Der Erste, der sich gleich nach dem Schiffsunglück vor Lampedusa mit schonungsloser Kritik zu Wort meldete, war ausgerechnet ein Mann aus Argentinien, Papst Franziskus.
"Ich komme nicht umher, mit tiefer Bestürzung der zahlreichen Opfer des erneuten Unglücks heute Morgen vor der Insel Lampedusa zu gedenken. Dazu fällt mir nur ein Wort ein: Schande."
Franziskus war schon drei Monate zuvor auf Lampedusa gewesen und hatte das Drama an der Immigrationsfront angeprangert:
"Viele Immigranten suchen nur einen besseren Ort zum Leben für sich und ihre Familien. Und wie oft haben sie dabei den Tod gefunden. Und wie oft stoßen die Überlebenden auf Unverständnis und Ablehnung statt auf Solidarität."
Damals hatten einige konservative, zum Teil auch fremdenfeindliche, Regierungspolitiker in Italien, sarkastisch auf die Mahnung des Pontifex reagiert: Über Immigration zu reden sei leicht, die Lösung der Probleme dagegen eine ganz andere Sache. Auf gut Deutsch: Lieber Papst, kümmere dich nicht um Dinge, die du nicht verstehst. Nach der Tragödie und den über 300 Todesopfern vor Lampedusa in der vergangenen Woche wird das Wort Schande nun allerorten gebraucht. Die Katastrophe hat die Weltöffentlichkeit erschüttert, es werden Schuldige gesucht und Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben. Italiens Parlamentspräsidentin Laura Boldrini, die frühere Sprecherin des UN-Flüchtlingskommissars empörte sich:
"Wir haben heute 28 Staaten in der EU. Und jeder hat seine eigenen Asyl- und Immigrationsgesetze. Wenn die Mitgliedsstaaten weiter daran festhalten wollen, brauchen wir auch nicht über ein geeintes Europa zu reden."
Italiens Regierung, die schon seit Langem das Problem der Anlandung von Flüchtlingsbooten nicht in den Griff bekommt, schob die Verantwortung für das Massensterben zumindest teilweise nach Brüssel ab. Italiens Innenminister Angelino Alfano:
"Europa muss stärker mithelfen bei der Rettung von Menschenleben. Wir liegen genau im Mittelmeer und haben bereits Tausende von Menschen gerettet. Wir möchten, dass uns Europa dabei mehr unterstützt."
"Ich komme nicht umher, mit tiefer Bestürzung der zahlreichen Opfer des erneuten Unglücks heute Morgen vor der Insel Lampedusa zu gedenken. Dazu fällt mir nur ein Wort ein: Schande."
Franziskus war schon drei Monate zuvor auf Lampedusa gewesen und hatte das Drama an der Immigrationsfront angeprangert:
"Viele Immigranten suchen nur einen besseren Ort zum Leben für sich und ihre Familien. Und wie oft haben sie dabei den Tod gefunden. Und wie oft stoßen die Überlebenden auf Unverständnis und Ablehnung statt auf Solidarität."
Damals hatten einige konservative, zum Teil auch fremdenfeindliche, Regierungspolitiker in Italien, sarkastisch auf die Mahnung des Pontifex reagiert: Über Immigration zu reden sei leicht, die Lösung der Probleme dagegen eine ganz andere Sache. Auf gut Deutsch: Lieber Papst, kümmere dich nicht um Dinge, die du nicht verstehst. Nach der Tragödie und den über 300 Todesopfern vor Lampedusa in der vergangenen Woche wird das Wort Schande nun allerorten gebraucht. Die Katastrophe hat die Weltöffentlichkeit erschüttert, es werden Schuldige gesucht und Verantwortlichkeiten hin- und hergeschoben. Italiens Parlamentspräsidentin Laura Boldrini, die frühere Sprecherin des UN-Flüchtlingskommissars empörte sich:
"Wir haben heute 28 Staaten in der EU. Und jeder hat seine eigenen Asyl- und Immigrationsgesetze. Wenn die Mitgliedsstaaten weiter daran festhalten wollen, brauchen wir auch nicht über ein geeintes Europa zu reden."
