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Goppel

Michael Groth |
    Groth: Ihre Schwesterpartei, Herr Goppel, hat in dieser Woche wieder für Schlagzeilen gesorgt. Die Vorsitzende hat eine falsche Personalentscheidung korrigiert, zugleich ist mehr und mehr von einer Konkurrenz zwischen Angela Merkel und dem Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Merz, die Rede. Kurz gesagt: Die CDU beschäftigt sich nach wie vor vor allem mit sich selbst. Sieht man da als CSU unbeteiligt zu und hofft, dass sich die Wogen glätten?

    Goppel: Die Entscheidung, den Kollege Polenz auszuwechseln und an seine Stelle den Herrn Laurenz Meyer aus Nordrhein-Westfalen zu setzen, ist nicht die Korrektur einer falschen Entscheidung. Polenz ist ein ganz ungewöhnlich zuverlässiger, ehrlicher und seriös argumentierender, konsequenter Kollege gewesen. Was ihm nicht gelegen hat, ist das große Theater und die aufgeschäumte Woge. Das ist nicht sein Geschäft. Darüber kann man sicherlich streiten, ob das heute notwendig war. Das lag sicher auch daran, dass Angela Merkel selber als Vorsitzende, die nicht ein großes Mandat – Kanzler, was weiß ich – hat, gemeint hat, dass diese Aufgabe ihr selbst überlassen bleiben sollte. Und insoweit ist es die Korrektur, eine zusätzliche Stimme zu gewinnen – zu der besonnenen von sich selbst zu der gelegentlich auch falschen von Friedrich Merz hinzu. Und das wird mit Laurenz Meyer gelingen, das ist meine Überzeugung. Ein Wettkampf zwischen Friedrich Merz und Angela Merkel ist erstens mal im System angelegt, und deswegen nichts besonderes. Der Fraktionsvorsitzende ist derjenige, der die beiden Gruppen – die CSU und die CDU – im Bundestag zusammenführen muss. Dadurch verändern sich die Positionen schon von Grund auf. Das Zweite ist: Er muss gelegentlich aus dem Stand heraus auch Positionen verändern, wenn man im Bundestag mehrheitsfähig bleiben will bzw. konsensfähig, oder aber auch widerstandsfähig. Dadurch ist er gelegentlich ganz nach vorne geschoben, und eine Beschwerde darüber, dass er nicht uniform daherkommt, halte ich für nicht zulässig.

    Groth: Die Trennung, sagen Sie, liegt im System. Aber man kann ja das System ändern. Man kann Parteivorsitz und Fraktionsvorsitz in eine Hand legen. Wäre das im Sinne einer schlagkräftigen Opposition nicht sinnvoller?

    Goppel: Das ist die eine Sichtweise; ich würde ihr nicht widersprechen. Im Sinne der Presse ist die Lösung, die wir jetzt haben, sicherlich sehr viel besser, weil sie hinter alles etwas geheimnissen sollten. Sie sollten sich die Vielfalt nicht nehmen, weil sie auf die Weise Gelegenheiten zur Diskussion haben. Und womöglich ist es sogar das Rezept der CDU, dass sie sich durch zwei Spitzen eine Möglichkeit der jeweiligen Differenzierung in der Darlegung geben. Wir haben es da durchaus gelegentlich leichter – und schwerer zugleich. Wenn Edmund Stoiber etwas äußert, halten sie uns für festgelegt, obwohl der eine oder andere durchaus differenziert argumentiert. Im umgekehrten Fall halten sie die Position für nicht festgelegt, weil zwei unterschiedlich nuancieren. Die Wahrheit liegt in der Mitte.

    Groth: Hat sich Frau Merkel vor dem Rauswurf des Generalsekretärs mit Edmund Stoiber abgestimmt?

    Goppel: Ich weiß, dass wir drei oder vier Stunden vor der Presse an dieser Stelle wussten, dass so etwas auf uns zukommt. Inwieweit das eine Abstimmung war, weiß ich nicht. Es ist jedenfalls - aus unserer Sicht - kein Grund, die eine wie die andere Person in Frage zu stellen.

    Groth: Die Frage bleibt: In welche Richtung treibt das Schiff der Union? Bislang schlingert es zwischen Frau Merkel, die sich inhaltlichen Festlegungen – das ist mein Eindruck – erfolgreich verweigert und der eher konservativen Position des Fraktionsvorsitzenden.

