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Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien beibehalten

Der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch, SPD, hat sich wie sein CDU-Amtskollege aus Sachsen dafür ausgesprochen, die Personenkontrollen an den Grenzen zu Polen und Tschechien noch nicht in zwei Jahren wegfallen zu lassen. Zunächst müsste man den beiden Ländern helfen, die Sicherheitsstandards an den jeweiligen EU-Außengrenzen zu verbessern.

Moderation: Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Soeben endete in Stuttgart die Frühjahrskonferenz der Innenminister der Bundesländer. Ein Thema der Konferenz waren die Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien. Anders als nach Holland oder Belgien gibt es da ja noch Personenkontrollen, die nach Plänen des zuständigen EU-Kommissars in zwei Jahren wegfallen könnten. Am Telefon ist Karl Peter Bruch, Sozialdemokrat und Innenminister von Rheinland-Pfalz. Herr Bruch, Ihr CDU-Amtskollege aus Sachsen, Innenminister Thomas de Maizière, hat davor gewarnt, die Kontrollen in zwei Jahren schon wegfallen zu lassen, sie seien weiterhin nötig. Sind Sie auch dieser Ansicht?

    Karl Peter Bruch: Ich glaube schon, dass der Kollege de Maizière da Recht hat. Diese zwei Jahre sind etwas widersprüchlich in die Diskussion gekommen. Man muss sehen, dass der klare Auftrag lautet, die Grenzkontrollen können dann entfallen, wenn Schengen-Standard an den Außengrenzen erreicht ist. Also hier muss man den Kolleginnen und Kollegen Innenministern oder den anderen Ministern der Länder, sprich Polen oder Tschechien, helfen, damit sie diese Standards erreichen.

    Spengler: Was heißt das, Schengen-Standard?

    Bruch: Schengen-Standard heißt, bestimmte Stärken an den Grenzen vorzuhalten, dann bestimmte Techniken zu haben, die technischen Voraussetzungen also bei den Grenzkontrollen müssen sichergestellt sein und natürlich auch: die Leute müssen da sein, die die Kontrollen auch durchführen können. Sie müssen sich vorstellen, allein Polen hat 1500 Kilometer Grenze zu Ukraine und zu Weißrussland.

    Spengler: Und da ist der Standard noch lange nicht erreicht?

    Bruch: Wir gehen davon aus, dass die Polen sich - und die bemühen sich sehr, das dort zu machen, aber ob die in zwei Jahren den Standard erreicht haben, muss man evaluieren, also überprüfen und das soll eigentlich gemacht werden, das ist auch der Sinn der Angelegenheit.

    Spengler: Und Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, das war Konsens in der Innenministerkonferenz?

    Bruch: Das war Konsens und es gibt eigentlich auch da keine Schwierigkeiten mit dem Bund, sondern es gibt einfach nur die Sorge, dass man sagt: Will die EU jetzt zu schnell handeln?

    Spengler: Ja. Folgen Sie dem Herrn de Maizière denn auch, der als Ausgleich für die Aufhebung der Kontrollen, die ja irgendwann kommen soll, eine ganze Liste von Maßnahmen vorgeschlagen hat - Fotos von Autokennzeichen, verdachtsunabhängige Kontrollen, Nutzen des Mautsystems zur LKW-Überwachung? Das ist ein bisschen ja fast ein Gruselkatalog der Überwachung.

    Bruch: Also diesen Katalog haben wir nicht besprochen. Es war auch nicht Gegenstand, sondern es war nur Gegenstand die Frage: Ist die Evaluierung der EU in zwei Jahren möglich oder ist sie nicht möglich?

    Spengler: Gut, das Ergebnis haben wir gehört. Ein anderes Thema der Konferenz ist die jüdische Zuwanderung aus Osteuropa. Dabei soll es ja - wenn ich es recht verstanden habe - prinzipiell bleiben, aber künftig soll es auch Einschränkungen geben. Welche Einschränkungen wären denn das?

    Bruch: Ich glaube, hier hat die Arbeitsgruppe der Innenminister unter Federführung von Schleswig-Holstein, Dr. Ralf Stegner, und Dr. Beckstein in Bayern eine gute Arbeit vorgelegt, nämlich es geht darum, dass man dieses sensible Thema jüdischer Zuwanderung auch mit den Betroffenen lösen kann, muss. Und dies ist geschehen. Wir haben einen Lösungsvorschlag erhalten, dem haben wir auch einstimmig zugestimmt, dass gemeinsam mit den jüdischen Gemeinden - auch mit den progressiven Gemeinden - und dem zuständigen Bundesamt für Flüchtlingsfragen die Zuwanderung dort kanalisiert wird und gelöst wird.

    Spengler: Also eine kontrollierte Zuwanderung, so kann man sagen?

    Bruch: Eine kontrollierte Zuwanderung. Wir gehen noch von zirka 27.000 bis 30.000 jüdischen Interessierten aus, die bei uns einwandern, also einwandern können und auch sollen.