Italiens Regierung, die schon seit Langem das Problem der Anlandung von Flüchtlingsbooten nicht in den Griff bekommt, schob die Verantwortung für das Massensterben zumindest teilweise nach Brüssel ab. Italiens Innenminister Angelino Alfano:
"Europa muss stärker mithelfen bei der Rettung von Menschenleben. Wir liegen genau im Mittelmeer und haben bereits Tausende von Menschen gerettet. Wir möchten, dass uns Europa dabei mehr unterstützt."
"Kann nicht nur auf italienischen Schultern ruhen"
Es sah zunächst so aus, als wäre der Schock über Hunderte von Todesopfern vor den Toren Europas endlich ein Grund, das Thema Immigration zur gesamteuropäischen Chefsache zu erklären. Italiens Innenminister Angelino Alfano jedenfalls kam hoffnungsvoll aus der eilends einberufenen Innenministerkonferenz in Brüssel Anfang der Woche:
"Italien hat erreicht, dass die Grenzschutzbehörde Frontex mehr unternehmen muss, um die Meeresgrenzen effizienter zu überwachen. Vor allem hat Italien aber erreicht, dass das Problem von Lampedusa, das heißt, das Problem der Außengrenze im Mittelmeer, ein europäisches Problem ist, das nicht nur auf Italiens Schultern ruhen kann. Außerdem haben wir durchgesetzt, dass wir umgehend eine Mannschaft zusammenstellen aus allen interessierten Ländern, die sich des Problems der Immigration annehmen wollen. Unsere Vorschläge wurden positiv aufgenommen, sogar von Deutschland und anderen nordeuropäischen Ländern."
Doch was sich so hoffnungsvoll anhörte, erwies sich am Ende als wenig ergiebig. Eine weitere Gesprächsrunde zum Thema Immigration zieht das Problem in die Länge. Die Grenzschützer von Frontex sind nicht unumstritten und seit Langem mit eher bescheidenem Erfolg im Einsatz. Italiens eigentlicher Wunsch nach einer günstigeren Verteilung der ankommenden Flüchtlinge auf andere Länder wurde vor allem von deutscher Seite knallhart abgelehnt. Mit klaren Zahlen an der Hand: Deutschland hat bisher 570.000 Flüchtlinge aufgenommen, Italien knapp 60.000. Zumal Italien bereits seit Jahren Hilfe in Sachen Immigration aus Brüssel erhält, wie Michele Cercone, Sprecher der EU-Außenkommissarin Cecilia Malmström, erklärt:
"Wir haben viel getan und werden das auch weiterhin tun. Wir haben zum Teil die humanitären Organisationen finanziert, die in den Asyllagern tätig sind. Wir stehen in Kontakt mit den italienischen Behörden und sind jederzeit bereit einzugreifen; mit Finanzmitteln, aber auch mit Personal und Ausrüstung. Auch im Rahmen von Frontex. Ich glaube, es ist wirklich nicht sehr sinnvoll, einerseits ständig auf Brüssel zu schimpfen und andererseits zu meckern, dass keine Hilfe kommt."
Italien sei ein Sonderfall, insistierte der römische Verteidigungsminister Mario Mauri, und werde im Ernstfall von der EU nicht genügend unterstützt.
"Wenn man Europa um Hilfe in Sonderfällen bittet, stößt man meist auf Ablehnung. Dabei geht es gar nicht darum, dass wir unsere Verantwortung abwälzen wollen. Natürlich wissen wir, dass andere Länder eine größere Anzahl von Immigranten als wir aufnehmen. Jüngst sind in Bulgarien 11.000 Syrer angekommen. Aber man muss bedenken, dass vor allem jene ihr Leben riskieren, die auf dem Seeweg von Afrika nach Sizilien kommen."
"Italien hat erreicht, dass die Grenzschutzbehörde Frontex mehr unternehmen muss, um die Meeresgrenzen effizienter zu überwachen. Vor allem hat Italien aber erreicht, dass das Problem von Lampedusa, das heißt, das Problem der Außengrenze im Mittelmeer, ein europäisches Problem ist, das nicht nur auf Italiens Schultern ruhen kann. Außerdem haben wir durchgesetzt, dass wir umgehend eine Mannschaft zusammenstellen aus allen interessierten Ländern, die sich des Problems der Immigration annehmen wollen. Unsere Vorschläge wurden positiv aufgenommen, sogar von Deutschland und anderen nordeuropäischen Ländern."