    Goppel: Also, dass man treibt, ist natürlich für ein Schiff eine dramatische Bewertung, die Sie da vornehmen – die lasse ich auch nicht gelten. Wenn es ein Floß wäre, würde ich vom ‚treiben‘ reden lassen mit mir, aber beim Schiff gehe ich fest davon aus, dass wir einen klaren Motor haben, der die inhaltlichen Positionen vorgibt. Und wenn Sie mit mir die Reihe durchgehen – von Rente über Gesundheit und anderes mehr –, dann hat die Opposition die festen Positionen. Und die Regierung vermittelt durch ständiges Wechseln ihrer Position den Eindruck, als ob die Union und die Opposition unstet wäre. Das ist nicht wahr. Es ist genau das Gegenteil der Fall: Riester anders als Müller, Müller anders als Fischer, Fischer anders als Schröder, Schröder als Trittin. Das erleben wir jeden Tag - und dazwischen die Union. Und jedes Mal wird unsere Distanz zum Vorschlag eines Regierungsmitgliedes gemessen. Dass wir da immer unterschiedlich aussehen, sollten Sie nicht falsch beurteilen - am Ende mit einer ‚getriebenen Institution‘. Das sind wir nicht. Wir sind unterwegs in klarer Richtung, was die Inhalte angeht. Gelegentlich wird in der CDU ein größerer Wert auf die Personaldiskussion gelegt, das beklage ich auch. Aber das ist letztlich dem Inhalt nicht hinderlich; es stört in der Wahrnehmung.

    Groth: Muss sich die CSU irgendwann entscheiden, ob sie weiter konsequent bayerische Politik betreibt, die außerhalb des Freistaates zwar Beifall findet insgesamt in der Republik, aber wohl nicht mehrheitsfähig ist, oder ob sie sich öffnet auch für Positionen, die im Weltbild der Partei bislang nicht vorkommen?

    Goppel: Es gibt kein offeneres Weltbild als das des Christen, weil er als Maß seiner Entscheidungen den andern nimmt, und der andere wohnt ja auch außerhalb der Grenzen. In allen anderen wird eher auf den nationalen Rand geguckt, auf die Nachbarschaft des Einzelnen, auf die Schwäche von anderen usw.. Den anderen in seiner Stärke und in seiner Entwicklungsfähigkeit ernst nehmen, das ist das weltoffenste Menschenbild, das es gibt. Und insoweit brauchen wir uns da nicht ändern. Wir brauchen uns auch nicht ändern, was die bayerischen Zielsetzungen angeht, soweit sie bundesdeutschen Konsens und ähnliches in Europa für sich reklamieren müssen. Ganz im Gegenteil, denn die letzte Konferenz, in der Gerhard Schröder, die Ministerpräsidenten, die Wirtschaftsbosse aus ganz Deutschland zusammen waren - auf Einladung von Bertelsmann -, sah ja die deutsche Bundesregierung sehr wohl sehr interessiert die bayerische Position zur Europapolitik – zu übernehmen, ist vielleicht ein klein bisschen übertrieben, aber jedenfalls dorthin einzulenken und ganz konsequent in der gleichen Richtung ein gewissen Maß an Skepsis da einzubringen, wo zu viel Eigenständigkeit in Europa an der Garderobe abgegeben werden müsste. Dass das die Kleinen wünschen, ist klar; dass das ein Großer nicht haben wollen darf, ist ebenso wichtig.

    Groth: Sie geben das Stichwort – Europa. In der Europapolitik sind ja auch Unterschiede zwischen CDU und CSU zu erkennen. Dabei scheint es vor allem um das Tempo der Erweiterung zu gehen. Führende CDU-Politiker fordern den raschen Beitritt der osteuropäischen Kandidaten, Edmund Stoiber plädiert eher für Zurückhaltung. Kann man hier demnächst eine gemeinsame Linie erwarten?

