder überholt. Nicht gelöscht werden muss, wenn ein legitimes öffentliches Interesse an den beanstandeten Darstellungen im Internet herrsche.

    Dirk Müller: Sensible persönliche Daten können aus dem Internet gelöscht werden, wie beispielsweise eine private Insolvenz, die viele Jahre zurückliegt und längst ausgeglichen ist. Das hat der Europäische Gerichtshof nun entschieden. Ein Sieg für den Kläger gegen den Netzriesen Google. Meine Kollegin Bettina Klein hat über das Urteil mit der Rechtsanwältin Birgit Rosenbaum gesprochen. Wenn mich ein Beitrag bei Google stört, der mit meinem Namen verbunden ist, was kann ich konkret tun, noch bevor ich eine Klage einreiche?
    Birgit Rosenbaum: Bevor die Klage gegen Google eingereicht wird, kann man Google unmittelbar anschreiben und um Löschung solcher Beiträge bitten. Das war im Übrigen auch vor dem Urteil schon möglich. Nur das Urteil ebnet jetzt tatsächlich den Weg, an Google Deutschland quasi heranzutreten.
    Bettina Klein: Wie läuft das rein praktisch ab, per E-Mail, oder wie macht man das am besten?
    Rosenbaum: Ja, Google bietet eigene Möglichkeiten an. Da muss man sich durch die Google-Seiten mal durchklicken und dann findet man Möglichkeiten, sich zu beschweren. Da gibt es ein ganz eigenes Beschwerde-Management und es bietet sich an, das darüber zu machen.
    Alle Suchmaschinen vom Urteil betroffen
    Klein: Wir sprechen jetzt immer von Google, aber es gibt ja noch ganz viele andere Suchmaschinen. Sind die alle in gleicher Weise von diesem Urteil betroffen?
    Rosenbaum: Ja, auf alle Fälle. Es geht hier auch um Yahoo und wie sie alle heißen. Die sind alle gleichermaßen betroffen. Wichtig ist, dass die Suchmaschine tatsächlich in Deutschland in irgendeiner Form eine Dependance betreibt, damit man die Rechte gegenüber dem deutschen Betreiber durchsetzen kann.
    Klein: Das Urteil kann angewendet werden auf Suchmaschinen, aber auch darüber hinaus?
    Rosenbaum: Im Moment nicht darüber hinaus. Das bezog sich nun wirklich auf Suchmaschinen speziell und welchen Status diese Suchmaschinenbetreiber haben. Gerade die ausländischen Suchmaschinenbetreiber und dann auch die Funktionalitäten der Suchmaschinenbetreiber wurden in diesem Urteil beleuchtet. Darüber hinaus, würde ich jetzt im Moment auf den ersten Blick sagen, haben wir da keine Auswirkungen.
    "Google und Co. werden abwarten, wie sich die Verbraucher verhalten"
    Klein: Sie haben gesagt, bisher gab es auch schon die Möglichkeit, sich an Suchmaschinenbetreiber zu wenden mit der Bitte, Einträge zu löschen. Meinen Sie, dass dieses Urteil jetzt die Bereitschaft von diesen Firmen erhöhen wird, auf die Wünsche der Nutzer einzugehen?
    Rosenbaum: Ich denke nicht, dass sich das jetzt schlagartig alles ändert, sondern dass die Suchmaschinenbetreiber das eher aussitzen werden, weil die außergerichtliche Geltendmachung zieht ja nicht zwangsläufig gerichtliche Konsequenzen nach sich, und ich denke, das werden die erst mal ganz gelassen abwarten, ob die Leute tatsächlich klagen, weil immerhin ist das ein recht hoher Aufwand, eine Klage einzureichen und durchzuziehen, und ich denke, da wird Google einfach - - Google und Co. werden abwarten, wie sich die Verbraucher verhalten.
    Klein: Sie rechnen nach wie vor damit, dass, wenn ein Nutzer sich da durchsetzen möchte, er letzten Endes doch den Weg zum Gericht beschreiten muss?
    Rosenbaum: In vielen Fällen ja. In den offensichtlichen Fällen hat Google schon immer gelöscht. Da gab es eigentlich nicht so allzu große Probleme.
    Klein: Was waren offensichtliche Fälle?
    Rosenbaum: Bei personenbezogenen Daten war es kritisch, aber wenn wirklich Verleumdungen zum Beispiel irgendwo waren, oder wenn es Unterlassungstitel gab, dann hat Google schon immer gelöscht.
    "Personenbezogene Daten können unter gewissen Umständen gelöscht werden"
    Klein: Genau das wird jetzt dennoch ein großes Thema werden, Frau Rosenbaum, nämlich was hat die Chance, gelöscht zu werden, und wo droht ein Kampf vor Gericht. Können Sie ein Beispiel nennen, was sich da möglicherweise geändert hat?
    Rosenbaum: Ja. Es ist so: Es wird im Moment immer gesagt, es wäre das Recht auf Vergessen eingeräumt worden. Dem ist nicht so, sondern der EuGH hat einfach klargestellt, dass personenbezogene Daten unter gewissen Umständen gelöscht werden können, und es sind da Voraussetzungen einfach notwendig. Es ist notwendig, dass es einen Löschungsgrund für diese Daten gibt, entweder weil sie zeitlich überholt sind und es kein Interesse mehr an der Speicherung dieser Daten gibt – das ist zum Beispiel ein Grund, aber der muss dann auch explizit vorgetragen werden -, oder falsche Daten können immer gelöscht werden. Da gibt es eigentlich überhaupt gar keinen Grund, solche Daten zu speichern. Und es gibt bei Daten dann ein Problem, wenn sie auf rechtmäßige Art und Weise gespeichert wurden und es auch ein aktuelles Informationsinteresse daran gibt.
    Klein: Frau Rosenbaum, das klingt wirklich danach, dass jede Menge noch präzisiert werden muss. Ist jetzt auch der Gesetzgeber gefragt, um die ganzen Lücken, die sich da jetzt auftun, weil man ja gar keine Erfahrungen hat, da zu schließen?
    Rosenbaum: Nein. Ich denke nicht, dass der Gesetzgeber da gefordert ist. Ich denke, dass die Justiz gefordert ist. Das ist grundsätzlich so in diesen Bereichen. Wenn man es mit dem Presserecht vergleicht, da sieht man es auch. Es ist einfach die Frage, was möchte die Gesellschaft, wie sind die gesellschaftlichen Standards, was wird erwartet, und da passt sich die Gesetzgebung an und guckt einfach, was ist erlaubt, was ist nicht erlaubt.
    Müller: Meine Kollegin Bettina Klein im Gespräch mit der Rechtsanwältin Birgit Rosenbaum.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.