Michael Brzoska: Guten Tag, Herr Meurer.
Meurer: Wie kann es nur möglich sein, dass irakische Häftlinge gequält werden, die unter Obhut der USA stehen?
Brzoska: Ich denke, es hat sich in den letzten Jahren eine Grauzone ausgeweitet, die es ja immer gibt zwischen dem, was man etwas härtere Untersuchungs- und Vernehmungsmethoden nennen kann und Folter und diese Grauzone ist insbesondere aufgrund der Maßnahmen zur Terrorabwehr in den letzten Jahren in den amerikanischen Streitkräften und auch bei anderen, mit denen sie zusammenarbeiten, deutlich in Richtung Anwendung von Folter hin ausgeweitet worden. Beispiel etwa in Afghanistan, wo nicht etwa die amerikanischen Streitkräfte selbst, aber ihre verbündete Nordallianz doch im erheblichen Umfang auch gefoltert hat. Offensichtlich ist doch bei einigen auf mittlerer Ebene im Offizierskorps in den amerikanischen Streitkräften in Vergessenheit geraten, dass es eigentlich sehr klare Richtlinien gibt, die das verbieten.
Meurer: Warum greifen in solchen Fällen nicht Maßnahmen oder wie kann es sein, dass Vorgesetzte hier nicht eingreifen?
Brzoska: Weil es eben eine Stimmung gibt, die ja nicht zuletzt auch durch bestimmte Ausdrücke wie dass man sich in einem Krieg befindet mit den Terroristen, dass man wirklich sehen muss, dass man die Terroristen zerstört. Diese Art von Sprache führt dazu, dass auch bei höheren Vorgesetzten doch die Toleranz gegenüber Verhalten, was eigentlich den Vorschriften nicht entspricht, größer geworden ist, so dass da manches gedeckt und toleriert wird.
Meurer: Glauben Sie, Vorgesetzte haben das mitbekommen und toleriert?
Brzoska: Ich denke schon, dass das, was man jetzt an Entschuldigungen hört, sehr wachsweich ist. Die eine Einheit schiebt es auf die andere und ich denke, dass die Untersuchungen doch relativ klar zum Ergebnis haben werden, dass es auch auf höherer Ebene hier Verantwortung gegeben hat.
Meurer: Sind für Sie die diversen Untersuchungsberichte, die vorliegen, doch ein Beleg dafür, dass umgekehrt der ernsthafte Wille vorliegt, solche Vorkommnisse zu unterbinden.
Brzoska: Ich denke schon, dass man das so sehen muss, dass auch in den Streitkräften und zwar insbesondere auch im Pentagon beim Generalstab erkannt wird, dass dieses hoch kontraproduktiv ist, dass wenn diese Berichte jetzt durch die Welt zirkulieren natürlich die Unterstützung für den Irakkrieg in der Welt, aber auch zuhause in den USA selber und vor allen Dingen im Irak weiter sinken wird. Insofern ist der Wille da, etwas zu tun und ich denke mal, dass wir doch demnächst erleben werden, dass die Vorschriften wieder stärker angewandt werden.
Meurer: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Berichte im Pentagon nicht gelesen worden sind?
Brzoska: Es ist wohl so, dass man natürlich manches, was man nicht gerne hören will, zunächst versucht zu verdrängen. Es ist in den letzten Monaten immer so gewesen, dass die Nachrichten aus dem Irak schlechter und schlechter wurden und insofern auch die amerikanische Politik zunehmend das Problem hatte, ihre eigene Anwesenheit im Irak zu rechtfertigen. Jetzt lässt sich dies nicht mehr unter dem Deckel halten, insbesondere, weil auch die Presse davon Wind bekommen hat, jetzt geht man damit etwas offensiver um, aber es ist halt so, dass natürlich jeder größere Apparat - und Streitkräfte sind da besonders anfällig - erst mal versucht, schlechte Nachrichten zu unterdrücken oder vielleicht gar nicht erst wahrzunehmen.
Meurer: Die Aufklärung ist das eine, also der Öffentlichkeit auch die Information zur Verfügung zu stellen, was überhaupt passiert ist. Die Bestrafung der Täter das andere. Werden die Schuldigen wirklich bestraft?
Brzoska: Ich denke, man muss jetzt klar herausfinden, wer welche Verantwortung hatte. Soweit ich die Berichte gesehen habe, wir kennen ja bisher nur einen Teil, ist das noch nicht hundertprozentig klargestellt, ob es jetzt Army Intelligence, also der Geheimdienstabteilung in den Streitkräften, private Sicherheitsdienste, die regulären Streitkräfte waren. Das wird man versuchen müssen, rauszukriegen, da wird vermutlich der eine versuchen, dem anderen die Schuld zuzuschieben, um sich selber reinzuwaschen. Wir kennen es auch von anderen Fällen, dass es nachher mit der Strafbarkeit häufig an der Beweislage scheitert. Da bin ich noch nicht so optimistisch, dass es wirklich zur individuellen höheren Bestrafung kommt, sondern ich denke eher, es wird sich institutionell etwas ändern, dass man wieder klarer macht, dass solche Dinge nicht toleriert werden können.
