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Gothaer-Chef: "Private Vorsorge dringend geboten"

In der Diskussion um die Gesundheitsreform warnt der Vorstandsvorsitzende der Gothaer Versicherung, Werner Görg, vor Abschottungstendenzen gegenüber den privaten Krankenversicherungen. Man müsse im Gegenteil die privat organisierten, kapitalgedeckten Vorsorgesysteme stärken. Nur so könnten die steigenden Gesundheitskosten im Alter gedeckt werden, betonte Görg.

    Liminski: Dem Philosophen Platon verdanken wir den nachdenkenswerten Satz: Das unablässige Reden über die Gesundheit ist auch eine Krankheit. – Immerhin haben die Deutschen mit diesem vielen Reden ein Gesundheitssystem entwickelt, das trotz der Kosten in der Welt seines Gleichen sucht. Zum System gehört auch die Unterscheidung zwischen den gesetzlichen und den privaten Kassen. Das viele Reden betrifft vor allem die Gesetzlichen, aber eben nicht nur. Mittlerweile müssen auch die Privaten über ihre Zukunft nachdenken. Das wollen wir nun zusammen tun mit dem Vorstandsvorsitzenden der Gothaer Versicherung Werner Görg. Guten Morgen Herr Görg!

    Görg: Guten Morgen Herr Liminski!

    Liminski: Herr Görg, dem Reden über die Reform der Krankenkassen ist zu entnehmen, dass die große Koalition einen Kompromiss, eine Mischform zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale plant. Wie sinnvoll ist das für die privaten Krankenversicherungen? Was würde sich für sie dadurch ändern?

    Görg: Nun, Herr Liminski, zum jetzigen Zeitpunkt ist der Kompromissvorschlag, den die Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt erarbeitet, natürlich noch nicht vollständig bekannt. Sollte es allerdings dazu führen, dass es gewisse Abschottungseffekte für die private Krankenversicherung geben wird, dann sind all diese Vorschläge in der Tendenz eher wenig hilfreich.

    Liminski: Was meinen Sie mit Abschottungsversuchen?

    Görg: Alle Vorschläge, die bisher unterbreitet worden sind, beinhalten im Wesentlichen auch, dass die substitutive Krankenversicherung den Unternehmen der privaten Krankenversicherung in Zukunft für das Neugeschäft nicht mehr eröffnet ist. Demzufolge wären die Krankenversicherungsunternehmen auf die Bereiche der Zusatzversicherung beschränkt. Hier allerdings können diese Unternehmen ihre wahre Stärke gar nicht ausspielen. Die nämlich liegt darin, dass sie Vorsorge dafür treffen, dass die Krankenversicherungsbeiträge im Alter steigen.

    Liminski: Steuern wir also auf eine Zwei-Klassen-Medizin zu? Wie könnte man das denn verhindern? Soll man es überhaupt verhindern? Entscheidet das Geld über die Gesundheit?

    Görg: Nein, sicherlich nicht. Zunächst einmal die Frage, wie man dies verhindern sollte, ist aus unserer Sicht eindeutig in der Weise zu beantworten, dass es privat organisierte, kapitalgedeckte Altersvorsorgesysteme und Krankenversicherungsvorsorgesysteme zu stärken gilt. Wir haben uns nach mühsamen langjährigen Debatten dazu durchgerungen, dass das am Generationenvertrag orientierte Rentenversicherungssystem nicht mehr funktionieren kann, wenn der Generationenvertrag selbst nicht mehr funktioniert. Zu dieser Erkenntnis muss man sich umso mehr im Bereich der Krankenversicherung durchringen.

    Man muss während der insbesondere jungen Lebensjahre Vorsorge dafür treffen, dass die Krankenversicherungsbeiträge und die Krankenversicherungsleistungen im Alter exorbitant steigen. Genau dafür benötigt man Sparbeiträge! Private Krankenversicherungsunternehmen tun dies, haben mittlerweile über 100 Milliarden Euro angesammelt, um die Krankenversicherungsbeiträge gerade von älteren Menschen in der Zukunft deutlich zu reduzieren. Genauso wie in der privaten Rentenversicherung ist auch hier ein starkes Element privater Vorsorge zwingend geboten und genau dies muss ein Reformvorschlag einer langfristig denkenden Politik auch beinhalten.

    Liminski: Und das sehen Sie nicht, um es klar zu sagen?

    Görg: Ich kann Ihnen diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar beantworten, weil ich schlussendlich den Kompromissvorschlag der Bundesregierung nicht präzise kenne. Die bisherigen Diskussionen, so weit ich sie verfolgen konnte, zeigen aber, dass nur sehr wenige Politiker bereit sind, den Mut aufzubringen, sich zu einer solchen privatwirtschaftlich organisierten Lösung auch im Bereich der privaten Krankenversicherung zu bekennen.

    Liminski: Ich will dieses Stichwort der 100 Milliarden Euro mal aufgreifen. In der Diskussion über das Gesundheitswesen taucht immer wieder mal der Gedanke auf, Hand an diese Rückstellungen der Kassen zu legen. Das könne manches finanzielle Problem lösen. Sollten die Kassen dann nicht auch einen Solidarbeitrag leisten, einen Teil der Rückstellungen für die Allgemeinheit opfern?