Doch was sich so hoffnungsvoll anhörte, erwies sich am Ende als wenig ergiebig. Eine weitere Gesprächsrunde zum Thema Immigration zieht das Problem in die Länge. Die Grenzschützer von Frontex sind nicht unumstritten und seit Langem mit eher bescheidenem Erfolg im Einsatz. Italiens eigentlicher Wunsch nach einer günstigeren Verteilung der ankommenden Flüchtlinge auf andere Länder wurde vor allem von deutscher Seite knallhart abgelehnt. Mit klaren Zahlen an der Hand: Deutschland hat bisher 570.000 Flüchtlinge aufgenommen, Italien knapp 60.000. Zumal Italien bereits seit Jahren Hilfe in Sachen Immigration aus Brüssel erhält, wie Michele Cercone, Sprecher der EU-Außenkommissarin Cecilia Malmström, erklärt:
"Wir haben viel getan und werden das auch weiterhin tun. Wir haben zum Teil die humanitären Organisationen finanziert, die in den Asyllagern tätig sind. Wir stehen in Kontakt mit den italienischen Behörden und sind jederzeit bereit einzugreifen; mit Finanzmitteln, aber auch mit Personal und Ausrüstung. Auch im Rahmen von Frontex. Ich glaube, es ist wirklich nicht sehr sinnvoll, einerseits ständig auf Brüssel zu schimpfen und andererseits zu meckern, dass keine Hilfe kommt."
Italien sei ein Sonderfall, insistierte der römische Verteidigungsminister Mario Mauri, und werde im Ernstfall von der EU nicht genügend unterstützt.
"Wenn man Europa um Hilfe in Sonderfällen bittet, stößt man meist auf Ablehnung. Dabei geht es gar nicht darum, dass wir unsere Verantwortung abwälzen wollen. Natürlich wissen wir, dass andere Länder eine größere Anzahl von Immigranten als wir aufnehmen. Jüngst sind in Bulgarien 11.000 Syrer angekommen. Aber man muss bedenken, dass vor allem jene ihr Leben riskieren, die auf dem Seeweg von Afrika nach Sizilien kommen."
Gesamteuropäische Verantwortung
Dass man Europa nicht die Schuld für den Tod der Immigranten vor Lampedusa geben kann, hat der italienische Ministerpräsident Letta inzwischen zugegeben:
"Ich will mich hiermit entschuldigen für den mangelhaften Einsatz meines Landes, diese und andere Tragödien abzuwenden."
Im Gegenzug kassierte er das Bekenntnis von Kommissionspräsident José Barroso zu einer wie auch immer gearteten gesamteuropäischen Verantwortung.
"Europa kann nicht wegschauen, wenn Flüchtlingsboote untergehen und Hoffnungen und Leben zerstört werden."
Doch was bedeutet das konkret? Die Grenzschutzorganisation Frontex soll künftig verstärkt eingesetzt werden, die über 100 Schiffe und etwa 50 Flugzeuge und Hubschrauber werden das Mittelmeer noch besser überwachen, unterstützt von dem soeben in Straßburg verabschiedeten Grenzüberwachungssystem Eurosur. Die EU hat dafür über 200 Millionen Euro bewilligt. Eurosur sieht eine Vernetzung sämtlicher Grenzüberwachungssysteme sowie eine lückenlose Überwachung der EU-Außengrenzen vor. Nach dem Unglück von Lampedusa weisen Befürworter auf die lebensrettende Funktion der Grenzüberwachung hin. Skeptiker wie Holger Koop von der Menschenrechtsorganisation "Kein Mensch ist illegal”, halten das für Augenwischerei:
"Ich will mich hiermit entschuldigen für den mangelhaften Einsatz meines Landes, diese und andere Tragödien abzuwenden."
Im Gegenzug kassierte er das Bekenntnis von Kommissionspräsident José Barroso zu einer wie auch immer gearteten gesamteuropäischen Verantwortung.
