
Die Reaktionen auf die Entscheidung des neuen deutschen Innenministers Alexander Dobrindt, die Grenzkontrollen zu verstärken und nun auch Asylsuchende zurückzuweisen, zeigen, was passiert, wenn Populismus auf politische Realität trifft.
Was hatte Friedrich Merz nicht alles angekündigt, so hart in der Rhetorik, dass von der Humanität, die immer mit Ordnung im Zweiklang genannt wurde, nichts mehr übrigblieb: Ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise werde man zurückweisen. Von einem faktischen Einreiseverbot war die Rede. Es lässt einen fast aufatmen, dass das nicht kommt und zumindest vulnerable Gruppen trotzdem noch mit Asylgesuch nach Deutschland dürfen.
Belastung für die Bundespolizei
Für die Bundespolizei heißt das jetzt, massiv Überstunden machen und Beamte und Beamtinnen woanders abziehen zu müssen. Dass sich das nur für einen begrenzten Zeitraum umsetzen lassen wird, machen die Polizeigewerkschaften jetzt schon deutlich. Hinzu kommt, dass das Vorhaben rechtlich nach wie vor höchst problematisch ist.
Denn Dobrindt nimmt erst einmal nur eine mündliche Weisung von 2015 – also vom damaligen Innenminister Thomas de Maizière – zurück. Diese richtet sich an die Bundespolizei und besagt, dass Schutzsuchende nicht zurückgewiesen werden dürfen – was aber auch damals nur eine Betonung der Rechtslage war, die bis heute gilt.
Dobrindt beruft sich auf eine Ausnahmeklausel
Denn nach europäischem Recht muss jemand, der „Asyl“ sagt, erst einmal ins Land gelassen werden, um zumindest die Zuständigkeit für das Verfahren zu klären, und das steht über dem nationalen Recht, das Zurückweisungen in sichere Drittstaaten erlauben würde.
Dobrindt will diesem nun den Vorrang geben und beruft sich dabei auf eine Ausnahmeklausel im europäischen Recht, für die es aber hohe Hürden gibt. Vor allem mit der Zurücknahme der Weisung bedient er aber erst einmal auch die Legende, es seien von der Regierung Merkel und dem damaligen Innenminister de Maizière ganz bewusst die Grenzen geöffnet worden. Das war aber nie der Fall.
Dissens könnte auf dem Rücken Schutzsuchender ausgetragen werden
Auch die Nachbarstaaten fühlen sich vor den Kopf gestoßen, weisen das Vorgehen Deutschlands zurück. Das haben zum Beispiel die Polen dem neuen deutschen Kanzler gestern recht deutlich gemacht. Soviel zum neuen Verhältnis mit den europäischen Partnern. Es besteht nun die Gefahr, dass Menschen zwischen den Grenzen hin- und hergeschoben werden und der Dissens auf ihrem Rücken ausgetragen wird, nur weil die Union vor der Wahl die Erwartung aufgebaut hat, dass am ersten Tag die volle Härte gezeigt werden muss.
Man muss nun sehen, ob und wie man sich noch einigen kann, oder ob doch ein Land den Weg der Klage geht und ob der EuGH dann zum ersten Mal akzeptieren würde, dass ein Land über eine Ausnahmeklausel, auf die sich nun auch Deutschland beruft, nationales über europäisches Recht stellt. Bislang ist das noch keinem Staat gelungen.
Stresstest für die neue Koalition
Dass es nun Kritik aus den Nachbarstaaten gibt, könnte sich auch auf die Koalition auswirken, noch bevor sie überhaupt richtig losgelegt hat. Denn die SPD hat dem Vorhaben eben nur unter der Bedingung zu gestimmt, dass man sich mit den Staaten rund um Deutschland abstimmt. Die Begeisterung hält sich bei den Sozialdemokraten also auch in Grenzen.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, das Alexander Dobrindt mit einem europarechtlich heiklen Vorhaben, dem die SPD nur unter Bedingungen zugestimmt hat, in ein Ministeramt startet. Beim letzten Mal, bei der PKW-Maut, ging es nicht im Sinne der CSU aus.