Meurer: Und was könnte da geändert werden?
Brzoska: Es gibt Vorschriften, etwa zu Verhörmethoden. In amerikanischen Streitkräften läuft es immer unter diesem Terminus 'stress and duress', man darf also Gefangene unter Stress setzen, ihnen Schlafentzug zukommen lassen oder andere Maßnahmen machen, um sie weichzuklopfen, aber man darf ihnen keine physische Gewalt antun, sie auch nicht erniedrigen. Das kommt von der Genfer Konvention, andere Vorschriften kommen aus der Anti-Folter-Konvention. Was das im konkreten Fall heißt, wie viel Schlafentzug zum Beispiel oder was Erniedrigung konkret heißt, ist bisher nicht hundertprozentig klar geregelt gewesen, ich denke, da wird es demnächst neue Richtlinien geben, wo das klarer geregelt wird.
Meurer: Wenn Häftlinge im Irak misshandelt werden, sei es durch US-Soldaten oder private Sicherheitsdienste im Auftrag der USA, sind dafür zivile US-Gerichte zuständig?
Brzoska: Nein, das fällt unter die Militärgerichtsbarkeit, wobei das bei den zivilen Sicherheitsfirmen ein großes Problem ist. Da ist es unklar. Die fallen unter keine der beiden Strafgerichtsbarkeiten, sondern müssten eigentlich im Irak bestraft werden, da gibt es natürlich aber noch keine funktionierenden Strafgerichte. Insofern ist hier auch eine große Grauzone, wie man diese Leute dingfest machen und vor Gericht stellen kann.
Meurer: Und bei denjenigen Soldaten, die unter die Militärgerichtsbarkeit der USA fallen, droht denen im schlimmsten Fall die Entlassung aus der Armee oder auch mehr?
Brzoska: Mehr. Die unehrenhafte Entlassung ist im Grunde eine der schwächeren Stufen der Bestrafung, es gibt auch Haftstrafen und es ist in früheren Fällen durchaus auch schon für Folter eine Haftstrafe ausgesprochen worden.
Meurer: Das war Michael Brzoska, er ist Leiter der Forschungsabteilung des Internationalen Konversionszentrums in Bonn. Ich bedanke ich bei Ihnen und auf Wiederhören.
Meurer: Wie kann es nur möglich sein, dass irakische Häftlinge gequält werden, die unter Obhut der USA stehen?
Brzoska: Ich denke, es hat sich in den letzten Jahren eine Grauzone ausgeweitet, die es ja immer gibt zwischen dem, was man etwas härtere Untersuchungs- und Vernehmungsmethoden nennen kann und Folter und diese Grauzone ist insbesondere aufgrund der Maßnahmen zur Terrorabwehr in den letzten Jahren in den amerikanischen Streitkräften und auch bei anderen, mit denen sie zusammenarbeiten, deutlich in Richtung Anwendung von Folter hin ausgeweitet worden. Beispiel etwa in Afghanistan, wo nicht etwa die amerikanischen Streitkräfte selbst, aber ihre verbündete Nordallianz doch im erheblichen Umfang auch gefoltert hat. Offensichtlich ist doch bei einigen auf mittlerer Ebene im Offizierskorps in den amerikanischen Streitkräften in Vergessenheit geraten, dass es eigentlich sehr klare Richtlinien gibt, die das verbieten.
Meurer: Warum greifen in solchen Fällen nicht Maßnahmen oder wie kann es sein, dass Vorgesetzte hier nicht eingreifen?
Brzoska: Weil es eben eine Stimmung gibt, die ja nicht zuletzt auch durch bestimmte Ausdrücke wie dass man sich in einem Krieg befindet mit den Terroristen, dass man wirklich sehen muss, dass man die Terroristen zerstört. Diese Art von Sprache führt dazu, dass auch bei höheren Vorgesetzten doch die Toleranz gegenüber Verhalten, was eigentlich den Vorschriften nicht entspricht, größer geworden ist, so dass da manches gedeckt und toleriert wird.
Meurer: Glauben Sie, Vorgesetzte haben das mitbekommen und toleriert?
Brzoska: Ich denke schon, dass das, was man jetzt an Entschuldigungen hört, sehr wachsweich ist. Die eine Einheit schiebt es auf die andere und ich denke, dass die Untersuchungen doch relativ klar zum Ergebnis haben werden, dass es auch auf höherer Ebene hier Verantwortung gegeben hat.
Meurer: Sind für Sie die diversen Untersuchungsberichte, die vorliegen, doch ein Beleg dafür, dass umgekehrt der ernsthafte Wille vorliegt, solche Vorkommnisse zu unterbinden.