"Europa kann nicht wegschauen, wenn Flüchtlingsboote untergehen und Hoffnungen und Leben zerstört werden."
Doch was bedeutet das konkret? Die Grenzschutzorganisation Frontex soll künftig verstärkt eingesetzt werden, die über 100 Schiffe und etwa 50 Flugzeuge und Hubschrauber werden das Mittelmeer noch besser überwachen, unterstützt von dem soeben in Straßburg verabschiedeten Grenzüberwachungssystem Eurosur. Die EU hat dafür über 200 Millionen Euro bewilligt. Eurosur sieht eine Vernetzung sämtlicher Grenzüberwachungssysteme sowie eine lückenlose Überwachung der EU-Außengrenzen vor. Nach dem Unglück von Lampedusa weisen Befürworter auf die lebensrettende Funktion der Grenzüberwachung hin. Skeptiker wie Holger Koop von der Menschenrechtsorganisation "Kein Mensch ist illegal”, halten das für Augenwischerei:
Dauerhafte Überwachung der Grenzen
"Das große Projekt, das Frontex maßgeblich mitbetreibt, ist Eurosur, also European Surveillance, sozusagen eine Vernetzung, Koordinierung, Anpassung der ganzen Grenzüberwachungsregime an den ganzen Außengrenzen. Das sozusagen mit extremer Hochtechnologie, militarisierter Technologie, mit Drohnen, mit Satelliten ganze Grenzen zu scannen und darüber auch wiederum Nachbarstaaten, die Regierungen der Nachbarstaaten zu beteiligen und einen neuen Fuß reinzubekommen, um das zu schaffen, einen neuen Ring, um Watchdog-Staaten, also Wachhundregierungen, dort zu installieren."
Hauptaufgabe von Frontex und Eurosur wird die dauerhafte Überwachung der Grenzen sein, offiziell, um sie sicherer zu machen. Und es werde helfen, grenzüberschreitende Verbrechen, wie Menschen- und Drogenhandel, besser zu verhindern, so die Innenkommissarin Cecilia Malmström. Durch die künftig unter allen Ländern vernetzte Information mithilfe von Überwachungssatelliten, könnten Angaben über die Bewegung von Flüchtlingsbooten rasch EU-weit verbreitet werden. Somit werde Eurosur auch die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot erleichtern.
"Das war ja schon der Fall mit EU-Geldern auch in Libyen und Tunesien. Weil das sind natürlich permanent die Versuche, wo Frontex sich zumindest bemüht, dort entsprechende Stellen auch zu schaffen, Liasonbeamte heißt das, als Verbindungsbeamte dort hinzuschicken, um zu Kooperationen zu kommen, dass sie ihnen ermöglicht, Deutschland Zugriff auf Daten auf Untersuchungen zu Fluchtbewegungen zu kommen, aber auch das Grenzverschieben noch weiter nach Süden zu verlagern, in Richtung der Wüsten, in Richtung der Routen, die dann durch die Sahara gehen."
Welchen Sinn es allerdings macht, die bevorstehende Anlandung eines Bootes an der italienischen Küste an Spanien oder gar an Deutschland zu melden, erschloss sich daraus allerdings nicht. Auch die viel gepriesene Seenotrettung ist nur ein willkommenes Nebenprodukt, um Kritikern der "Festung Europa” den Wind aus den Segeln zu nehmen, aber nicht erklärtes Ziel. Die Passage ist erst auf Druck des Europaparlaments in die Eurosur-Verordnung aufgenommen worden. Außerdem ist fraglich, ob sich der Migrationsfluss dadurch wirklich stoppen lässt. Deshalb muss eine Lösung für das Problem gefunden werden, das neben der Vermeidung von Tragödien und dem Tod von Menschen auf der Flucht mindestens ebenso wichtig ist: die Versorgung und Integration derer, die Europa lebend erreichen. Doch die italienische Realität sieht oft anders aus. Die Zustände sind fast überall unzumutbar.
