Feldman: Ich glaube schon. Es gab einige private Umfragen, die sagen, dass er es noch schaffen kann. Dann gibt es diese Geschichten über Schwarzenegger - und man weiß es eigentlich nicht oder kann es sehr schwer einzuschätzen. Aber viele Leute haben nun plötzlich kalte Füße bezüglich einer Änderung oder gerade wegen Schwarzenegger, von dem man eigentlich weiß, wofür er steht.
Lange: Kalifornien war einmal das Herz der New Economy und ein sehr reicher Staat, jetzt ist er hoch verschuldet. Ist allein der gegenwärtige Gouverneur Davis dafür verantwortlich oder ist er das, was wir einen Sündenbock nennen?
Feldman: Es wäre Quatsch, das zu sagen. Erstens hat Kalifornien eine Geschichte von "boom and bust", wie das bei uns heißt. In den 90er Jahren begann das Ende des Kalten Krieges und Kalifornien war kaputt, weil es dort so viel Rüstungsindustrie gab. Eigentlich haben wir das sehr gut überstanden und eine Zeit von Prosperität trat ein. Nun, es gab diese Geschichte mit Silicon Valley und das ist wieder schwierig, aber das heißt nicht, dass es nicht wieder einen Boom oder besseren wirtschaftlichen Zustand geben kann. Aber Davis hat nichts damit zu tun, er ist nicht dafür verantwortlich, dass es diese Probleme im Silicon Valley gibt. Diese Energiekrise hat er nicht besonders gut gemanaget, aber er ist nicht daran schuld.
Lange: Gibt es so etwas wie einen Kernfehler, den er gemacht hat, einen Kardinalfehler?
Feldman: Nein. Es fehlt ihm an Charisma, er ist ziemlich grau und unscheinbar, wie sein Name und daher sehr unpopulär. Er kommt in eine Zeit, in der wir sehr viele Probleme haben, aber wenn man sich fragt, was er getan hat, um das zu verdienen, ist die Antwort schwer. Diese Recall-Sache wurde eigentlich geschaffen, um einen Gouverneur abzuwählen, weil er eine Schurke ist - und das ist Gray Davis nicht.
Lange: Er ist Demokrat, seine Abwahl wird von den Republikanern betrieben. Ist das die übliche Parteipolitik?
Feldman: Nein. Es gibt eine gewisse Neigung unter den Republikanern, das war auch bei Clinton so, also den Versuch, jemanden abzuberufen als Methode, um wieder an die Macht zu kommen. Schwarzenegger ist aber kein rechts stehender Vertreter der Republikaner, er ist eigentlich ein moderater und das macht es noch komplizierter. Die Leute, die hinter diesen Recall-Aktionen stehen, standen oft auf der rechten Seite, aber die sind nun in einer ganz schiefen Lage, weil der Populärste unter den Republikanern Schwarzenegger ist und man sich nicht sicher ist, wie republikanisch er eigentlich ist.
Lange: Können Sie nachvollziehen, was die Kalifornier an Arnold Schwarzenegger finden?
Feldman: Ja, er ist sehr bekannt. Die allgemeine Einstellung hier ist – und das ist ganz anders als in Deutschland –, dass man keine Erfahrung braucht, um das Land zu regieren. Man muss kein Politiker mit viel Erfahrung zu sein und so weiter.
Lange: Das sind die guten Erfahrungen mit Ronald Reagan, die da mitschwingen?
Feldman: Ja, obwohl es natürlich eine gewisse Täuschung ist. Man hat das Gefühl, dass das irgendwie hinter Reagan oder Schwarzenegger nichts ist. Aber Schwarzeneggers Unterstützung kommt von moderaten Republikanern, die waren vorher mit Gouverneur Pete Wilson verbunden. Er kommt nicht aus dem Nichts und ist eben ein Vertreter einer bestimmten Richtung in der republikanischen Partei.
Lange: Man versucht sozusagen, eine Galionsfigur zu haben und dahinter ein professionelles Team zu stellen und das reicht?
