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"Griechenland ist unser Sorgenkind"

Griechenland wird nur unter Erfüllung der Auflagen ein neues Rettungspaket zugesprochen bekommen, sagt der CDU-Politiker Norbert Barthle. Ein Schuldenschnitt sei nicht nur aus finanziellen Erwägungen schlecht, sondern auch ein falsches Signal für Griechenland.

21.08.2013
    Dirk-Oliver Heckmann: Wird es einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland geben? Die Spekulationen schossen ins Kraut in den vergangenen Tagen. Allerdings waren sich alle Beobachter einig, dass eine solche Entscheidung erst nach der Bundestagswahl fallen wird, allein schon, um das Wahlergebnis für die Koalition nicht zu gefährden. Jetzt aber hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble aufhorchen lassen. Er hat gestern durchblicken lassen, dass Griechenland wohl ein drittes Hilfspaket brauchen werde. Jetzt fragt sich jeder, ob da wohl jemand vorzeitig die Katze aus dem Sack gelassen hat. Dazu aus unserem Hauptstadtstudio Stefan Maas.

    Griechenlandschulden (MP3-Audio) Stefan Maas: Neues Rettungspaket für Griechenland? (MP3-Audio)

    Heckmann: Aus unserem Hauptstadtstudio berichtete Stefan Maas. Und telefonisch zugeschaltet ist uns Norbert Barthle. Er ist haushaltspolitischer Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Guten Tag, Herr Barthle!

    Norbert Barthle: Ich grüße Sie, Herr Heckmann!

    Heckmann: Wolfgang Schäuble sagt also, es werde in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen. Hat sich da jemand vorzeitig verplappert?

    Barthle: Nein, ganz im Gegenteil. Er hat es nicht ausgeschlossen, dass es ein weiteres Programm geben wird. Und das ist eigentlich gar nichts Neues, sondern das ist Stand der Verhandlungen vom November des vergangenen Jahres 2012. Schon damals haben die Finanzminister vereinbart, dass man sich im Jahre 2014 die Gesamtsituation in Griechenland nochmals anschauen muss und dann überprüfen muss, ob Griechenland in der Lage ist, mit den bestehenden Hilfsgeldern auszukommen, die Rückführung der Neuverschuldung zu schaffen oder ob weitere Hilfsgelder notwendig sind, ein weiterer Rettungsschirm notwendig sein würde …

    Heckmann: Aber Herr Barthle, Herr Schäuble hat ja nicht gesagt, ich schließe nicht aus, dass es ein weiteres Paket gibt, sondern er hat gesagt, es wird in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen.

    Barthle: Und er sieht die Lage, wie sie jetzt, momentan in Griechenland aussieht. Man wird aber sicherlich die Lage bewerten müssen dann, im Jahre 2014, wenn die jetzt beschlossenen Maßnahmen, die ja das griechische Parlament erst vor wenigen Wochen beschlossen hat, die sogenannten vordringlichen Maßnahmen, prior actions genannt, wenn diese Maßnahmen auch wirken. Und das sind sehr weitreichende Maßnahmen. Da wurde zum Beispiel beschlossen, dass allein 34.000 Beschäftigte des Öffentlichen Dienstes in eine sogenannte Auffanggesellschaft überleitet, übergeben werden und sukzessive abgebaut werden. Also da geht es um tief greifende Einschnitte auch in die öffentliche Verwaltung Griechenlands. Und diese Maßnahmen, die dürfen dann nicht nur vom Parlament beschlossen werden, die müssen auch mal umgesetzt werden. Und die Umsetzung wird dann auch entsprechende Wirkungen ersehen. Deshalb sind wir gut beraten, wenn wir den Griechen die Zeit bis dahin noch geben und Mitte 2014 uns anschauen, wie weit Griechenland gekommen ist.

    Heckmann: Aber da hat Wolfgang Schäuble ja ein wenig vorgegriffen. Wir haben es gerade eben schon im Bericht gehört, die EU-Finanzminister, die haben bereits im vergangenen Jahr beschlossen, über weitere Hilfen zu beraten, wenn das nötig ist, aber der Finanzminister, der weiß offenbar schon jetzt, dass es nötig ist.

    Barthle: Nun, der sieht, dass Griechenland sehr viel Zeit verloren hat und manches eher zögerlich umgesetzt wird, als rasant umgesetzt wird, und deshalb rechnet er damit, dass ein solches weiteres Hilfsprogramm nötig werden könnte.

    Heckmann: Sie auch?

    Barthle: Ich schließe das nicht aus, im Gegenteil. Nur, das ist etwas ganz, ganz anderes als ein Schuldenschnitt. Und das muss man immer wieder betonen. Ein weiteres Hilfsprogramm heißt nichts anderes, als dass Griechenland dann voraussichtlich über den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM ein weiteres Programm zugesprochen bekäme, was bedeutet, dass man Griechenland neue Kredite gibt, für die Griechenland dann auch wieder Zinsen bezahlen muss und die Kredite irgendwann wieder zurückzuzahlen hat.

    Heckmann: Also einen Schuldenschnitt schließen Sie kategorisch aus?

    Barthle: Ein Schuldenschnitt wäre nicht nur aus finanziellen Erwägungen heraus, weil dann auch die öffentlichen Kassen beteiligt wären, wäre vor allem das völlig falsche Signal für Griechenland. Ein Schuldenschnitt würde auf relativ bequeme Art und Weise jeglichen Druck wegnehmen, die weiteren Reformen tatsächlich auch umzusetzen. Bislang haben wir in Griechenland das Problem, dass viele Maßnahmen eigentlich auferlegt wurden, die sogenannten Auflagen, die aus dem Memorandum of Understanding resultieren, die aber nur sehr zögerlich umgesetzt werden. Und gerade die Umsetzung dieser Auflagen würde behindert werden, wenn man den Griechen die Schulden einfach erlässt.