    Görg: Zunächst einmal muss man konstatieren, wenn ich diese Frage zunächst mal rein juristisch beantworten darf, dass diese 100 Milliarden natürlich angesammelt sind von privaten Versicherungsnehmern auch unseres Hauses und dass diese Beiträge angesammelt, angespart worden sind, um die eigenen Beiträge in der Zukunft in die Krankenversicherung zu reduzieren. Dies wiederum bedeutet, dass sie der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes unterliegen und demzufolge nicht enteignet werden können.

    Zum zweiten ist es so, dass der Solidaritätsbeitrag der Versicherungsunternehmen, der privaten Krankenversicherungsunternehmen pro Jahr nach einem Gutachten eines unabhängigen Instituts etwa 10 Milliarden Euro beträgt. Wie kommt dieser Betrag zu Stande? – Er kommt in der Weise zu Stande, dass private Krankenversicherungsunternehmen in ihrer Leistungsabrechnung in aller Regel mit höheren Entgelten seitens der Medizin belastet werden, als dies im gesetzlichen Krankenversicherungssystem der Fall ist. Anders ausgedrückt: Die privaten Krankenversicherungsunternehmen bezahlen bereits pro Jahr 10 Milliarden Euro in ein Krankenversicherungssystem, das, wenn die privaten Krankenversicherungsunternehmen mehr oder weniger abgeschafft würden, zur Unterstützung dieses Gesundheitssystems nicht mehr zur Verfügung stände.

    Liminski: Sie, also die Privaten, Herr Görg, schließen mit kleinen und mittleren Unternehmen Rahmenverträge ab, von denen die einzelnen Versicherten Vorteile haben. Sie haben sich eben etwas misstrauisch über das, was in der Politik zur Reform diskutiert und angedacht ist, geäußert. Wenn sich nun die Grundlage ändert, sind solche Rahmenverträge dann noch machbar?

    Görg: Nein. Gerade unser Haus, der Gotha-Konzern, zeichnet sich besonders dadurch aus, dass er im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen in besonderer Weise aktiv ist. Wir sind eine Gründung von Kaufleuten für Kaufleute und so hat der Gotha-Konzern schon früh das Produkt der kollektiven Krankenversicherung entwickelt. Will sagen: Wir bieten Arbeitgebern an, kollektive Verträge für die Summe aller Mitarbeiter abzuschließen und die hieraus resultierenden Größenvorteile im Sinne einer Reduzierung der Prämie an die Mitarbeiter weiterzugeben. Dies bedeutet, dass man über eine solche kollektive Krankenversicherung Zusatzversicherungsverträge als Arbeitnehmer des Arbeitgebers XY besonders preiswert bekommen kann. Das ist nicht nur heute sinnvoll, sondern wird in Zukunft umso sinnvoller werden, je mehr der Leistungskatalog im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung dann in Zukunft eingeschränkt wird.

    Liminski: Herr Görg, im Gespräch ist eine Art Kinder-Soli zur Finanzierung der Gesundheitskosten aller Kinder, auch von privat Versicherten. Die würden dann zweimal zahlen: einmal den Beitrag für das Kind und den Kinder-Soli. Wäre es dann nicht fair, den Privaten den Kinderbeitrag zu erlassen?

    Görg: Auch hier möchte ich nicht nach dem Prinzip des "cherry-pickings" vorgehen.

    Liminski: Um welches Prinzip handelt es sich dabei? Können Sie das kurz erklären?

    Görg: "Cherry-Picking" heißt, mir aus jedem denkbaren Vorschlag das jeweils Günstigste herauszunehmen. – Nein! Wenn Kinder im Zuge eines privaten Krankenversicherungsvertrages mitversichert sind, dann sollen für diese Kinder auch Beiträge in das Versicherungsunternehmen eingezahlt werden, denn diese Kinder können auch Leistungen aus diesem privaten Krankenversicherungsvertrag für sich reklamieren. Demzufolge würde ich diese Form der Doppelbegünstigung für wenig zielführend erachten.

    Liminski: Das ist eine Doppelbestrafung für die Privaten. Die würden zweimal zahlen: einmal den Beitrag für das Kind und einmal den Kinder-Soli. Deswegen die Frage, ob man nicht den Privaten den Kinderbeitrag erlässt?

    Görg: Wenn es zu einem solchen Kinder-Solidaritätszuschlag kommen sollte, würde ich tatsächlich dafür plädieren, dass das im Bereich der privaten Krankenversicherung entfällt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wie ich eben bereits ausgeführt habe, die privaten Krankenversicherungsunternehmen etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr in das gesamte System der Gesundheitsvorsorge einbezahlen und hier eine nochmalige Bestrafung oder eine nochmalige Zusatzzahlung würde sicherlich deutlich über das Ziel hinausgehen, insbesondere dann, wenn es unsere viel zu wenigen Kinder betrifft.

    Liminski: Welche Zukunft für die Privaten? Das waren Antworten von Werner Görg, dem Chef der Gothaer Versicherung. Besten Dank für das Gespräch Herr Görg!

    Görg: Gerne!