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Grexit
In der Krise gibt es auch Chancen

Einen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone, den sogenannten Grexit, halten viele Politiker für den denkbar schlechtesten Ausgang der gegenwärtigen Krise. Sie bietet aber auch viele Chancen, wie das Beispiel eines griechischen Matratzenherstellers zeigt, der in Deutschland eine Niederlassung hat.

Von Anja Nehls | 21.02.2015
    Ungewisse Zukunft Griechenlands: nachdenkliche Manager Figuren stehen vor griechischer Flagge und griechischem Euro mit Schriftzug Grexit
    Ungewisse Zukunft Griechenlands. (imago)
    Der riesige Laden ist direkt an der Leipziger Straße in Mitte, fast an der Friedrichstraße - beste Lage. Cocomat - aus Griechenland in die Welt - steht an der Wand und verkauft werden hier hochwertige Matratzen und Kissen ausschließlich aus Naturmaterial, recycelbar, Made in Griechenland, erklärt Mina Kalaitzi:
    "Also hier ist so eine Matratze, die ist immer mit Lagen. Naturkautschuk und Kokosfasern sind immer mit dabei. Hier haben wir Kaktusfasern, hier Eukalyptusblätter, Rosshaar, Seegras, Kokosfasern."
    Zwischen eineinhalb und 7.000 Euro kostet so eine Matratze. Cocomat hat Läden in 13 Ländern, davon vier in Deutschland. Hier in Berlin gehören auch reiche Russen zu den Kunden. Produziert wird ausschließlich in Griechenland. Die aktuelle Krise um die Finanzen beobachtet Mina Kalaitzi sehr genau:
    "Als Griechin, okay, macht es mir Angst, aber als Cocomat nicht. Wir sind eine Firma, die über 220 Leute beschäftigt und von daher würde uns jede Regierung beschützen, sagen wir mal so. Wir sind optimistisch, es wird schon. Also, Krise ist nicht immer schlecht, es gibt die Möglichkeit, Chancen zu nehmen, wo man sagen kann, da könnte ich was machen."
    Und zwar in Griechenland. Falls es zum Grexit, also zum Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone, kommen sollte, würden sich die Produktionsbedingungen in Griechenland vergünstigen, vermutet Mina Kalaitzi, die bis vor fünf Monaten noch in Griechenland gelebt und gearbeitet hat. Cocomat versucht jetzt bereits möglichst viele Rohstoffe aus Griechenland zu verwenden, um die Wirtschaft zu stärken, aber es wäre noch mehr möglich:
    "Schafswolle leider müssen wir auch einkaufen, weil in Griechenland gibt es keine so eine große Waschanlage. Das wäre ein Punkt, wo ein junger Unternehmer sagen könnte, da ist eine Marktlücke, da könnte ich rein."
    Stattdessen heben viele Griechen jetzt ihr Geld ab, bringen es ins Ausland, investieren zum Beispiel in Immobilien in Deutschland. Mina Kalaitzi hat ihr Haus in Athen erstmal behalten:
    "Ich würde das nicht machen, denn man macht das Land dabei kaputt. Wenn man das Geld rausschafft, dann unterstützt man die Krise noch mehr."
    Geld-Abzug der Griechen - ein fatales Zeichen
    Aber auch Ausländer investieren zur Zeit kaum in Griechenland. Die Krise lähmt, sagt André Schwarz vom Bundesverband Groß- und Außenhandel.
    "Und das Signal ist fatal für ausländische Investoren, die dann sagen, ja, wenn ihr selber schon nicht an Euch und Euer Land glaubt, warum sollen wir dann investieren. Es gibt große Defizite in den Grundbucheinträgen, das heißt, dass sie gar nicht rechtsverbindlich ein Grundstück, eine Immobilie erwerben können und und und, also das sind die Probleme, die alle mit einem Grexit überhaupt nicht zu lösen sind."
    Sowohl im Import, als auch im Exportgeschäft mit Deutschland spielt Griechenland kaum eine Rolle. Importiert werden hauptsächlich Agrarprodukte, ausgeführt Maschinen und Anlagen, chemische Erzeugnisse und alles rund ums Auto. Sollte dieser Markt für Deutschland komplett zusammenbrechen, wäre das für die deutsche Wirtschaft aber verkraftbar, meint André Schwarz. Im Export läuft der Handel seit Langem aus Angst vielfach nur mit Vorkasse. Für die Ausfuhr von Matratzen aus Griechenland nach Deutschland wäre ein Grexit sogar eher eine Chance, als eine Katastrophe meint Mina Kalaitzi:
    "Wenn jetzt auch die Drachme wieder zurückkommen würde, würde ich sagen, das wäre auch wieder eine große Chance, mehr zu verkaufen, weil es billiger wäre."
    Ähnliches könnte dann für griechische Oliven oder Schafskäse gelten. Das Problem mit einem möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ist für André Schwarz vom Außenhandelsverband aber viel weitreichender:
    "Steckt das nun andere Länder an oder steckt das nicht an. Da gehen die Meinungen auseinander, aber das weiß niemand, das muss man ganz klar sagen."
    Dass Griechenland wirklich aussteigt, glaubt Mina Kalaitzi nicht. Irgendwie sei es schließlich immer weitergegangen:
    "Schon seit zehn Jahren höre ich, dass die Katastrophe kommt, sie ist noch nicht da, von daher sage ich mal, ich warte immer noch darauf."