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Griechenland-Krise
Die Rolle der EZB und der rechtliche Rahmen

Mit ihren Notkrediten für Griechenland bewegt sich die Europäische Zentralbank nach Ansicht von Juristen auf dünnem Eis. Laut ihren Statuten soll die EZB für Geldstabilität sorgen. Die Staatsfinanzierung ist ihr ausdrücklich verboten. Zu einem Gerichtsverfahren wird es deshalb aber wohl niemals kommen.

Von Gudula Geuther | 06.07.2015
    Das Eingangsschild der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main.
    Das Eingangsschild der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main. (picture alliance/dpa/Fredrik von Erichsen)
    Die Emergency Liquidity Assistance, kurz ELA, gibt nicht die Europäische Zentralbank aus. Es sind Notfallkredite, die von den nationalen Zentralbanken gewährt werden können. Allerdings müssen die europäischen Währungshüter zustimmen. Für Martin Nettesheim, Professor für Staats- und Europarecht in Tübingen, zeigt sich hier ein problematisches Spannungsfeld im europäischen Währungssystem:
    "Auf der einen Seite eine vollständige Harmonisierung und eigentlich eben das Ziel, die Europäische Zentralbank zur vollständigen Herrin des geldpolitischen Geschäfts in Europa zu machen. Auf der anderen Seite aber letztlich dann eben doch eine unvollständige Harmonisierung und das Recht der Nationalbanken der Mitgliedstaaten, da weiter Rollen zu spielen, für die eigentlich überhaupt kein Platz mehr ist."
    Für solche ELA-Notkredite hat die Europäische Zentralbank selbst in den vergangenen Jahren Regeln formuliert: Die Preisstabilität in Europa darf nicht gefährdet werden, die betroffenen Banken – also hier die vier griechischen – dürfen nicht insolvent sein. Kriterien, sagt Nettesheim, die die EZB sehr situationsgebunden einsetze. In Irland war vieles möglich, in Zypern wenig.
    "Und insofern, muss man da als Jurist sagen, steht der EZB da ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu."
    Diesen Spielraum nutzt die EZB – auch mit formalen Argumenten. Zur Frage etwa, ob die griechischen Banken solvent sind oder nicht, sagt der Chefvolkswirt der DZ-Bank, Stefan Bielmeier:
    "De facto ist die EZB ja auch die Aufsicht für die Banken. Und solange die Aufsicht bestätigt, dass die griechischen Banken solvent sind, kann die EZB nach den Statuten des Programms ELA auch weiter gewähren."
    Die Frage wird kaum vor ein Gericht kommen
    Allerdings; die EZB kann nicht machen, was sie will. Sie ist unabhängig, Gerichte überprüfen aber, ob sie nicht ihre Kompetenzen überschreitet. So zumindest die Theorie. Die Richter am Bundesverfassungsgericht hatten schon länger deutlich gemacht, dass sie eine solche Kontrolle für nötig halten. Vor knapp drei Wochen entschied der dafür eigentlich zuständige Europäische Gerichtshof in Luxemburg: Auch das Handeln der EZB – oder anderer Banken, die in das europäische Währungssystem eingebunden sind, ist nicht etwa rein politisch geleitet, sondern rechtlich gebunden. Dann aber muss sie auch kontrollieren, dass sich die Griechische Nationalbank rechtskonform verhält.
    Und daran hängt mehr als die Frage der Zahlungsfähigkeit oder -unfähigkeit der Banken. In seiner Entscheidung von Mitte März hatte der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass die Währungspolitik nicht mittelbar zur Staatsfinanzierung mutieren darf – da ging es um ein reines EZB-Programm zur Eurorettung, das nie zum Einsatz kam. Dementsprechend sagt Martin Nettesheim gerade im Fall der ELA-Kredite:
    "Man wird fragen müssen, ob nicht vielleicht die Vergabe dieser ELA-Kredite durch die griechische Nationalbank letztlich dazu führt, dass die griechische Regierung von den Forderungen nach Haushaltsdisziplin jedenfalls partiell entbunden wird. Und so sieht es natürlich in der Tat auch aus."
    Bleibt die Frage, was folgt daraus? Bürger können in einer solchen Konstellation kaum ein Verfahren vor dem EuGH in Luxemburg anstrengen. Nationale Regierungen könnten das schon eher. Es ist allerdings schwer vorstellbar, dass das geschieht. Die deutsche Bundesregierung klingt jedenfalls nicht danach. Auf die Frage, ob die EZB die Notkredite aufrechterhalten dürfte, sagt der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Jäger:
    "Wir gehen fest davon aus, dass die EZB im Rahmen ihres rechtlichen Mandates agiert und im Übrigen kommentieren wir geldpolitische Entscheidungen der EZB nicht."
    Bliebe das Bundesverfassungsgericht. Das hatte Verfassungsbeschwerden zur Euro-Rettungspolitik mit der umstrittenen Begründung angenommen, sonst würde die das Wahlrecht des Einzelnen, letztlich die Demokratie, ausgehöhlt. Nur auf diesem Wege kam auch das letzte Verfahren zum EuGH, die deutschen Verfassungsrichter hatten ihm ihre Fragen vorgelegt. Es ist kaum vorstellbar, dass die Karlsruher Richter im Fall der ELA-Kredite solche Verfassungsbeschwerden annehmen würden – Beschwerden über das deutsche Wahlrecht, weil die griechische Nationalbank handelt. Das heißt: Egal, wie man die Notkredite rechtlich bewertet – die Frage wird kaum vor Gericht kommen.