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Greenpeace
Fragwürdige Flüge und verzockte Millionen

Mit spektakulären Kampagnen hat es die Umweltschutzorganisation Greenpeace immer wieder geschafft, Umweltskandale in die Öffentlichkeit zu bringen. Jetzt steht die Organisation selbst im Fokus: Zuerst wurde bekannt, dass ein Mitarbeiter bei Devisengeschäften mehrere Millionen Euro verzockt hat, nun sorgen bestimmte Flugreisen eines Managers für Ärger bei den Umweltschützern.

Von Axel Schröder | 07.08.2014
    Das neue Gebäude der Umweltschutzorganisation Greenpeace, aufgenommen am 31.10.2013 in der Hafencity in Hamburg. Die neue Greenpeace-Zentrale wird nach eigenen Angaben komplett mit erneuerbaren Energien versorgt.
    Die Zentrale von Greenpeace in Hamburg: Derzeit trügt die ruhige Fassade. (dpa/picture alliance/Maja Hitij)
    Die deutsche Greenpeace-Zentrale in der Hamburger Hafencity ist ein konsequentes Bauwerk. Auf dem Dach drehen sich drei Windräder, erzeugen den Strom für die Wärmepumpe, die das Haus temperiert. Und Bewegungsmelder in den Bürolampen schalten von sich aus das Licht aus, wenn niemand im Raum ist. - Dass nun mit Pascal Husting einer der Top-Manager der Organisation ganz inkonsequent war, für seinen Weg zur Arbeit nicht die Bahn, sondern lange Zeit das Flugzeug genommen hat, sorgt für Ärger im Haus, erklärt Kirsten Brodde von Greenpeace Deutschland:
    "Wir haben ja schon alle unseren Lebensstil in Richtung getrimmt. Viele von uns haben kein Auto, wir essen ökologisch erzeugte Lebensmittel, wir haben alle Energiesparlampen reingeschraubt – und dann erwarten wir natürlich auch gerade von denjenigen, die uns führen, dass sie sich auch konform zu dem verhalten, was wir vertreten nach außen. Und daran entzündet sich der Ärger zurzeit."
    Zweieinhalb Jahre lang ist der Programmdirektor von Greenpeace International von der Zentrale in Amsterdam nach Luxemburg, zu seinem Wohnort und zurück gependelt. Zwei bis dreimal im Monat. Finanziert durch die Spenden von umweltbewegten Menschen. Mit dem Zug dauert die Reise fünf Stunden, mit dem Kurzstreckenflieger nur eine Stunde. Der Nachteil des Zeitgewinns: ein vielfach höherer CO2-Ausstoß. Weil das mit der Greenpeace-Forderung nach konsequentem Klimaschutz nicht zusammen passt, sollte Pascal Husting zurücktreten. Das fordern nicht nur Fördermitglieder auf den Internetseiten der Organisation, sondern auch viele Mitarbeiter. Kirsten Brodde sieht das anders und verweist auf seinen schon Ende Juni veröffentlichten Entschuldigungsbrief:
    "Mir hat es überhaupt nicht gefallen, dass Pascal diese Flüge getätigt hat. Und ich war echt froh, dass er sich öffentlich entschuldigt hat und gesagt hat: "Damit ist sofort Schluss!" Er steigt wieder auf die Bahn um. Damit kann ich persönlich leben. Damit, dass er gesagt hat: 'Ich habe einen Fehler gemacht. Kommt nicht wieder vor!' Ist abgehakt."
    Angst vor Kündigungen der Mitglieder
    Sie erwartet: Der Klimaschützer im Kurzstreckenjet wird viele Greenpeace-Förderer vertreiben. Und erst vor knapp zwei Monaten kam heraus, dass ein Greenpeace-Mitarbeiter in der Finanzabteilung der Organisation einen Schaden von 3,8 Millionen Euro verursacht hatte. Er wollte die Einnahmen aus Spendengeldern gegen Wechselkursverluste absichern und hatte – wohl eigenmächtig – ein externes Finanzinstitut mit Währungskäufen beauftragt. Der Mitarbeiter wurde entlassen. Dem Greenpeace-Programmdirektor und geläuterten Vielflieger Pascal Husting wird das nicht passieren. Husting arbeitet eng mit Greenpeace-Chef Kumi Naidoo zusammen und organisiert gerade eine der größten Umstrukturierungen in der Geschichte der Organisation: die Zentrale in Amsterdam soll Kompetenzen abgeben. Kampagnen sollen in Zukunft von den Länderbüros organisiert werden, in denen die Umweltprobleme herrschen.
    "Er spielt zurzeit eine wichtige Rolle! Er ist wichtig für die Zusammenarbeit mit Kumi. Das hat er auch ganz klar gesagt. Der will ihn behalten! Der hat ihm sozusagen jetzt auch gesagt: "OK. Aber offensichtlich brauchst Du ein Coaching, was bestimmte Führungsstärken oder –schwächen angeht!" Und ich finde gut, dass das jetzt passiert."
    Über 2.000 Förderer hat Greenpeace seit Bekanntwerden der misslungenen Währungsgeschäfte verloren. Der "Flight Issue", diese "Flug-Sache", wie es intern heißt, wird weitere Unterstützer kosten. Der CO2-Ausstoß von Hustings Flugreisen soll nun ausgeglichen werden, durch Spenden an Klimaschutzprojekte. Und der Umbau der Umweltschutzorganisation soll weitergehen. Zum Unmut vieler Mitarbeiter, die einen Umzug in ferne Länder fürchten. Wie groß der Unmut ist, zeigt sich auch daran, wie die "Flug-Sache" überhaupt herauskam. Nicht durch die Recherche von Journalisten, sondern durch Mitarbeiter der Amsterdamer Greenpeace-Zentrale.