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Grenzüberschreitender Atom-GAU

Das französische Kernkraftwerk Cattenom steht unmittelbar an der deutsch-luxemburgischen Grenze. Lange Zeit fühlten sich die Anrainer Saarland, Rheinland-Pfalz, Luxemburg und die belgische Wallonie hilflos, weil Informationen über Zwischenfälle nicht in gewünschter Weise flossen. Eine gemeinsame Notfallübung soll für einen Neubeginn sorgen.

Von Tonia Koch | 29.06.2012
    Im Lagezentrum des saarländischen Innenministeriums in Saarbrücken, schauen die Mitglieder des Krisenstabes gebannt auf ihre Bildschirme. Die Lage ist Ernst, zumindest im zugrunde liegenden atomaren Szenario, erläutert Übungsleiter Uwe Schröder:

    "Heute morgen gab es eine telefonische Warnmeldung über ein technisches Problem über das elektronische System Teletam."

    Teletam ist so etwas wie eine direkte Telefonhotline, die vom französischen Kernkraftwerksbetreiber genutzt werden kann, um die Behörden in den Anrainerstaaten über Störfälle in Cattenom zu informieren. Angenommen wurde ein Leck im Kühlkreislauf, ein Störfall, der sich zum worst case auswachsen könnte, so Schröder.

    "Der Fall der Fälle wäre bei einem solchen Szenario eine Kernschmelze."

    Der Umgang mit der schlimmsten anzunehmenden atomaren Katastrophe wird erst in Phase drei der Übung getestet, wenn im Frühjahr kommenden Jahres Frankreich die Federführung der grenzüberschreitenden Katastrophenschutzübung übernimmt. Erst dann werden Polizei, Feuerwehr und Katastrophenschutzeinheiten aktiviert. Zunächst gehe es darum, herauszufinden, inwieweit die unterschiedlichen Krisenpläne, die in den einzelnen Ländern vorliegen, zueinanderpassen und wie der Informationsfluss über die zu ergreifenden Gegenmaßnahmen sicher gestellt werden kann. Thomas Albert.

    "Wir sind jetzt hier in der Übungssteuerung und fassen die Maßnahmen der einzelnen Länder zusammen. Was rund ums Kernkraftwerk passiert, im 2-Kilometer, 4-Kilometer, 8-Kilometer-Radius, Verteilung von Jodtabletten, Einschränkungen, was Lebensmittel angeht, und Trinkwasser."

    Natürlich ist die technische Seite bei dieser ersten grenzüberschreitenden atomaren Notfallübung von Bedeutung, schwerwiegender ist allerdings die politische Dimension. Die Übung findet statt und das deutet darauf hin, dass die französische Seite damit beginnt, umzudenken. Der erst seit wenigen Tagen im Amt befindliche lothringische Präfekt unterstreicht dies.

    "Es liegt im Interesse der Großregion, im Einklang mit den nationalen Behörden die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Falle einer Krise auf den Weg zu bringen; und das mit absoluter Transparenz, weil alle, die betroffen sind, auch informiert werden müssen."

    Nacer Meedah lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass in absehbarer Zeit nicht damit zu rechnen sein wird, dass die an Frankreich angrenzenden Regionen und Länder, Rheinland-Pfalz, das Saarland, das Großherzogtum Luxemburg und Wallonien dieses gemeinsame Vorgehen im Hinblick auf Cattenom rechtlich einfordern können. Das, so der Präfekt, sei ebenso wie die Energiepolitik, Sache der Nationalstaaten.

    Die saarländische Innenministerin Monika Bachmann ist trotzdem froh darüber, dass Frankreich endlich mehr Offenheit gegenüber den Informationsbedürfnissen der Nachbarn zeigt.

    "Der politische Wille ist jetzt da, miteinander zu arbeiten, Vorsorge zu treffen, um im Ernstfall gerüstet zu sein, was wir nie hoffen, dass dieser Ernstfall letztendlich eintritt."