„Weniger ist mehr“: Mit diesem Credo gelangte Mies van der Rohe zu Weltruhm als einer der wichtigsten Formgeber der Moderne. Der spanische Architekt und Zeichner Agustín Ferrer Casas hat das bewegte Leben als Comic gezeichnet. „Nah, vielschichtig, aber nicht immer korrekt“, so Kritikerin Berit Hempel.
Ina Plodroch im Gespräch mit Berit Hempel | 31.07.2019
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Szene aus "Mies van der Rohe – ein visionärer Architekt" von Agustín Ferrer Casas (Carlsen Verlag/Agustín Ferrer Casas)
Mies van der Rohe hat unter anderem die Berliner Nationalgalerie, das Seagram Building in New York und die Mustersiedlung Am Weißenhof in Stuttgart entworfen. 1930 übernahm er die Leitung des Bauhauses in Dessau.
Der Comic "Mies - Mies van der Rohe. Ein visionärer Architekt", der jetzt auf deutsch erschienen ist, "zeigt ihn als Martini-trinkenden Lebemann, als einen Mann, der Frauen verführt und enttäuscht und als einen Menschen, der sagt: 'Politik hat am Bauhaus nichts zu suchen'", sagte Kritikerin Berit Hempel im Dlf.
Man sehe auch den Architekten, der den Nazis gegenüber Zugeständnisse mache und ein Manifest zugunsten Hitlers unterzeichne, um seine Schule zu retten. Der aber schließlich merke, dass seine Architektur unter den Nazis keine Zukunft habe, der Deutschland verlasse und seine Visionen vom schnörkellosen und transparenten Bauten in den USA verwirkliche.
Großvater und Enkel im Gespräch
Den roten Faden bilde ein Flug von Amerika nach Berlin zur Grundsteinlegung der Neuen Nationalgalerie. Mit an Bord sei der Enkel, der seinen Großvater ausfrage über dessen Leben, über seine Konkurrenz zu Walter Gropius, seine Arbeit am Bauhaus, den Deutscher Pavillon des Deutschen Reichs auf der Weltausstellung 1929 in Barcelona.
Szene aus "Mies van der Rohe – ein visionärer Architekt" von Agustín Ferrer Casas (Carlsen Verlag/Agustín Ferrer Casas)
Weil sich manchmal innerhalb einer Zeitschleife eine neue Zeitschleife auftue, müsse man als Leser aufpassen, dass man den Faden nicht verliere, so Hempel. Casas zeichne aber mit feinem Strich und klar aufgebauten Strips. In manchen Sequenzen befreie sich der Zeichner vom Diktat des DIN-A4-Blatts, zum Beispiel, wenn er ein Hochhaus quer über eine Doppelseite lege.
Fakten neu interpretiert
Nicht alles, was Agustín Ferrer Casa erzähle, sei auch verbürgt. Er habe nichts erfunden, sondern nur einige Fakten neu interpretiert und andere fiktionalisiert, um der Geschichte Gestalt zu verleihen, wird der Autor zitiert - der selbst Architekt war, bevor er hauptberuflich Comiczeichner wurde. Die Liebe zu seinem Thema merke man deutlich, so Berit Hempel. Die Pläne, die Bauten und die Motivation von Mies van der Rohe würden sehr anschaulich dargestellt.
Agustín Ferrer Casas: "Mies - Mies van der Rohe. Ein visionärer Architekt" Carlsen Verlag Hamburg, 2019. 176 Seiten, 20 Euro.