Hauptaufgabe von Frontex und Eurosur wird die dauerhafte Überwachung der Grenzen sein, offiziell, um sie sicherer zu machen. Und es werde helfen, grenzüberschreitende Verbrechen, wie Menschen- und Drogenhandel, besser zu verhindern, so die Innenkommissarin Cecilia Malmström. Durch die künftig unter allen Ländern vernetzte Information mithilfe von Überwachungssatelliten, könnten Angaben über die Bewegung von Flüchtlingsbooten rasch EU-weit verbreitet werden. Somit werde Eurosur auch die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot erleichtern.
"Das war ja schon der Fall mit EU-Geldern auch in Libyen und Tunesien. Weil das sind natürlich permanent die Versuche, wo Frontex sich zumindest bemüht, dort entsprechende Stellen auch zu schaffen, Liasonbeamte heißt das, als Verbindungsbeamte dort hinzuschicken, um zu Kooperationen zu kommen, dass sie ihnen ermöglicht, Deutschland Zugriff auf Daten auf Untersuchungen zu Fluchtbewegungen zu kommen, aber auch das Grenzverschieben noch weiter nach Süden zu verlagern, in Richtung der Wüsten, in Richtung der Routen, die dann durch die Sahara gehen."
Welchen Sinn es allerdings macht, die bevorstehende Anlandung eines Bootes an der italienischen Küste an Spanien oder gar an Deutschland zu melden, erschloss sich daraus allerdings nicht. Auch die viel gepriesene Seenotrettung ist nur ein willkommenes Nebenprodukt, um Kritikern der "Festung Europa” den Wind aus den Segeln zu nehmen, aber nicht erklärtes Ziel. Die Passage ist erst auf Druck des Europaparlaments in die Eurosur-Verordnung aufgenommen worden. Außerdem ist fraglich, ob sich der Migrationsfluss dadurch wirklich stoppen lässt. Deshalb muss eine Lösung für das Problem gefunden werden, das neben der Vermeidung von Tragödien und dem Tod von Menschen auf der Flucht mindestens ebenso wichtig ist: die Versorgung und Integration derer, die Europa lebend erreichen. Doch die italienische Realität sieht oft anders aus. Die Zustände sind fast überall unzumutbar.
Im Regen auf Schaumgummimatratzen
Tumult am Tor des Lagers von Lampedusa. Polizei und Lagerleitung drängen Journalisten ab, um zu verhindern, dass die verheerenden hygienischen Zustände publik werden. Es sollen auch keinerlei Fotos in Umlauf kommen, die die Überlebenden des Schiffsunglücks vergangener Woche zeigen, wie sie im Regen auf Schaumgummimatratzen liegen müssen. Derzeit sind etwa 1000 Menschen in dem Erstaufnahmelager, das eigentlich nur 280 beherbergen kann. Darunter 200 Jugendliche und Kinder und die Überlebenden des jüngsten Schiffsunglücks. Raffaella Milano von der gemeinnützigen Organisation "Save the Children":
"Seit Beginn des Jahres sind etwa 4000 Kinder und Jugendliche nach Italien eingereist, davon 3000 alleine, ohne Begleitung der Eltern oder eines Erwachsenen. Wir brauchen dringend ein Gesetz, das sofortige Aufnahme und Schutz für alle Minderjährigen garantiert, die nach Italien kommen. Da muss Italien endlich einen Schritt nach vorne machen."
"Seit Beginn des Jahres sind etwa 4000 Kinder und Jugendliche nach Italien eingereist, davon 3000 alleine, ohne Begleitung der Eltern oder eines Erwachsenen. Wir brauchen dringend ein Gesetz, das sofortige Aufnahme und Schutz für alle Minderjährigen garantiert, die nach Italien kommen. Da muss Italien endlich einen Schritt nach vorne machen."
"So kann man doch nicht leben"
Erstaufnahmelager und Lager für Asylbewerber, sowie Unterkünfte für Minderjährige, werden von Privatfirmen geführt. Um zu sparen, werden die Konzessionen an jene Unternehmer vergeben, die das billigste Angebot machen. Sie erhalten pro Person und Tag zwischen 25 und 30 Euro. Je dichter die Immigranten sich drängen und je länger sie bleiben müssen, umso besser das Geschäft für die Betreiber. Schon seit geraumer Zeit sind die Einrichtungen für Neuankömmlinge und Asylbewerber unzureichend. Jetzt platzen sie aus allen Nähten. Sharif sitzt im Schatten der hohen Mauer, die das Asylantenlager von Marina Grande in Westsizilien umgibt. Der junge Mann ist aus Somalia geflohen.
