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"Griechenland hilft man mit niedrigen Zinsen"

Griechenland braucht eine "langfristige Lösung" statt Refinanzierungsprogramme, sagt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Mit Garantien könnten Gläubiger bereit sein, Geld anzulegen. Dazu schlägt er einen Griechenland-Fonds vor.

Christoph Schalast im Gespräch mit Christoph Heinemann | 29.06.2011
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist jetzt Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Guten Tag!

    Christoph Schalast: Guten Tag!

    Heinemann: Herr Schalast, es ist der unwahrscheinlichere Fall, aber was passierte, wenn die Griechen nein sagten?

    Schalast: Na ja, wenn man diesen unwahrscheinlichen Fall annimmt, dann ist die nächste Frage: Wie reagiert Europa? Werden dann weitere Gelder nicht mehr zur Verfügung gestellt? Falls das der Fall ist, dann ist es ja jetzt schon absehbar, ist Griechenland ab Mitte Juli nicht mehr in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen, dann werden die griechischen Staatsanleihen auf die "D - Default" gehen, das hat natürlich Konsequenzen. Nur: Es wird ja viel darüber geschrieben, das sei mit Lehman vergleichbar - das ist es natürlich nicht, weil Lehman, das kam wirklich überraschend, jetzt hatten wir über ein Jahr Zeit, uns auf diese Möglichkeit vorzubereiten, und das macht vieles einfacher.

    Heinemann: Wir haben uns aber nicht vorbereitet.

    Schalast: Doch, wir haben uns vorbereitet. Die Banken haben sich vorbereitet, wir haben einen ziemlich guten Überblick darüber, wie viel überhaupt an griechischen Staatsanleihen in den Büchern deutscher Banken sind, das ist relativ wenig, da sind also die Ansteckwirkungen eher gering. Man hat Befürchtungen in Bezug auf andere Euroländer wie Portugal, Spanien, Irland, aber dort werden schon seit einem Jahr, anderthalb Jahren Hausaufgaben gemacht. Wir sind also vorbereitet, und wir können hier im Gegensatz zum Fall Lehman letztendlich, wenn es denn dazu kommt, eine geordnete Insolvenz, wie wir sie aus Unternehmen kennen, durchführen. Ich glaube, die Befürchtungen vor diesen Schockwellen sind einfach im Augenblick auch zu groß.

    Heinemann: Die Banken haben sich insofern vorbereitet, als sie ganz schnell die griechischen Staatsanleihen verkauft haben.

    Schalast: Na ja, ganz schnell ist vielleicht der falsche Ausdruck, sie haben damit begonnen, zu verkaufen vor ungefähr zwölf, 15 Monaten. Die eigentliche Griechenlandkrise begann ja im März letzten Jahres, absehbar vielleicht schon im Dezember. Insoweit also glaube ich haben da einige Banken reagiert, und diejenigen, die jetzt in griechischen Staatsanleihen investiert sind, das sind auf der einen Seite natürlich Zocker, die gibt es immer, und auf der anderen Seite haben wir in vielen Ebenen die EZB, Hypo Real Estate Doch, wir haben uns vorbereitet. Die Banken haben sich vorbereitet, wir haben einen ziemlich guten Überblick darüber, wie viel überhaupt an griechischen Staatsanleihen in den Büchern deutscher Banken sind, das ist relativ wenig, da sind also die Ansteckwirkungen eher gering. Man hat Befürchtungen in Bezug auf andere Euroländer wie Portugal, Spanien, Irland, aber dort werden schon seit einem Jahr, anderthalb Jahren Hausaufgaben gemacht. Wir sind also vorbereitet, und wir können hier im Gegensatz zum Fall Lehman letztendlich, wenn es denn dazu kommt, eine geordnete Insolvenz, wie wir sie aus Unternehmen kennen, durchführen. Ich glaube, die Befürchtungen vor diesen Schockwellen sind einfach im Augenblick auch zu groß.
    staatliche Bank ist, und andere sind natürlich noch drin. Also ich denke, da sollte man einfach auch die Gefahren nicht zu groß malen, die haben sich auch darauf eingestellt. Und Insolvenz heißt ja nicht, dass gar nichts draufgezahlt wird - es wird in der Regel einen Abschlag geben, aber irgendetwas wird gezahlt werden. Und man darf ja auch nicht vergessen: In der Vergangenheit wurden relativ attraktive Zinsen gezahlt. Also unterm Strich sind die Verluste denke ich hier kalkulierbar.

    Heinemann: Herr Schalast, jetzt wird es ein bisschen kompliziert. Es gibt einen französischen Entwurf für die Inhaber griechischer Staatsanleihen, die zwischen 2011, also ab diesem Jahr, und 2014 auslaufen. Ich will es mal sehr einfach versuchen darzustellen: Diese auslaufenden ... diese Gläubiger können dann 70 Prozent ihres Geldes in neue Griechenland-Bons mit einer sehr langen Laufzeit, 30 Jahre, stecken, und dafür einen Zins von bis zu acht Prozent bekommen, also bei 30-jähriger Laufzeit acht Prozent, oder aber 90 Prozent des freiwerdenden Geldes zu fünf Jahren bei 5,5 Prozent Zinsen anlegen. Kann das funktionieren?

