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Griechenland-Krise
Letzte Chance für Athen

Die Eurozone hält die Tür für Verhandlungen mit Griechenland über weitere Hilfen offen. Voraussetzung ist nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass Athen bis Donnerstag Details für Reformpläne offenlegt. Das sagte sie nach einem Euro-Sondergipfel zur griechischen Schuldenkrise in Brüssel.

08.07.2015
    Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone beraten auf einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise.
    Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone beraten auf einem Sondergipfel über die Griechenland-Krise. (AFP / Philippe Wojazer / Pool)
    Am Sonntag solle es dann einen Gipfel der 28 EU-Staaten geben. Neue Reformvorschläge aus Griechenland seien jedoch die Voraussetzung dafür, um Verhandlungen über ein drittes Hilfsprogramm zu beginnen, erklärte Merkel. Erst nach der Vorlage dieser Details könne auch im Bundestag beschlossen werden, Gespräche über ein drittes Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms ESM aufzunehmen.
    In den Gesprächen der Staats- und Regierungschefs der Eurozone habe eine mögliche kurzfristige Brückenfinanzierung keine große Rolle gespielt. Darüber könne erst gesprochen werden, wenn die Pläne für ein langfristiges Programm vorlägen, sagte die Kanzlerin weiter. Die Gespräche beim Gipfel seien sehr ernst gewesen. Man habe dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras deutlich gemacht, dass es in der Eurozone immer nur eine geteilte Souveränität der 19 Euro-Staaten gebe.
    Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi erklärte, am Sonntag finde das "entscheidende" Treffen statt. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann betonte, wenn es bis dahin keine Vereinbarung mit Griechenland gebe, müsse ein Plan B vorbereitet werden. "Die endgültige Frist endet diese Woche", sagte auch EU-Ratspräsident Tusk.
    Ein griechischer Regierungsvertreter hatte zuvor geäußert, sein Land schlage eine Übergangslösung vor, um über den Juli zu kommen. Danach solle es eine langfristige Vereinbarung geben. In der vergangenen Woche hatte Tsipras Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm ESM für zwei Jahre in Höhe von 29 Milliarden Euro beantragt. Ob diese Summe angesichts des Einbruchs der griechischen Wirtschaft ausreicht, ist offen.
    Griechenland bleibt Reformvorschläge vorerst schuldig
    Vor weiteren Hilfszusagen wollen die Staats- und Regierungschefs zunächst konkrete Reform- und Sparzusagen aus Athen abwarten, berichteten EU-Diplomaten. Die Reformvorschläge gelten als Voraussetzung für Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem erklärte am Dienstag, Athen wolle bis voraussichtlich Mittwoch einen neuen Antrag auf Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds ESM stellen. Die Finanzminister könnten darüber in einer Telefonkonferenz beraten. Nur die Ressortchefs können den Startschuss geben, um das Verfahren für ESM-Hilfen zu starten.
    Bei einem Euro-Finanzministertreffen unmittelbar vor dem Gipfel hatte der neue griechische Ressortchef Euklid Tsakalotos keine neuen Reformvorschläge vorgelegt. Die Finanzminister machten deutlich, dass ein Ausscheiden des überschuldeten Staates aus dem Euroraum kein Tabu mehr sei. Der für den Euro verantwortliche EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sagte: "Falls Vertrauen nicht wieder aufgebaut wird, falls es kein glaubwürdiges Reformpaket gibt, kann das nicht ausgeschlossen werden."
    Heute wird auch das Europäische Parlament über die Lage in Griechenland debattieren. Dazu wurde Ministerpräsident Tsipras eingeladen.
    Ökonomen fordern Ja zu Schuldenschnitt
    Mehrere renommierte Wirtschaftswissenschaftler haben Bundeskanzlerin Merkel in einem offenen Brief aufgerufen, einem Schuldenschnitt für Griechenland zuzustimmen. In dem Schreiben, das im Internet veröffentlicht wurde, hieß es, die Sparauflagen, die Griechenland in den vergangenen Jahren von den internationalen Geldgebern gemacht worden seien, hätten das Land nur weiter in eine wirtschaftliche Depression getrieben. Die Gläubiger müssten daher eine Kurskorrektur in Betracht ziehen, um ein weiteres Desaster zu verhindern.
    Der Aufruf wurde unter anderem von den Ökonomen Thomas Piketty, Jeffrey Sachs und dem früheren Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Flassbeck, unterzeichnet.
    (kis/stfr/sh)