    Heckmann: Aber wenn die Auflagen eben nicht erfüllt werden, warum soll es dann ein neues Hilfspaket geben?

    Barthle: Die Frage stellen Sie zu Recht. Wenn Griechenland bis 2014 die Auflagen nicht erfüllt, dann braucht niemand über ein neues Hilfspaket zu diskutieren. Dann gibt es keines.

    Heckmann: Also einen Schuldenschnitt, halten wir fest, wird es auf gar keinen Fall geben, sondern möglicherweise ein neues Hilfspaket über den ESM, den europäischen Stabilitätsmechanismus. Das bedeutet aber neue Kredite. Gehen Sie denn davon aus, dass neue Kredite in den europäischen Ländern, auch in Deutschland politisch irgendwie durchsetzbar sein werden?

    Barthle: Ich denke, durchaus. Denn schon bisher zeigt es sich, dass die Rettungsschirme funktionieren. Der Rettungsschirm für Irland läuft jetzt Ende diesen Jahres aus, im Oktober. Der Rettungsschirm für Portugal wird Mitte des kommenden Jahres auslaufen. Dann sind die beiden Länder wieder in der Lage, sich selbst an den Finanzmärkten zu refinanzieren. Griechenland wird noch einige Zeit länger brauchen. Das ist unser Sorgenkind, das ist unbestritten, aber auch in Griechenland wird irgendwann wieder die Perspektive entstehen, dass sie sich selbst zu erträglichen Zinsen Geld an den Märkten besorgen können, und dann kann auch dieser Rettungsschirm wieder eingeklappt werden.

    Heckmann: Das heißt, Sie sind da ganz beruhigt, wenn es um ein drittes Hilfspaket geht im Bundestag, im neu gewählten Bundestag, dass Sie dann wieder eine Mehrheit erzielen werden, so wie das bisher immer der Fall gewesen ist.

    Barthle: Ich habe bisher keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese Rettungsschirme funktionieren. Bisher sind uns keine Kredite ausgefallen, keine Bürgschaften ausgefallen, bisher wird alles sauber bedient. Und deshalb sehe ich keine Veranlassung, daran zu zweifeln.

    Heckmann: Es wird jetzt darüber berichtet, dass es möglicherweise die Möglichkeit gibt, Griechenland zu helfen über den EU-Strukturfonds. Dass dort eben Mittel nach Athen weitergeleitet werden, damit Athen selber Schulden abbauen kann. Da stellt sich allerdings die Frage, weshalb man das nicht bisher schon so gemacht hat.

    Barthle: Es ist ja so, dass bisher schon Griechenland über europäische Fonds Gelder bezieht, aber dass zusätzlich noch mal eine Sonderzahlung aufzulegen, das halte ich für sehr problematisch. Ich glaube, es wäre der ehrlichere und geradlinigere Weg, wenn Griechenland neue Hilfsgelder braucht, dann das über den ESM zu machen. Dass man parallel dazu die Wettbewerbsfähigkeit Griechenlands stärken muss, ist unbestritten, das tun wir auch. Es gibt da jetzt sogar ein Sonderprogramm über die KfW, das auch für Griechenland zurate gezogen werden soll. Sobald Griechenland selbst eine ähnliche Förderbank installiert hat, wie wir sie mit der KfW haben.

    Heckmann: Herr Barthle, wir befinden uns ja derzeit mitten im Bundestagswahlkampf. Was glauben Sie eigentlich, welche Auswirkungen das auf den Wahlkampf hat, wenn die Leute das Gefühl haben, verschaukelt zu werden in Sachen Griechenland?

    Barthle: Mein Eindruck ist nicht, dass die Leute verschaukelt werden sollen. Sondern mein Eindruck ist eher, dass sie großes Vertrauen in Angela Merkel haben, großes Vertrauen in Wolfgang Schäuble, die beide dafür einstehen, den bisherigen Kurs weiter fortzusetzen und nicht dem Druck der Südländer, auch dem Druck Frankreichs nachzugeben und den Kurs aufzuweichen, frisches Geld zur Verfügung zu stellen ohne Auflagen, Eurobonds einzuführen, eine Vergemeinschaftung der Schulden zuzulassen. Da, glaube ich, haben die Menschen begriffen, Angela Merkel und Wolfgang Schäuble stehen für diesen bisher erfolgreichen Weg, und deshalb wird diese Bundestagswahl auch darüber eine grundsätzliche Entscheidung treffen.

    Heckmann: Das heißt, Sie kriegen da keine kritischen Nachfragen Ihrer potenziellen Wählerinnen und Wähler im Wahlkampf?

    Barthle: Dass es da Menschen gibt, die daran zweifeln, ist unbestritten. Die stellen dann immer die Frage, ob denn Griechenland jemals in der Lage sei, seine Schulden zurückzuzahlen. Diese Frage beantworte ich mit einer Gegenfrage: Wären wir jetzt in der Lage, unsere Schulden zurückzuzahlen? Niemals! Das ist nicht die Frage, die sich stellt. Die Frage muss man anders stellen.

    Heckmann: Norbert Barthle war das, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion. Danke Ihnen für das Interview!

    Barthle: Bitte sehr, Herr Heckmann!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.