    Goppel: Das wird sich daran entscheiden, inwieweit wir die innere Konsolidierung der europäischen Staaten doch auch als gemeinsames Ziel erkennen. Wenn wir uns darauf einigen, dass wir nach innen bestimmte Positionen festhalten müssen – das ist die Frage, wie gehen wir mit den Südländern um, wenn der Sozialfond wieder zur Ausschreibung ansteht, es ist die Frage: Haben wir daraus Mittel übrig für die Osterweiterung; sind wir in der WEU, in der europäischen Verteidigungsunion, ein Riesenschritt weiter; schaffen wir es, dass wir in unseren eigenen Grenzen ein gemeinsames Zuwanderungsrecht mit europäischen Grenzen bekommen; ist es möglich, die Umweltbedingungen, die wir formulieren, in allen Ländern gleich zu handhaben. Wenn wir das schaffen, einigermaßen ins Lot zu kriegen, dann ist das Tempo sicher keine Frage der Vereinbarung mehr, sondern es ergibt sich automatisch. Wenn wir allerdings die innere Diskussion nicht führen, dann bleiben wir im Tempo anfordern weit auseinander. Und dann ist es schon wichtig, noch mal mit den einzelnen zu reden. Und dann werden auch innerhalb der Union – Volker Rühe und Edmund Stoiber – sehr, sehr heftig miteinander sprechen müssen.

    Groth: Ein Wahlkampfthema? Könnten Sie sich das vorstellen?

    Goppel: Das bestimmt wieder mal die Regierung. Wenn die Bundesregierung dabei bleibt – so wie im letzten Jahr, die ‚Berliner Runde‘, wo sie ja Vorsitz hatte in der Europäischen Union, der Kommission – die Berliner Runde dazu zu nutzen, allen anderen Zugeständnisse zu machen und bei sich selbst nur sich dafür ins Zeug zu legen, damit da gute Stimmung herrscht und die deutschen Interessen zu vergessen, dann ist das Thema 2002 sicher ein Wahlkampfthema. Wenn die Bundesregierung beim Euro – wie der Bundeskanzler jüngst sagt, die Euroschwäche sei nicht so dramatisch, sie erhöhe die Exportrate, ohne zu vergessen, dass dadurch seine Ökosteuer besonders unangebracht ist, weil die Euroschwäche hinzukommt, dann wird das ein Wahlkampfthema. Wenn die Bundesregierung sich darauf besinnt, dass es in Europa gilt, Deutsche und deren Länderinteressen wahrzunehmen und dort auch dann sagt, dass wir mit mehrfacher Stimme in Europa rechtzeitig Einhalt gebieten können, wo es im Tempo übertreibt etc., dann ist es kein Wahlkampfthema. Dann allerdings - will ich auch ausdrücklich sagen - wäre eines der schönen Themen, auf die ich mich freue, weil sie die Bundesregierung besonders deutlich als untätig und auf der falschen Strecke befindlich aufzeigen – das Thema wäre mir dann genommen im Wahlkampf. Als General freute ich mich drauf, wenn die Bundesregierung so schwach bei Europa bleibt.

    Groth: Bleiben wir mal bei potentiellen Wahlkampfthemen. Friedrich Merz hat im Zusammenhang mit der Zuwanderungsdebatte den Begriff ‚Leitkultur‘ aufgegriffen. Für Sie eine glückliche Wortwahl?

    Goppel: Jeder Begriff, den wir verwenden, hat seine Geschichte, und jeder Begriff hat seinen Standort und Stellenwert. Und das gilt auch für diesen Begriff Leitkultur. Es gibt Zusammensetzungen von Gremien, es gibt internationale Diskussionen, in denen dieser Begriff missverstanden werden kann. Deswegen muss man aufpassen, wo man ihn anwendet. Im Deutschen Bundestag war er gerechtfertigt; in der Diskussion – da, wo Friedrich Merz ihn eingebracht hat, war es kein Problem. Ich glaube, es ist sinnvoll, wir einigen uns darauf, dass damit gemeint ist: Unser Grundgesetz, an dem wir uns orientieren und das als ‚Hausordnung‘ für alle gilt, für Familie und Gäste, und aus dem sich keiner verabschieden kann. Wenn es denn so ist, dann heißt das, dass die Minderheiten dieselben Rechte haben wie die Mehrheiten, und keine Vorrechte. Und wenn uns das gelingt, dem Bürger klarzumachen, dann wird die Sorge um Zuwanderung und deren Ausweitung zurückgehen. Er hat nur heute sehr häufig den Eindruck – auch durch unsere manchmal einseitigen Diskussionen in der Öffentlichkeit –, dass die Minderheiten mehr Rechte haben als die Mehrheit. Und das müssen wir uns schon gemeinsam sehr genau überlegen. Ich finde, es darf in einem Rechtsstaat, wie wir ihn haben, kein Missverständnis darüber aufkommen, dass Gleichheit vor dem Gesetz nicht mit der Größenordnung der Gruppe zusammenhängt, in der ich mich befinde.