Feldman: Richtig, das würde ich sagen. Wenn er an die Macht kommt, ist es nicht, als ob er kein Team hinter sich hätte. Nur kommen die nicht zum Vorschein vor der Wahl. Aber es wäre eine moderate republikanische Regierung. Unser Problem in Kalifornien ist, dass es fast unregierbar ist. Wir haben mehr oder weniger eine plebiszitäre Demokratie hier, wo alle wichtigen Entscheidungen durch so genannte Propositions gemacht werden und man kann keine Steuererhöhung ohne Zweidrittelmehrheit machen. Das heißt, wir sind in einem ständigen Pattzustand und das ist das Schwierige.
Lange: Wenn Schwarzenegger die Wahl gewinnen sollte, was nicht sicher ist, würde das Präsident Bush in irgendeiner Weise innenpolitisch nutzen?
Feldman: Es ist schwierig und kompliziert, weil Bush natürlich jemand lieber wäre, der rechts in der republikanischen Partei steht. Schwarzenegger ist eigentlich moderat, auch in den so genannten sozialen Fragen wie Abtreibung und so weiter. Er steht dort eigentlich nicht bei den rechten Republikanern. Es kommt noch die Geschichte mit Frauen dazu, das passt auch nicht so gut in die Bush-Linie, das wird nicht einfach für Bush. Er würde sich natürlich freuen, Kalifornien wieder in republikanischen Händen zu haben, aber andererseits sind diese Hände für ihn nicht die richtigen.
Lange: Von hier aus betrachtet hat es den Anschein, dass diese Kampagne den üblichen Rahmen von Wahlkämpfen durchaus sprengt. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Feldman: Ja. Ich meine, plötzlich so etwas zu machen, plötzlich einen Gouverneur, der kein Verbrechen begangen hat, auf diese Art und Weise abzulösen, ist etwas Neues. Persönlich muss ich sagen, dass ich hoffe, dass es nicht gelingt, denn das wäre ein sehr schlechtes Beispiel und ein unangenehmer Präzedenzfall.
Lange: Hat es etwas mit dem Naturell der Kalifornier zu tun, dass es gerade dort passiert?
Feldman: Kalifornien hat eine lange plebiszitäre, direkte demokratische Tradition und die Leute, die davon begeistert sind, sollen mal überlegen, was passiert, wenn man das fragt. Das gehört gewissermaßen zu der ganzen Geschichte Kaliforniens. Wir haben den Modus, Gesetzgebung durch Volksabstimmung zu machen.
Lange: Das war Gerald Feldman, er ist Direktor am Institut für europäische Studien an der University Of California in Berkeley, vielen Dank für das Gespräch.
Lange: Kalifornien war einmal das Herz der New Economy und ein sehr reicher Staat, jetzt ist er hoch verschuldet. Ist allein der gegenwärtige Gouverneur Davis dafür verantwortlich oder ist er das, was wir einen Sündenbock nennen?
Feldman: Es wäre Quatsch, das zu sagen. Erstens hat Kalifornien eine Geschichte von "boom and bust", wie das bei uns heißt. In den 90er Jahren begann das Ende des Kalten Krieges und Kalifornien war kaputt, weil es dort so viel Rüstungsindustrie gab. Eigentlich haben wir das sehr gut überstanden und eine Zeit von Prosperität trat ein. Nun, es gab diese Geschichte mit Silicon Valley und das ist wieder schwierig, aber das heißt nicht, dass es nicht wieder einen Boom oder besseren wirtschaftlichen Zustand geben kann. Aber Davis hat nichts damit zu tun, er ist nicht dafür verantwortlich, dass es diese Probleme im Silicon Valley gibt. Diese Energiekrise hat er nicht besonders gut gemanaget, aber er ist nicht daran schuld.
Lange: Gibt es so etwas wie einen Kernfehler, den er gemacht hat, einen Kardinalfehler?
Feldman: Nein. Es fehlt ihm an Charisma, er ist ziemlich grau und unscheinbar, wie sein Name und daher sehr unpopulär. Er kommt in eine Zeit, in der wir sehr viele Probleme haben, aber wenn man sich fragt, was er getan hat, um das zu verdienen, ist die Antwort schwer. Diese Recall-Sache wurde eigentlich geschaffen, um einen Gouverneur abzuwählen, weil er eine Schurke ist - und das ist Gray Davis nicht.
Lange: Er ist Demokrat, seine Abwahl wird von den Republikanern betrieben. Ist das die übliche Parteipolitik?