    Spengler: Herr Bruch, kommen wir noch zu einem dritten Thema, was auch auf der Konferenz eine Rolle gespielt hat, die Rückführung von Flüchtlingen aus dem Kosovo, aus Afghanistan und dem Irak, das fordern eine ganze Menge Ihrer Kollegen. Wäre denn eine Rückführung so allgemein inzwischen zu verantworten angesichts der Meldungen, die uns aus diesen Staaten täglich erreichen?

    Bruch: Also da gibt es eine unterschiedliche Einschätzung der Innenministerkonferenz. Während Kolleginnen und Kollegen von der B-Seite, also der CDU-geführten Länder, zum Teil sagen, man kann zurückführen, jedoch sehr dezidiert und genau hinschauend, sind die so genannten A-Länder, also die sozialdemokratisch geführten Länder, eher der Meinung, sehr sorgfältig zu schauen und eine große Zurückhaltung an den Tag zu legen. Wir selbst sind ja für ein Bleiberecht, also Rheinland-Pfalz, für ein Bleiberecht eingetreten für Kosovaren, die seit acht, neun Jahren hier leben und sich integriert haben. Also das ist alles ein schwieriges Feld und da gibt es keine einheitliche Linie in dem Sinn, dass man sagt, wir wollen jetzt sie alle zurückführen. Es gibt auch keine einheitliche Linie, die sagt, wir wollen sie alle hier behalten.

    Spengler: Man müsste doch auch differenzieren zum Beispiel zwischen den Staaten? Also Afghanistan, die Situation ist sicher doch anders als Kosovo oder gar Irak.

    Bruch: Genau das ist der Punkt. Also ich denke, dass haben wir auch gemacht und da gibt es auch eine Einigkeit, dass wir in Afghanistan einzeln abführen, ja, das geht, das macht Hamburg hauptsächlich, weil die haben auch eine große Zahl von Afghanen. Im Irak sieht die Sache sehr viel schwieriger aus, wie es jetzt aussieht. Und im Kosovo immer noch große Schwierigkeit überhaupt Rückführungen durchzuführen, da gibt es auch Minderheitenfragen. All das ist weiter in der Diskussion und wird auch den Bundesinnenminister weiter beschäftigen.

    Spengler: Das heißt, es ist da heute kein Entschluss, kein Beschluss gefällt worden?

    Bruch: Es ist kein neuer Beschluss gefällt worden, es ist dabei geblieben, dass wir gesagt haben, im Irak ist es fast nicht möglich, da sollen nur zugeführt werden in den Irak Leute, die halt eben schwere Straftaten verübt haben, ganz schwere Straftaten, und die sollen auch zurückgeführt werden, aber auch das ist schon schwierig genug. In Afghanistan ist es ähnlich. Im Kosovo gibt es eigentlich die Meinung, dass man hier sagen muss, wir gucken uns das noch mal genauer an mit UNMIK, also der zuständigen Dienststelle dort, wir gucken uns auch genauer an mit dem Flüchtlingskommissar der UN und dann werden wir neu entscheiden. Ich denke, es gibt eine Linie, die sagt, wir werden über Kosovo bald reden müssen über ein Bleiberechtsregelung hier.

    Spengler: Eine Bleiberechtsregelung, die allgemeiner Art ist oder die nur Kinder und Jugendliche betrifft?

    Bruch: Die mit dem Kosovo allgemeiner Art sein wird, die natürlich vordergründig erst mal Kinder und Jugendliche und Familien haben wird, aber dort werden wir eine Lösung finden müssen, einfach weil wir die Leute auch nicht zeitnah zurückführen können.

    Spengler: Warum nicht?

    Bruch: Weil Bleiberechtsregelungen immer davon abhängen, wie ist derjenige hier hergekommen, hat er es selbst verschuldet, dass er nicht zurückkann, gibt es Krankheitsfälle. Und dann gibt es die schiere Zahl. Also wenn Sie sie zurückführen wollen, ist einfach die Schwierigkeit, sie in bestimmte Regionen zurückzuführen im Kosovo.

    Spengler: Und das Vorgehen der Bundesländer, darauf kann man sich verlassen, ist dann auch einheitlich? Das heißt, nicht dass da Hamburg völlig anders agiert als Bayern oder Rheinland-Pfalz oder Brandenburg.

    Bruch: Es gibt im Grunde genommen da nur einen Unterschied, wer eine große Zahl von bestimmten Flüchtlingen hat. Also Hamburg hat eine große Anzahl von afghanischen Flüchtlingen, das spielt in Rheinland-Pfalz eine sehr untergeordnete, geringe Rolle, weil wir haben nur 170 bis 300 etwa, das schwankt ja manchmal. Und es gibt, im Irak zum Beispiel haben die Bayern große Probleme, weil die haben viele irakische Flüchtlinge. Also da gibt es unterschiedliche Einschätzungen und unterschiedlichen Druck auch in den Ländern.