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Gotthard-Basistunnel
Countdown für ein Stück Verkehrsgeschichte

Der längste Eisenbahntunnel der Welt unter dem Gotthard in den Alpen steht vor der Eröffnung. Das gesamte Tunnelsystem umfasst mit Schächten und Querstollen mehr als 150 Kilometer. Seit Monaten laufen Tests mit Zügen, die mit bis zu 200 Stundenkilometer durch den Tunnel rasen. Mit dem Bau der Flachbahn schreibt die Schweiz ein Stück Verkehrsgeschichte.

Von Hans-Jürgen Maurus | 24.05.2016
    Arbeiter auf der Baustelle des Gotthard-Basistunnels feiern am 15.10.2010 den Durchstich des letzten Abschnitts.
    Arbeiter auf der Baustelle des Gotthard-Basistunnels feiern am 15.10.2010 den Durchstich des letzten Abschnitts. (picture alliance / dpa / Martin Ruetschi)
    Es wird getrommelt, nicht im Gotthard-Basistunnel, sondern am Nordportal in einer Halle. Die Truppe des Regisseurs Volker Hesse probt für die Eröffnungsfeier in zwei Wochen in Rynächt bei Erstfeld, wenn der längste Tunnel der Welt eröffnet wird. Das Jahrhundertbauwerk ist auf der Zielgeraden, heißt es bei den Betreibern der Schweizer Bahn und ihrer Tochter Alptransit, die bei dem Megaprojekt federführend sind. Seit Monaten laufen Tests mit Zügen, die mit bis zu 200 Stundenkilometer durch den Tunnel rasen, bestätigt Alptransit Chef Renzo Simoni, seine aktuelle Bilanz: "Es wurden rund 100.000 Kilometer zurückgelegt - mit verschiedensten Zugkompositionen in verschiedensten Geschwindigkeitsbereichen. Es waren insgesamt etwa 2.500 Testfahrten."
    Das Mammutprojekt hat Milliarden verschlungen, so Renzo Simoni, man habe den Kostenrahmen aber eingehalten: "Wir haben einen Kostenrahmen vom Parlament zugesprochen erhalten, der beläuft sich auf 13,157 Milliarden Schweizer Franken. Preisbasis 1998 ohne Mehrwersteuer, Zinsen und Teuerung. Wir werden diesen Finanzrahmen einhalten: Wir werden darunter abschließen ein paar Hundert Millionen Franken darunter."
    Schweiz schreibt ein Stück Verkehrsgeschichte
    Mit Mehrwertsteuer, Bauzinsen und Teuerung kommt das Jahrhundertwerk auf 23 Milliarden Franken. Mit dem Bau der Flachbahn schreibt die Schweiz ein Stück Verkehrsgeschichte. Mithilfe deutscher Technologie, genauer dank der genialen Tunnelbohrmaschinen des badischen Unternehmers Martin Herrenknecht. Seine 400 Meter langen Bohrgiganten haben sich mit ohrenbetäubendem Lärm durch den Fels gefressen, 28,2 Millionen Tonnen Ausbruchmaterial produziert und sich 2.300 Meter tief in den Berg gegraben.
    Der Gotthard sei die Königsklasse, so Herrenknecht, es waren gewaltige Herausforderungen, weil beim Tunnelbau nicht immer alles glattläuft: "Ich würde sagen, 2003 haben wir angefangen. 2010 war der Durchbruch bei den Maschinen - sieben Jahre Bauzeit. Das Südlos war etwas schwieriger von Bodio nach Faido - geologische Störungen. Das Nordlos etwas einfacher von Erstfeld nach Sedrun und dann von Amsteg nach Erstfeld, das war etwas einfacher zu handhaben. Aber das war beides nicht ganz einfach."
    17 Jahre Bauzeit für den Basistunnel
    Je 57 Kilometer lang sind die beiden Gotthard-Röhren vom Nord- zum Südportal, doch das gesamte Tunnelsystem umfasst mit Schächten und Querstollen 152 Kilometer. 17 Jahre hat man an dem Basistunnel gebaut. Der Zeitrahmen wurde eingehalten, lobt Bohrkönig Herrenknecht, und macht den Schweizer Kollegen ein Kompliment: "Zeitplan haben sie eingehalten, die Schweizer, sind sogar ein Jahr früher fertig geworden bei diesem gigantischen Projekt, was an sich todsicher eine Meisterleistung ist - sowohl Ingenieur-mäßig als auch von der finanziellen Seite. Ist abgelaufen wie eine Schweizer Uhr."
    Bis zu 325 Züge pro Tag sollen in Spitzenzeiten durch den Basistunnel rasen, 65 Personen und 260 Güterzüge. Und mit den Gütertransporten soll ein Teil des Straßenverkehrs auf die Schiene verlagert werden. Deshalb sei dieses Projekt auch ein europäisches, meint SBB-Chef Andreas Meyer, denn: "Der Gotthard-Basistunnel ist das Herzstück der Transitachse von Norden nach Süden und von Süden nach Norden - sei das nun im Personen- oder im Güterverkehr." Am 1. Juni wird das Jahrhundertbauwerk mit zahlreichen Staatsgästen, unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet. Noch trommeln sie also am Nordportal, damit die Eröffnungsfeier perfekt abläuft.