    Schalast: Das kann funktionieren, wenn diese Bons entsprechend abgesichert sind. Entscheidend sind letztendlich, ob man sich 30 Jahre darauf verlässt, dass Griechenland zahlungsfähig ist - dafür spricht natürlich sehr viel, ein europäisches Land ist in dieser Form noch nicht zahlungsunfähig geworden -, aber die Frage ist, welche Absicherung für diese Bons gegeben wird. Und ich glaube, da ist immer die entscheidende Frage, und das ist auch die Diskussion, die jetzt von Herrn Junker wieder aufgebracht wurde: Wie hilft man Griechenland? Griechenland hilft man vor allem damit, dass Griechenland niedrige Zinsen zahlt. Griechenland braucht zum einen ein Privatisierungskonzept, vergleichbar mit den Privatisierungen, die nach 1990 in osteuropäischen Ländern durchgeführt wurden. Griechenland hat einen ähnlich großen Staatssektor, wie es früher, muss man sagen, sozialistische Staaten hatten. Der muss abgebaut werden, dafür gibt es Ansatzpunkte. Und auf der anderen Seite müssen die Griechen durch vernünftige Zinsen eine Perspektive bekommen, aus dieser Schuldensituation selbst herauszukommen, und das geht nur mit niedrigen Zinsen. Deswegen habe ich auch, muss ich sagen, ein etwas schlechtes Gefühl bei acht Prozent Zinsen: Das kann schwer funktionieren.

    Heinemann: Warum?

    Schalast: Weil letztendlich der griechische Staat und damit auch die Bürger dieses Geld ja immer wieder aufbringen müssen. Griechenland hat aber im Augenblick ein Problem damit, wieder seine Wettbewerbsfähigkeit herzustellen. Das ist das Ziel der jetzigen Reformen, das ist auch wirklich hervorzuheben, das ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass so etwas in Griechenland angestoßen wird. Aber die griechische Bevölkerung, die ja im Augenblick sich auch dagegen erhebt, die braucht eine realistische Perspektive, wie sie wieder aus der Situation rauskommen kann. Das muss man einfach berücksichtigen, und das muss in dem Gesamtkonzept eben auch ein Element sein. Im Grunde brauchen wir für Griechenland ein Privatisierungskonzept.

    Heinemann: Nur: Wie anders als mit hohen Zinsen kann man Banken dazu ködern, ihr Geld für 30 Jahre anzulegen?

    Schalast: Na ja, das ist ganz einfach: durch Garantien. Man müsste sich hinstellen und sagen, wir sind bereit, wenn Griechenland seine Hausaufgaben macht und sich entsprechend umstrukturiert, einen Privatisierungsfonds, eine Art Treuhandanstalt gründet, dann sind wir bereit, als EU und als EU-Mitgliedsstaaten dafür einzustehen, und damit bauen wir Griechenland eine Brücke in die Zukunft, im Grunde einen Griechenland-Fonds aufzubauen.

    Heinemann: Herr Schalast, der französische Bankenverband rechnet damit, dass auf Grundlage dieses gerade eben skizzierten Plans rund 30 Milliarden Euro Griechenland zur Verfügung gestellt werden könnten. Ist das eine realistische Zahl?

    Schalast: Die Zahl ist realistisch, aber es sind ja immer nur wieder, sage ich mal, kleinere Beträge, und immer wieder kommt das Refinanzierungsprogramm. Damit kann man kurzfristig, mittelfristig das Problem lösen, es kommt aber wieder zurück. Wir brauchen eine langfristige Lösung.

    Heinemann: Und was hat das mit Marktwirtschaft zu tun, wenn der Staat den Banken Zinssätze vorschreibt?

    Schalast: Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun, aber das sind ja auch keine vorgeschriebenen Zinssätze, das sind ja Vorschläge. Immer noch haben die Banken die Kontrahierungsfreiheit, sie können sich entscheiden: Machen wir es, machen wir es nicht? Wobei ich sehr positiv finde, dass hier eine ganze Reihe von Banken schon geäußert haben, dass sie mitwirken wollen an einer Sanierung Griechenlands.

    Heinemann: Wir wollen noch einmal hören Marie-Christine Ostermann, die Bundesvorsitzende des Verbandes die Jungen Unternehmer:

    Marie-Christine Ostermann: Ich glaube, dass langfristig wirklich Europa nur überleben kann, wenn die Werte eines ehrbaren Kaufmanns eben auch eingehalten werden. Das bedeutet, Haftung und Risiko gehören strikt zusammen. Ich glaube auch immer noch daran, dass es auch irgendwann zu einer Umschuldung kommen wird. Es reden ja auch immer mehr Leute darüber, auch immer mehr führende Ökonomen sagen, dass das der einzige richtige Weg ist, dass Gläubiger jetzt wirklich auch verbindlich beteiligt werden an den Verlusten. Ich glaube, es ist der einzig richtige Weg, und deswegen muss es dazu kommen.

    Heinemann: Vorbild ehrbarer Kaufmann?

    Schalast: Also die Aussage kann man nur unterschreiben, das ist der richtige Ansatz, überhaupt keine Frage, nur man muss auf der anderen Seite den Solidaritätsgedanken innerhalb Europas mit berücksichtigen, und ich weiß nicht, ob es für Europa eine echte Perspektive ist, wenn man Griechenland in die Insolvenz gehen lässt, wenn, dann muss es eine geordnete Insolvenz sein, die muss genau geplant sein - ich denke, diese Planungen liegen auch vor -, und sie müsste eben verbunden sein mit einem Restrukturierungsprogramm, das Griechenland wieder markt-, ja, wettbewerbsfähig macht.

    Heinemann: Christoph Schalast von der Frankfurt School of Finance and Management. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Schalast: Auf Wiederhören!