    Groth: Ausgelöst wurde die Debatte durch die von Merz formulierte Vorstellung, die Einwanderung auch im Wahlkampf zu thematisieren – eine Vorstellung, der führende CDU-Politiker kritisch gegenüberstehen, unter ihnen wohl auch Frau Merkel. War es richtig, diese Debatte schon jetzt zu führen, immerhin knapp zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl?

    Goppel: Im Wortlaut hat der Friedrich Merz gesagt: ‚Wenn die Bundesregierung dieses Thema nicht aufgreift, wird es 2002 wohl ein Wahlkampfthema werden‘. Darin pflichte ich ihm bei, und es wird nicht anders sein. Denn der Druck, der einerseits von außen auf uns mit der Zuwanderung besteht, wird größer. Zweitens: Der Wunsch und unsere – ja, wirklich der Wirtschaft zuliebe – notwendige Öffnung, um jemanden hereinzuholen, der hoher Spezialist ist, wird immer größer. Und gleichzeitig wird natürlich auch die Frage: Wie viel kann man in einem Land mit begrenzten Ressourcen – auch was Wohnung und anderes anbelangt – denn zusätzlich hereinbitten, und dabei nicht auch darauf achten, dass unterschiedliche Interessen gewahrt werden. Diese Frage wird die Bevölkerung so beschäftigen, dass sie eine Partei – egal welche – nicht im Wahlkampf heraushalten kann. Im übrigen bestimmen die Mitbürger, was zum Thema gemacht wird. Und ich will hier ausdrücklich sagen: Wenn der Kanzler versucht, es zu tabuisieren, dann beschafft er sich’s garantiert. Das haben wir doch immer erlebt: Wenn einer etwas verbieten will, ist die Folge die noch viel größere Interessenslage.

    Groth: Der saarländische Ministerpräsident Müller sitzt der Kommission vor, die die CDU-Position zur Zuwanderung ausarbeitet. In einem Papier Müllers heißt es unter anderem – ich zitiere: ‚Das Boot ist nicht voll‘, und an anderer Stelle ‚Deutschland ist ein Einwanderungsland‘. Stimmen Sie zu?

    Goppel: Ich habe vorhin bei der Leitkultur eine differenzierte und je nach Standort und Stellenwert notwendige klare Definition oder Präzisierung gefordert. Dasselbe gilt hier. Also, so dumm wie der Begriff vom Boot, das voll ist, genannt worden ist – denn da gibt’s wiederum viele Interpretationsmöglichkeiten –, so wenig endgültig durchdacht scheint mir der umgekehrte, dass es nicht voll sei. Es ist sicher richtig, dass wir in Deutschland für die Bewältigung unserer Aufgaben und für die Garantie unserer Konditionen zwischen den Generationen – von Rente bis Gesundheit und alles andere – sehr wohl mehr Mitbürger brauchen, die auf die Dauer dort finanzieren, als wir heute haben. Und insoweit haben wir einen Zuwachsbedarf. Es ist deswegen noch lange nicht diskutiert, wo wir ihn her haben. Und wenn man dann den Begriff von dem nicht vollen Boot übrig lässt, dann gerät aus dem Blickwinkel unsere eigene Verpflichtung, die junge Generation darauf aufmerksam zu machen, dass sie das Problem auch durch eigene Aktivität lösen kann. Mir ist das zu defätistisch, das Boot ist nicht voll. Es wäre mir wichtig, es würde jemand sagen: ‚Hört mal, wir haben Platz. Kümmert Euch drum, dass wir selbst die Kraft haben, das zu bewältigen‘. Das wäre die erste Botschaft, die rüberkommen muss. Die zweite ist: ‚Wir haben zwar Kraft, aber es fehlen uns tüchtige Leute, die anderswo verfügbar sind. Wir wollen sie einladen.‘ Das ist die zweite Einladung, die müsste an zweiter Stelle stehen. An dritter steht: ;Wir haben eine Menge von Aufgaben, die bei uns unerledigt sind. Gibt’s denn jemanden bei Euch, der uns dabei hilft, das zu erledigen?‘ Das ist das dritte. Und im gleichen Atemzug wird für alle drei formuliert: Wenn jemand Not in der Welt empfindet, die er daheim nicht lösen kann, wo er Verfolgung befürchten muss, dann soll er bei uns auf Zeit – eine unbestimmte Zeit letztlich – Herberge finden, bis sich zu Hause bei ihm die Verhältnisse so ändern, dass er wieder ohne Probleme nach Hause kann. Aber das setzt voraus, dass wir uns einig sind: Er muss nach Hause – oder sie –, wenn das Problem sich nicht mehr stellt. Und das setzt voraus, dass wir auch ganz klar sagen: Die Zahl, die kommen kann, muss sich auch nach dem anderen Gemenge richten. Und dann wird es ganz wichtig, dass wir die europäische Thematik nicht aus dem Auge verlieren, denn wir können die Kosovaren und die Bosnier und die anderen aus dem vormaligen Jugoslawien nicht alle in Deutschland oder in Bayern unterbringen oder in Österreich, die man unnötigerweise so beschimpft hat, sondern – wenn, dann brauchen wir die in ganz Europa. Dann müssen die Briten ebenso ran, wie wir umgekehrt ran müssten, wenn aus dem Norden ähnliches dräute.