"Wir haben große Probleme. Es ist Krieg. Und keiner weiß, wie lange der noch dauert. Also immer noch besser hier, als in meinem Land."
Sharif, der wie die meisten Migranten lieber keinen Nachnamen nennt, wartet schon seit einem Jahr vergebens auf seinen Asylbescheid. Lang halte er es nicht mehr aus. Das Leben im Lager sei die Hölle:
"Ich schlafe in einem Raum mit mehr als einhundert anderen Männern. Und alle haben sie Probleme, da sind Kranke und Leute, die durchdrehen. Alle hassen einander. So kann man doch nicht leben."
Aus den italienischen Lagern fliehen oft Hunderte Einwanderer auf einmal. Die wenigen Polizisten, die diese umzäunten Behelfsheime bewachen, sind hoffnungslos in der Minderzahl und deshalb völlig machtlos, wie sie selber zugeben. Fünf Meter hohe Zäune umgeben das geschlossene Abschiebelager in Trapani-Milo, aber auch sie halten die dort Eingesperrten nicht davon ab, das Weite zu suchen. Eine schwierige Situation, auch für die Anwohner, die hin und hergerissen sind zwischen Mitleid und Überforderung. Seit das Lager vor einigen Monaten direkt neben seinem Haus in Betrieb genommen wurde, hat Francesco Rossi keine Ruhe mehr.
"Grade eben sind wieder ein paar geflohen, zehn zwölf sind den Zaun hochgeklettert und wupps waren sie verschwunden.
"Trotz all der Gitter?"
"Ja, Sie hauen einfach ab, sie sind richtige Kletteraffen, solange sie uns hier nichts tun. Sind arme Hunde da drinnen eingesperrt. Soweit ich weiß werden sie dort identifiziert. Aber sie hauen ab, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Inzwischen kann man hier nachts nicht mehr schlafen."
"Sie können nicht mehr schlafen?"
"Sie machen einen ziemlichen Krawall. Sie rebellieren. Die einen hauen ab, die anderen proben den Aufstand."
In Italien können illegale Einwanderer bis zu eineinhalb Jahre lang eingesperrt werden, und sie versuchen deshalb, so schnell wie möglich unterzutauchen und das Land zu verlassen. Denn, so Italiens Innenminister Angelino Alfano:
"Sie kommen doch nicht, um sich bei uns an die Strände zu legen, sondern sie wollen weiter in andere europäische Länder."
"Wir haben große Probleme. Es ist Krieg. Und keiner weiß, wie lange der noch dauert. Also immer noch besser hier, als in meinem Land."
Sharif, der wie die meisten Migranten lieber keinen Nachnamen nennt, wartet schon seit einem Jahr vergebens auf seinen Asylbescheid. Lang halte er es nicht mehr aus. Das Leben im Lager sei die Hölle:
"Ich schlafe in einem Raum mit mehr als einhundert anderen Männern. Und alle haben sie Probleme, da sind Kranke und Leute, die durchdrehen. Alle hassen einander. So kann man doch nicht leben."
Aus den italienischen Lagern fliehen oft Hunderte Einwanderer auf einmal. Die wenigen Polizisten, die diese umzäunten Behelfsheime bewachen, sind hoffnungslos in der Minderzahl und deshalb völlig machtlos, wie sie selber zugeben. Fünf Meter hohe Zäune umgeben das geschlossene Abschiebelager in Trapani-Milo, aber auch sie halten die dort Eingesperrten nicht davon ab, das Weite zu suchen. Eine schwierige Situation, auch für die Anwohner, die hin und hergerissen sind zwischen Mitleid und Überforderung. Seit das Lager vor einigen Monaten direkt neben seinem Haus in Betrieb genommen wurde, hat Francesco Rossi keine Ruhe mehr.
"Grade eben sind wieder ein paar geflohen, zehn zwölf sind den Zaun hochgeklettert und wupps waren sie verschwunden.
"Trotz all der Gitter?"