Feldman: Nein. Es gibt eine gewisse Neigung unter den Republikanern, das war auch bei Clinton so, also den Versuch, jemanden abzuberufen als Methode, um wieder an die Macht zu kommen. Schwarzenegger ist aber kein rechts stehender Vertreter der Republikaner, er ist eigentlich ein moderater und das macht es noch komplizierter. Die Leute, die hinter diesen Recall-Aktionen stehen, standen oft auf der rechten Seite, aber die sind nun in einer ganz schiefen Lage, weil der Populärste unter den Republikanern Schwarzenegger ist und man sich nicht sicher ist, wie republikanisch er eigentlich ist.
Lange: Können Sie nachvollziehen, was die Kalifornier an Arnold Schwarzenegger finden?
Feldman: Ja, er ist sehr bekannt. Die allgemeine Einstellung hier ist – und das ist ganz anders als in Deutschland –, dass man keine Erfahrung braucht, um das Land zu regieren. Man muss kein Politiker mit viel Erfahrung zu sein und so weiter.
Lange: Das sind die guten Erfahrungen mit Ronald Reagan, die da mitschwingen?
Feldman: Ja, obwohl es natürlich eine gewisse Täuschung ist. Man hat das Gefühl, dass das irgendwie hinter Reagan oder Schwarzenegger nichts ist. Aber Schwarzeneggers Unterstützung kommt von moderaten Republikanern, die waren vorher mit Gouverneur Pete Wilson verbunden. Er kommt nicht aus dem Nichts und ist eben ein Vertreter einer bestimmten Richtung in der republikanischen Partei.
Lange: Man versucht sozusagen, eine Galionsfigur zu haben und dahinter ein professionelles Team zu stellen und das reicht?
Feldman: Richtig, das würde ich sagen. Wenn er an die Macht kommt, ist es nicht, als ob er kein Team hinter sich hätte. Nur kommen die nicht zum Vorschein vor der Wahl. Aber es wäre eine moderate republikanische Regierung. Unser Problem in Kalifornien ist, dass es fast unregierbar ist. Wir haben mehr oder weniger eine plebiszitäre Demokratie hier, wo alle wichtigen Entscheidungen durch so genannte Propositions gemacht werden und man kann keine Steuererhöhung ohne Zweidrittelmehrheit machen. Das heißt, wir sind in einem ständigen Pattzustand und das ist das Schwierige.
Lange: Wenn Schwarzenegger die Wahl gewinnen sollte, was nicht sicher ist, würde das Präsident Bush in irgendeiner Weise innenpolitisch nutzen?
Feldman: Es ist schwierig und kompliziert, weil Bush natürlich jemand lieber wäre, der rechts in der republikanischen Partei steht. Schwarzenegger ist eigentlich moderat, auch in den so genannten sozialen Fragen wie Abtreibung und so weiter. Er steht dort eigentlich nicht bei den rechten Republikanern. Es kommt noch die Geschichte mit Frauen dazu, das passt auch nicht so gut in die Bush-Linie, das wird nicht einfach für Bush. Er würde sich natürlich freuen, Kalifornien wieder in republikanischen Händen zu haben, aber andererseits sind diese Hände für ihn nicht die richtigen.
Lange: Von hier aus betrachtet hat es den Anschein, dass diese Kampagne den üblichen Rahmen von Wahlkämpfen durchaus sprengt. Haben Sie auch diesen Eindruck?
Feldman: Ja. Ich meine, plötzlich so etwas zu machen, plötzlich einen Gouverneur, der kein Verbrechen begangen hat, auf diese Art und Weise abzulösen, ist etwas Neues. Persönlich muss ich sagen, dass ich hoffe, dass es nicht gelingt, denn das wäre ein sehr schlechtes Beispiel und ein unangenehmer Präzedenzfall.
Lange: Hat es etwas mit dem Naturell der Kalifornier zu tun, dass es gerade dort passiert?
Feldman: Kalifornien hat eine lange plebiszitäre, direkte demokratische Tradition und die Leute, die davon begeistert sind, sollen mal überlegen, was passiert, wenn man das fragt. Das gehört gewissermaßen zu der ganzen Geschichte Kaliforniens. Wir haben den Modus, Gesetzgebung durch Volksabstimmung zu machen.
Lange: Das war Gerald Feldman, er ist Direktor am Institut für europäische Studien an der University Of California in Berkeley, vielen Dank für das Gespräch.