    Groth: Bundesregierung und Bundesrat wollen demnächst in Karlsruhe einen Antrag auf Verbot der NPD stellen. Bayerns Innenminister Beckstein war einer der ersten, die dies forderten. Steht nach dem erfolgreichen Kampf gegen die Republikaner dahinter auch der Wunsch der CSU, auf der rechten Flanke nicht von einer anderen Partei bedroht zu werden?

    Goppel: Nein, das ist zu kurz geschossen. Die CSU ist an dieser Stelle nach meiner Überzeugung - in der Verantwortung als Partei für den Freistaat Bayern - die einzig konsequente in Deutschland. Sie tut sich dabei leicht, weil sie nur für Bayern zuständig ist – das will ich ausdrücklich hinzu bemerken. Aber wir beobachten sowohl die linke wie die rechte Szene. Die PDS steht bei uns im Verfassungsschutzbericht - wie die NPD. Und wenn wir feststellen, dass an einer Seite einer übers Ziel hinausschießt - dass die Materialsammlung hergibt, dass da jemand aus dem Verkehr gezogen werden muss -, ist Günter Beckstein konsequent. Die Tatsache, dass er bei der NPD so konsequent ist und Herr Schily ihn unterstützt und einige andere Länderministerpräsidenten und Innenminister auch, ist ein Beleg dafür, dass auch unser Bericht in Fragen Linksextremismus sehr seriös zu sein scheint. Denn man kann nicht einmal seriös und einmal unseriös sein, es ist immer der gleiche Maßstab. Das heißt, wir haben links einen Prüfungsnachholbedarf in ganz Deutschland, wir haben in Bayern auf der rechten Seite keinen. Die Republikaner sind bei uns zurückgegangen, weil die Themenstellung hier nichts hergibt für sie. Und was die NPD angeht, ist soviel – jedenfalls aus den Materialberichten – soviel Zusammenhang mit Gewaltszene zu erkennen, dass man vom Verfassungsgericht in aller Ruhe prüfen lassen muss – je schneller, desto lieber – trotzdem prüfen lassen muss, ob man diese Mannschaft nicht aus dem Verkehr zieht. Die NPD ist ein gefährliches Instrument für alle diejenigen, die ihre Gewalt politisch verbrämen wollen. Und – das meine ich – bedarf des dringenden Einhalts.

    Groth: Mit Blick nach links werden vom bayerischen Verfassungsschutz auch Teile der PDS beobachtet. Was sagt die CSU eigentlich zu den Stimmen aus der SPD, die sich für eine engere Zusammenarbeit mit den Postkommunisten aussprechen – bis hin zu einer möglichen Verschmelzung?