"Ja, Sie hauen einfach ab, sie sind richtige Kletteraffen, solange sie uns hier nichts tun. Sind arme Hunde da drinnen eingesperrt. Soweit ich weiß werden sie dort identifiziert. Aber sie hauen ab, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Inzwischen kann man hier nachts nicht mehr schlafen."
"Sie können nicht mehr schlafen?"
"Sie machen einen ziemlichen Krawall. Sie rebellieren. Die einen hauen ab, die anderen proben den Aufstand."
In Italien können illegale Einwanderer bis zu eineinhalb Jahre lang eingesperrt werden, und sie versuchen deshalb, so schnell wie möglich unterzutauchen und das Land zu verlassen. Denn, so Italiens Innenminister Angelino Alfano:
"Sie kommen doch nicht, um sich bei uns an die Strände zu legen, sondern sie wollen weiter in andere europäische Länder."
Manche Asylbewerber wollen zurück in die Heimat
Die europäischen Vorschriften, die dieses verbieten und damit in vielen Fällen auch durchaus wünschenswerte Familienzusammenführungen verhindern, sind der Hauptgrund, warum sich viele Immigranten gegen die Identifizierung wehren und aus den Abschiebelagern fliehen. Sind ihre Daten erst einmal erfasst, erhalten sie zwar möglicherweise Asyl, können aber Italien nicht mehr verlassen. Andere, wie der Senegalese Ibrahim, verlassen die Lager aus Angst vor Abschiebung und bereuen es schon nach kurzer Zeit. Er verdingte sich als Erntehelfer, als Arbeitssklave auf den Orangenplantagen der Mafia. Jetzt ist er krank, lebt unter einer Plastikplane in einem Barackenlager in Kalabrien und wünscht sich sehnlichst, man würde ihn wieder zurück in seine Heimat schicken.
"Sie können sich das Leiden hier nicht vorstellen. Alle sind krank. Ich auch, hatte aber kein Geld für Medikamente, musste mir was leihen. Viele würden hier gerne abhauen, aber es gibt keine Möglichkeit."
Kein Geld, keine Arbeit, krank und alleine gelassen: das Schicksal vieler, die nicht aus Italien geflohen sind. Nur ab und zu besuchen Freiwillige von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" die verschiedenen Camps der illegalen Landarbeiter. Sie haben festgestellt, dass nicht wenige Immigranten bei bester Gesundheit in Italien ankommen, aber bereits nach sechs bis zwölf Monaten erhebliche Gesundheitsschäden vorweisen, wegen Unterernährung, Überarbeitung und der katastrophalen hygienischen Verhältnisse, in denen sie leben müssen und die oft schlimmer sind, als in den Herkunftsländern. Hilfsmaßnahmen für Rückkehrwillige scheitern bislang an mangelnder finanzieller Unterstützung. Dagegen werden Milliardenbeträge für zweifelhafte Hilfsaktionen aus dem Fenster geworfen. So geschehen vor gut zwei Jahren, als etwa 35.000 Flüchtlinge aus Nordafrika vom Staat in überteuerten drittklassigen Hotels untergebracht wurden, die zum Teil von der Mafia betrieben werden. Von den angekündigten und bereits bezahlten Integrationsmaßnahmen keine Spur.
"Sie können sich das Leiden hier nicht vorstellen. Alle sind krank. Ich auch, hatte aber kein Geld für Medikamente, musste mir was leihen. Viele würden hier gerne abhauen, aber es gibt keine Möglichkeit."
Kein Geld, keine Arbeit, krank und alleine gelassen: das Schicksal vieler, die nicht aus Italien geflohen sind. Nur ab und zu besuchen Freiwillige von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" die verschiedenen Camps der illegalen Landarbeiter. Sie haben festgestellt, dass nicht wenige Immigranten bei bester Gesundheit in Italien ankommen, aber bereits nach sechs bis zwölf Monaten erhebliche Gesundheitsschäden vorweisen, wegen Unterernährung, Überarbeitung und der katastrophalen hygienischen Verhältnisse, in denen sie leben müssen und die oft schlimmer sind, als in den Herkunftsländern. Hilfsmaßnahmen für Rückkehrwillige scheitern bislang an mangelnder finanzieller Unterstützung. Dagegen werden Milliardenbeträge für zweifelhafte Hilfsaktionen aus dem Fenster geworfen. So geschehen vor gut zwei Jahren, als etwa 35.000 Flüchtlinge aus Nordafrika vom Staat in überteuerten drittklassigen Hotels untergebracht wurden, die zum Teil von der Mafia betrieben werden. Von den angekündigten und bereits bezahlten Integrationsmaßnahmen keine Spur.
