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Grand Dame des US-Journalismus muss gehen

Ein Stuhl im Presseraum des Weißen Hauses blieb diese Woche leer. Umstrittene Äußerungen zum Israel-Palästina Konflikt brachten Helen Thomas zu Fall. Die Geschichte des Skandals ist schnell erzählt.

Von David Goeßmann |
    Die Ikone des Washington-Journalismus Thomas ist am 27. Mai auf dem Weg zum Weißen Haus. Rabbi Nesenoff ist dort wegen einer Feiers der Jewish Heritage Foundation. In dem improvisierten Interview möchte er von ihr einen Kommentar zu Israel. Sie antwortet, dass die Juden aus Palästina verschwinden und nach Europa und Amerika gehen sollen. Das Video stellt der Rabbi auf seine Website Rabbilive. Das Video zirkuliert später auf Youtube. Es ist das Ende von Helen Thomas Korrespondententätigkeit im Weißen Haus.
    Die 89-Jährige entschuldigt sich zwar für die Äußerung und tritt von der Journalisten-Bühne ab.

    David Goeßmann berichtet.

    "Irgendein Kommentar zu Israel?
    Sagen Sie Ihnen, dass sie zum Teufel noch mal aus Palästina gehen sollen.
    Haben Sie keinen besseren Kommentar?
    Beachten Sie, dass dieses Volk okkupiert ist und das Land ihnen gehört. Es ist nicht Deutschland oder Polen."

    Auf Nachfrage von Rabbi Nesenoff, wohin die Juden denn gehen sollten, antwortet die US-Journalistin Helen Thomas, nach Deutschland, Polen oder in die USA.

    Ein Mediensturm brach los, die umstrittenen Äußerungen wurden mit Rassismus und Aufruf zum Genozid in Verbindung gebracht, so vom ehemaligen Bush-Pressesprecher Ari Fleischer. Auch aus dem linken Lager kam Kritik, während man die Demontage der Journalistin als vollkommen überzogen und scheinheilig bezeichnete. Rechte Hetze gegenüber Muslimen, Immigranten und auch Juden von Kommentatoren wie Rush Limbaugh oder Glenn Beck, so die Huffington Post, werde seit vielen Jahren empörungslos hingenommen.

    Helen Thomas entschuldigte sich, kündigte bei ihrem Arbeitgeber, dem Medienhaus Hearst. Das Ende einer Ära.

    ""Ich beantworte jetzt ein paar Fragen und fange mit Frau Thomas an.”"

    Die 89-jährige Journalistin ist ein Urgestein des US-amerikanischen Journalismus. Ihr Fragestil war gefürchtet. So fühlte sie insbesondere der Bush-Administration unerbittlich auf den Zahn. Sei es in Sachen Unterstützung der israelischen Attacken in Gaza und dem Libanon, der Tötung von Zivilisten in Afghanistan oder dem Irakkrieg:

    ""Herr Präsident, sie starteten den Krieg, sie können ihn hier und heute beenden. Schicken Sie UN-Friedenstruppen hinein. Zwei Millionen Iraker haben das Land als Flüchtlinge verlassen. Zwei Millionen mehr sind vertrieben. Tausende über Tausende sind tot. Verstehen Sie nicht. Sie haben Al Kaida in den Irak gebracht.”

    "Tatsächlich wollte ich die Irak-Sache diplomatisch lösen.”"

    60 Jahre lang arbeitete sie für die große Nachrichtenagentur United Press International. Sie ist weithin bekannt als erste weibliche Chefin des Pressekorps im Weißen Haus und berichtete über zehn Präsidenten, der erste war John F. Kennedy.

    Auch Präsident Barack Obama musste sich immer wieder unangenehmen Fragen von Helen Thomas stellen:

    ""Also gut. Helen? Das ist meine Einführung hier. Ich bin wirklich aufgeregt.”
    "Wann werden Sie aus Afghanistan gehen? Warum töten und sterben wir dort weiter? Was ist die wahre Entschuldigung? Und speisen Sie uns nicht ab mit der Bush-Litanei: Wenn wir dort nicht hingehen, dann kommen sie alle zu uns.”
    "Also Helen, wir sind ursprünglich nach Afghanistan gegangen, weil es der Stützpunkt war der Attacke, die 3000 Menschen tötete.”"

    "Wir Journalisten”, so Helen Thomas, "haben vor dem Irakkrieg versagt”. Für solche Sätze war sie auch in der US-Medienbranche nicht wirklich beliebt. Für den ehemaligen Senator und Kongressabgeordneten aus South Dakota, James Abourezk, bedeutet der Abgang der Grand Dame des US-Journalismus einen herben Verlust.

    ""Es wird eine Leerstelle sein, weil sie einfach das getan hat, was gute Journalisten tun sollten. Der derzeitige Pressekorps des Weißen Hauses ist der kraftloseste, den ich seit vielen Jahren gesehen habe. Die Journalisten haben keine der Präsidenten so herausgefordert wie Helen Thomas. Schließlich haben sie sie gekriegt. Ich kann mir denken, dass sie nur darauf gewartet haben auf einen Fehltritt, den sie nutzen konnten, um sie loszuwerden.”"