Brzoska: Ich denke schon, dass man das so sehen muss, dass auch in den Streitkräften und zwar insbesondere auch im Pentagon beim Generalstab erkannt wird, dass dieses hoch kontraproduktiv ist, dass wenn diese Berichte jetzt durch die Welt zirkulieren natürlich die Unterstützung für den Irakkrieg in der Welt, aber auch zuhause in den USA selber und vor allen Dingen im Irak weiter sinken wird. Insofern ist der Wille da, etwas zu tun und ich denke mal, dass wir doch demnächst erleben werden, dass die Vorschriften wieder stärker angewandt werden.
Meurer: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die Berichte im Pentagon nicht gelesen worden sind?
Brzoska: Es ist wohl so, dass man natürlich manches, was man nicht gerne hören will, zunächst versucht zu verdrängen. Es ist in den letzten Monaten immer so gewesen, dass die Nachrichten aus dem Irak schlechter und schlechter wurden und insofern auch die amerikanische Politik zunehmend das Problem hatte, ihre eigene Anwesenheit im Irak zu rechtfertigen. Jetzt lässt sich dies nicht mehr unter dem Deckel halten, insbesondere, weil auch die Presse davon Wind bekommen hat, jetzt geht man damit etwas offensiver um, aber es ist halt so, dass natürlich jeder größere Apparat - und Streitkräfte sind da besonders anfällig - erst mal versucht, schlechte Nachrichten zu unterdrücken oder vielleicht gar nicht erst wahrzunehmen.
Meurer: Die Aufklärung ist das eine, also der Öffentlichkeit auch die Information zur Verfügung zu stellen, was überhaupt passiert ist. Die Bestrafung der Täter das andere. Werden die Schuldigen wirklich bestraft?
Brzoska: Ich denke, man muss jetzt klar herausfinden, wer welche Verantwortung hatte. Soweit ich die Berichte gesehen habe, wir kennen ja bisher nur einen Teil, ist das noch nicht hundertprozentig klargestellt, ob es jetzt Army Intelligence, also der Geheimdienstabteilung in den Streitkräften, private Sicherheitsdienste, die regulären Streitkräfte waren. Das wird man versuchen müssen, rauszukriegen, da wird vermutlich der eine versuchen, dem anderen die Schuld zuzuschieben, um sich selber reinzuwaschen. Wir kennen es auch von anderen Fällen, dass es nachher mit der Strafbarkeit häufig an der Beweislage scheitert. Da bin ich noch nicht so optimistisch, dass es wirklich zur individuellen höheren Bestrafung kommt, sondern ich denke eher, es wird sich institutionell etwas ändern, dass man wieder klarer macht, dass solche Dinge nicht toleriert werden können.
Meurer: Und was könnte da geändert werden?
Brzoska: Es gibt Vorschriften, etwa zu Verhörmethoden. In amerikanischen Streitkräften läuft es immer unter diesem Terminus 'stress and duress', man darf also Gefangene unter Stress setzen, ihnen Schlafentzug zukommen lassen oder andere Maßnahmen machen, um sie weichzuklopfen, aber man darf ihnen keine physische Gewalt antun, sie auch nicht erniedrigen. Das kommt von der Genfer Konvention, andere Vorschriften kommen aus der Anti-Folter-Konvention. Was das im konkreten Fall heißt, wie viel Schlafentzug zum Beispiel oder was Erniedrigung konkret heißt, ist bisher nicht hundertprozentig klar geregelt gewesen, ich denke, da wird es demnächst neue Richtlinien geben, wo das klarer geregelt wird.
Meurer: Wenn Häftlinge im Irak misshandelt werden, sei es durch US-Soldaten oder private Sicherheitsdienste im Auftrag der USA, sind dafür zivile US-Gerichte zuständig?
Brzoska: Nein, das fällt unter die Militärgerichtsbarkeit, wobei das bei den zivilen Sicherheitsfirmen ein großes Problem ist. Da ist es unklar. Die fallen unter keine der beiden Strafgerichtsbarkeiten, sondern müssten eigentlich im Irak bestraft werden, da gibt es natürlich aber noch keine funktionierenden Strafgerichte. Insofern ist hier auch eine große Grauzone, wie man diese Leute dingfest machen und vor Gericht stellen kann.
Meurer: Und bei denjenigen Soldaten, die unter die Militärgerichtsbarkeit der USA fallen, droht denen im schlimmsten Fall die Entlassung aus der Armee oder auch mehr?
Brzoska: Mehr. Die unehrenhafte Entlassung ist im Grunde eine der schwächeren Stufen der Bestrafung, es gibt auch Haftstrafen und es ist in früheren Fällen durchaus auch schon für Folter eine Haftstrafe ausgesprochen worden.
Meurer: Das war Michael Brzoska, er ist Leiter der Forschungsabteilung des Internationalen Konversionszentrums in Bonn. Ich bedanke ich bei Ihnen und auf Wiederhören.