Lagerkapazitäten müssten verdoppelt werden
Diese Zustände sind in Italien hausgemacht, galten aber bisher bei den eher fremdenfeindlichen römischen Regierungsvertretern aus dem Lager von Silvio Berlusconi und der Lega Nord als notwendiger Teil einer Abschreckungsstrategie. Nach dem Unglück von Lampedusa will Italiens Regierung nun aber einlenken. Schon im Dezember sollen 210 Millionen Euro für neue Aufnahmelager bereitgestellt werden. Italien will die Bilder der überfüllten Lager von Lampedusa vor den Augen der Weltöffentlichkeit schnellstmöglich wieder loswerden.
"Darin wird, wie ich jetzt schon verraten darf, ein wichtiger Posten von 20 Millionen Euro für die Betreuung von Minderjährigen enthalten sein."
Ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Lagerkapazitäten müssten mindestens verdoppelt werden, um die bisherigen Zustände zu verbessern. Im Asylbewerberlager Mineo etwa, einem ehemaligen Wohnkomplex amerikanischer Soldaten im Herzen von Sizilien, leben derzeit 4000 Menschen, obwohl es eigentlich nur 1000 aufnehmen kann. Eine Situation, die sich eher verschlechtern wird, wie Italiens Staatspräsident Napolitano in dieser Woche erklärte:
"Das Recht auf Leben ist bedroht von Kriegen, von Konflikten und von Unterdrückung in zahlreichen Ländern, weshalb derzeit eine regelrechte Welle von Flüchtlingen zu uns schwappt, alles Menschen, die Asyl suchen. Wir müssen eine gemeinschaftliche Anstrengung unternehmen, angesichts dieser gravierenden Notsituation jenseits der europäischen Südgrenzen, die ein grundsätzliches Problem auch für Europa, seine Sicherheit und seinen Fortschritt darstellt."
"Darin wird, wie ich jetzt schon verraten darf, ein wichtiger Posten von 20 Millionen Euro für die Betreuung von Minderjährigen enthalten sein."
Ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Lagerkapazitäten müssten mindestens verdoppelt werden, um die bisherigen Zustände zu verbessern. Im Asylbewerberlager Mineo etwa, einem ehemaligen Wohnkomplex amerikanischer Soldaten im Herzen von Sizilien, leben derzeit 4000 Menschen, obwohl es eigentlich nur 1000 aufnehmen kann. Eine Situation, die sich eher verschlechtern wird, wie Italiens Staatspräsident Napolitano in dieser Woche erklärte:
"Das Recht auf Leben ist bedroht von Kriegen, von Konflikten und von Unterdrückung in zahlreichen Ländern, weshalb derzeit eine regelrechte Welle von Flüchtlingen zu uns schwappt, alles Menschen, die Asyl suchen. Wir müssen eine gemeinschaftliche Anstrengung unternehmen, angesichts dieser gravierenden Notsituation jenseits der europäischen Südgrenzen, die ein grundsätzliches Problem auch für Europa, seine Sicherheit und seinen Fortschritt darstellt."
Papst: Solidarität als Schimpfwort
Viele Menschen werden auch weiterhin das Weite suchen und ungeachtet aller europäischen Vorschriften ihren eigenen Weg gehen, Richtung Frankreich, nach Skandinavien, Deutschland oder England. Auf der Suche nach einem besseren Leben und in der Hoffnung auf die auch von Papst Franziskus dringend beschworene Solidarität.
"Solidarität: Dieses Wort macht in der Welt der Reichen Angst. Man will dieses Wort gar nicht mehr aussprechen. Als wäre es ein Schimpfwort."
"Solidarität: Dieses Wort macht in der Welt der Reichen Angst. Man will dieses Wort gar nicht mehr aussprechen. Als wäre es ein Schimpfwort."