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'Green-Card gilt nicht für andere Branchen'

Remme: Seit der Fachmesse CeBIT im Februar steht das Schlagwort Greencard hierzulande für die Anwerbung von hoch qualifizierten Fachkräften für die deutsche Computerbranche. Der Fachkräftemangel wurde auf der CeBIT beklagt. Der Bundeskanzler griff den Missstand abweichend vom Redetext spontan auf und sagte eine Regelung zu, dieses Wachstumshemmnis zu beseitigen. Seitdem gibt es eine heftige innenpolitische Debatte über Vor- und Nachteile dieser Anwerbung von 20.000 Spezialisten. Gestern Abend trafen sich auf Einladung von Kanzleramtsminister Hans Martin Bury Vertreter von Bundesregierung und Industrie, um über die praktische Umsetzung dieser Initiative zu beraten. Hans Martin Bury ist jetzt am Telefon. Guten Morgen Herr Bury!

    Bury: Guten Morgen Herr Remme.

    Remme: Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Bernhard Jagoda, hat sich gestern vor allem eine einfache praktikable Umsetzung gewünscht. Ist die Einigung von gestern so einfach, dass Sie alle wesentlichen Aspekte in drei Sätzen zusammenfassen können?

    Bury: Ja. Wir haben uns geeinigt, dass die Verfahren extrem beschleunigt werden, transparent und unbürokratisch gehandhabt werden, und wollen das im Schnitt in maximal sechs Wochen, wenn es in der Praxis gut läuft sogar in zwei Wochen schaffen.

    Remme: Warum gerade 20.000? Nach Angaben der Industrie fehlen doch weit mehr.

    Bury: Die Zahlen der Industrie lassen sich leider durch die Zahlen der Bundesanstalt nur bedingt bestätigen, und wir haben gesagt, das was wir jetzt starten ist ein Versuch. Wir wollen nach 10.000 ein sogenanntes Monitoring machen, also überprüfen wie es läuft, dann gegebenenfalls auf 20.000 erhöhen. Ich sage ganz bewusst: ich will auch den Druck auf die Wirtschaft erhalten, parallel ihren Teil des Sofortprogramms zu erfüllen, nämlich junge Menschen auszubilden und Leute zu qualifizieren. Es gibt drei Bestandteile des Sofortprogramms. Das ist neben der Greencard die Erhöhung der Ausbildungszahl von 14.000, die wir 1998 hatten, auf 60.000 in den nächsten zwei, drei Jahren. Das ist eine Verstärkung von Aus- und Weiterbildung, zu der auch die Bundesanstalt für Arbeit beiträgt, die 40.000 Menschen qualifizieren wird.

    Remme: Ist das eine Bedingung, die Sie gerade nennen, die für die ganze Branche gilt, oder sind dort die nutznießenden Unternehmen dieser Greencard-Initiative in besonderer Pflicht?

    Bury: Das gilt selbstverständlich für die gesamte Branche, und nach den Zusagen der Wirtschaft bin ich optimistisch, dass das auch mindestens eingehalten, wenn nicht übertroffen wird.

    Remme: Wird das kontrolliert?

    Bury: Deshalb dieses vereinbarte Monitoring, deshalb ein begleitender Prozess, mit dem wir nicht nur schauen, wie funktioniert das mit der Greencard, sondern auch, wird parallel die Zusage der Wirtschaft zur Ausbildung und Qualifizierung eingehalten.

    Remme: Wenn wir jetzt mal auf die Einzelheiten kommen, das heißt also auf die befristete Arbeitserlaubnis, auf Zuzugsmöglichkeiten, auf die Arbeitserlaubnis von Familienangehörigen, welches Angebot kann nun diesen ausländischen Spezialisten, die angeworben werden sollen, gemacht werden?

    Bury: Ein Unternehmen, das im IT-Bereich hier hoch qualifizierte Spezialisten nicht findet, kann sich an das Arbeitsamt wenden. Das prüft noch einmal: gibt es dafür einen geeigneten deutschen Bewerber. Wenn das nicht der Fall ist - und diese Prüfung wird in maximal einer Woche abgeschlossen sein -, kann das Unternehmen entsprechend Verträge mit Nicht-EU-Bürgern machen. Dann gibt es noch mal das Verfahren hinsichtlich des Aufenthaltsrechts, weil selbstverständlich nicht jemand hier herkommen kann, der bereits hier war und straffällig wurde und abgeschoben wurde. Das wird aber in den seltensten Fällen ein Problem sein. Wenn auch diese Prüfung positiv abgeschlossen ist, dann steht einer Beschäftigung im Prinzip nichts mehr im Wege und dann können auch Familienangehörige von Anfang an mit nach Deutschland kommen, wenn sie das wollen.

    Remme: Das heißt, wann sitzen die ersten Arbeitnehmer am Keyboard?

    Bury: Wir werden noch in diesem Monat die nötigen Beschlüsse im Bundeskabinett fassen. Wir haben allerdings einen Teil, den aufenthaltsrechtlichen, der zustimmungsbedürftig ist im Bundesrat. Ich rechne damit, dass der Bundesrat diesen Teil im Juli verabschieden wird, so dass spätestens zum 01. August die Regelungen in Kraft treten können.

    Remme: Noch ganz kurz, Herr Bury. Aus anderen Branchen hört man Hilferufe ähnlicher Art. Ist diese Regelung einmalig?

    Bury: Diese Regelung ist beschränkt auf den Bereich Informationstechnologie, weil sich dieser Markt besonders dynamisch entwickelt, weil diese Märkte jetzt verteilt werden und wir die Chancen für Wachstum und Beschäftigung ergreifen müssen. Die Situation ist mit der anderer Branchen nicht vergleichbar. Die Regelung wird deshalb auch nicht ausgeweitet.

    Remme: Vielen Dank! - Das war der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury.

    Link: Interview als RealAudio