    Goppel: Dass sich die SPD an der Stelle, um sich einen weiteren Koalitionspartner für die Zukunft zu sichern – unabhängig davon, wo er politisch steht –, die PDS sich immer wieder offen hält, ist ein Zeichen dafür, dass sie noch nicht gelernt hat, mit den demokratischen neuen Verhältnissen so umzugehen, wie sich das gehört. Der linke Block ist weggebrochen. Wenn die SPD so weltoffen sein möchte, wie Gerhard Schröder das der ganzen Welt bekundet – im eigenen Auftreten und in den politischen Zielen, die er täglich verändert, dann muss er eigentlich an der Position durchaus auch einen Strich ziehen und sagen: ‚Mit extremen und extremistischen Kräften – ob links oder rechts – habe ich nichts zu tun‘. Mir gefällt unsere politische Linie der CSU da besser. Wir wissen, wie man sich sowohl links wie rechts abgrenzt. Das kennzeichnet eine gute, solide und zukunftsträchtige Volkspartei.

    Groth: Am 9. November wird es am Brandenburger Tor eine große Demonstration gegen Gewalt und Rassismus geben. Der Bundespräsident wird sprechen, der Bundestag wird seine Sitzung unterbrechen, um den Abgeordneten die Teilnahme zu ermöglichen. Die CDU gehört zu den Mitveranstaltern, die CSU will nicht teilnehmen. Warum?

    Goppel: Ganz so schlimm ist es nicht. Die CSU ist in die Vorbereitung dieser Veranstaltung nicht eingebunden. Das spricht für die Veranstalter-Gründung-Crew Rot-Grün – Müntefering und Bütikhofer –, die die CSU nicht eingeladen haben und drei Wochen lang überhaupt nicht am Gespräch beteiligten. Die CDU wusste zwar, und wir wussten über die CDU, dass man da arbeitet, aber ich lade mich nicht selbst ein, ganz im Gegenteil. Am Donnerstag habe ich die ersten Lebenszeichen dieser Demonstration von den Veranstaltern bekommen und damit verbunden die Bitte, die Veranstaltung mitzumachen, gleichzeitig zu unterschreiben, was man mit anderen ausgehandelt hat – ohne uns zu beteiligen, und gleichzeitig zu akzeptieren, wie die Veranstaltung abläuft. Wir werden hingehen, weil an diesem 9. November wichtige Themen einer gemeinsamen Dokumentation und Demonstration bedürfen – gar keine Frage, und das Thema ‚Für Menschlichkeit und Toleranz‘ ist selbstverständlich auch unseres. Aber wir dokumentieren durch unsere Nichtunterschrift und dadurch, dass wir uns nicht zu den Veranstaltern nachträglich ziehen lassen, dass wir erstens von der PDS eine andere Distanz halten, als der Rest dieser Welt; zweitens, dass wir ganz konsequent sagen: Was wir nicht erarbeitet haben, können wir nicht nachträglich unterschreiben. Ich kenne den Geist des Papiers in seinen Einzelheiten und in den Nuancen der PDS zum Beispiel nicht, und deswegen kann ich da an dieser Stelle nicht unterschreiben. Das hindert nicht daran, dem Bundespräsidenten und dem Vertreter der jüdischen Gemeinde, Herrn Spiegel, am Brandenburger Tor zuzuhören und da, wo das notwendig und richtig ist, beizupflichten. Aber die Formulierungen in dem Aufruf wären mit uns sicher so nicht entstanden. Da begibt sich der freiheitliche Rechtsstaat durch seinen Innenminister, den Bundeskanzler, den Bundespräsidenten, wenn ich recht sehe, auch den Bundesratspräsidenten und eine Reihe anderer durch ihre Unterschrift aus der Verpflichtung, für die Sicherheit in diesem Staat zuständig zu sein. Denn wer sagt: ‚Wir fordern alle Anständigen auf, mit uns aufzustehen gegen Gewalt‘, statt als Staat zu sagen: ‚Ich sorge dafür, dass es solche Aufstände nicht gibt, ich freue mich über die Unterstützung der Bürger‘, der dreht die Maßgaben um. Er ist nicht mehr Herr der Dinge. Und das halte ich für ein schlimmes Signal, wenn wir unsere Aufgaben ernst nehmen. Wir hätten das gerne anders formuliert – als Auftrag des Staates an die Bürger, sich in einer solchen Situation zu bekennen, aber nicht an die Stelle des Staates zu treten. Das ist zuviel verlangt.

    Groth: Was, Herr Goppel, kann Bayern eigentlich tun, um nach dem Abstimmungsdesaster über die Steuerreform eine weitere Niederlage dieser Art im Bundesrat zu vermeiden. Wäre etwas mehr Sensibilität für die Anliegen der ärmeren Nordländer angebracht, zumal solche, die wie Bremen oder Brandenburg mit Beteiligung der CDU regiert werden?

    Goppel: Ich weiß nicht, ob wir mehr Sensibilität brauchen. Die Sensibilität wird ja letztlich in jedem Jahr weiteren Länderfinanzausgleiches schon seit Jahren gewahrt. Die Sensibilität wird deutlich in einer ganzen Reihe von Diskussionen der letzten Monate. Da hakt niemand nach, dass Berlin schwach geworden ist bei der Steuerdiskussion. Wir verlassen uns in der Zukunft nicht mehr so sehr darauf, dass das Wort gilt, das uns da der eine oder andere gibt. Wir rechnen damit, dass er auch ein anderes Mal schwach wird. Das heißt, wir müssen die politischen Positionen sehr wohl nach den Interessenlagen der Länder und weniger nach denen einer Partei formieren. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir jenseits der Suche nach Einvernehmen mit der CDU und ihren Landesverbänden und Ministerpräsidenten selbstverständlich auch die bayerischen Interessen anders abzusichern suchen.

    Groth: Immerhin hat Bayern auch in Karlsruhe auf eine Neuordnung des Länderfinanzausgleichs geklagt. Die Ministerpräsidenten haben sich in Schwerin jetzt da noch nicht groß einigen können. Das spricht doch eher für einen Konfrontationskurs?

    Goppel: Die Tatsache, dass Bayern klagt und im Länderfinanzausgleich darauf Wert legt, dass wir die ausgleichenden Verpflichtungen der Länder mit Mehreinnahmen darauf beschränken, wirkliche Ausgleichsmaßnahmen zu finanzieren, statt anderen Ländern, die Bedarf haben, das Geld nach Gusto zu überlassen, die sagt überhaupt nichts aus über die Bereitschaft, zu zahlen. Und jeder weiß, dass alle, die geklagt haben, für sich reklamieren, dass sie nicht die Bereitschaft, zu zahlen, einstellen, sondern die Bereitschaft, jeden Jux mitzumachen, während man sich bei sich selbst das Geld vom Munde abspart. Wir haben die Situation, dass wir Lehrer nicht einstellen können, weil in Niedersachsen die Sozialhilfe angehoben wird. Das muss ein Ende haben.

    Groth: In dem nun seit schon einem Jahr sehr unruhigen Unionsgewässer bildet die CSU eine Insel der Stabilität. Edmund Stoiber nutzt jede Gelegenheit, sich auf der Berliner Bühne als Staatsmann zu präsentieren, der – ganz anders als die kleinkarierten CDU-ler – das große Ganze im Auge hat. Wer eins und eins zusammenzählt, der fragt sich, ob demnächst nach Strauß noch ein CSU-Vorsitzender nach der Kanzlerkandidatur greift. Ich frage Sie.

    Goppel: Ich finde interessant, dass sich das so viele fragen. Mir gefällt an dieser Darstellung, dass wahrgenommen wird in Deutschland, dass man mit einer soliden vernünftigen Arbeit erstens Mehrheiten im eigenen Land erzielt, und zweitens auch in der Lage ist, als ein Fels in der Brandung zur Kenntnis genommen zu werden. Die beiden Komplimente für Edmund Stoiber sind diejenigen – glaube ich –, die wir gemeinsam dankbar empfinden in der CSU. Das sagt aber auch, dass wir uns außerordentlich schwer tun würden, auf ihn zu verzichten und ihn irgendwo anders hinzustellen. Die Frage, ob er eine Spitzenkandidatur für Deutschland anstrebt, entscheidet sich 2002 und garantiert nicht früher, denn das wäre ja das, was gerne die Regierung hätte - einen schon benannten oder eine schon benannte Gegenkandidatin jetzt zu verheizen.