Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras lehnt die Forderung ab, dass sein Land durch Privatisierungen 50 Milliarden Euro einnehmen soll. Das Geld würde nach den Vorstellungen der Geldgeber in einen Fonds eingezahlt, aus dem dann Schulden zurück gezahlt werden könnten. Laut Agenturberichten hält Tsipras die Summe von 50 Milliarden Euro für viel zu hoch.
Ein anderer Streitpunkt wurde nach Angaben von Diplomaten inzwischen beigelegt: Dabei ging es um die Frage, ob der Internationale Währungsfonds an einem möglichen neuen Hilfspaket für Griechenland beteiligt sein wird oder nicht. Die Punkte waren Teil eines Kompromissvorschlags von EU-Ratspräsident Donald Tusk.
Schulz mahnt Kompromiss an
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) mahnte im Deutschlandfunk von der Bundesregierung mehr Kompromissbereitschaft an. Er wünsche sich, dass sie dem "Kompromissweg entgegen" komme. Das habe sie teilweise getan, teilweise stocke es noch. Er könnte nachvollziehen, dass Athen den geforderten Treuhandfonds ablehne: "Das ist natürlich eine Frage von Souveränitätsverzicht." Griechenland werde aber vieles akzeptieren müssen und habe das in der Nacht auch schon.
Schulz warnte zudem vor unabsehbaren Folgen eines Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone. "Das europäische Projekt steht Spitz auf Knopf, wenn wir heute nicht zu einer Einigung kommen."
Kurz vor "abschließenden Beratungen"
Die Gespräche werden seit dem Morgen wieder in der großen Runde der 19 Staats- und Regierungschefs fortgesetzt. Nach einer Unterbrechung werde über angepasste Kompromissvorschläge beraten, schrieb Tusk-Sprecher Preben Aamann im Kurznachrichtendienst Twitter. Bereits zuvor war der Krisengipfel mehrfach ausgesetzt worden und die Beratungen waren in kleiner Runde weitergegangen. Daran waren Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk beteiligt. Der Gipfel läuft seit 16 Uhr gestern Nachmittag.
"Grexit" auf Zeit wohl vom Tisch
Es geht um die Vorbedingungen, die Griechenland erfüllen soll, damit die anderen Euro-Länder bereit sind, über neue Kredite zu verhandeln. Ein drittes Hilfspaket soll über drei Jahre laufen. Der Finanzbedarf wird auf bis zu 86 Milliarden Euro geschätzt. In einem ersten Entwurf der Einigung wurde auf die Möglichkeit verwiesen, Griechenland vorübergehend aus dem Euro ausscheiden zu lassen. Das war ein Vorschlag von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Diese Idee scheint aber vom Tisch zu sein, berichtete Deutschlandfunk-Korrespondent Jörg Münchenberg aus Brüssel. Vertreter der Grünen im Europaparlament warfen der Bundesregierung vor, durch ihre harte Verhandlungsposition Europa zu schaden. Kritik an der deutschen Haltung äußerten auch die US-amerikanischen Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und Joseph Stiglitz.
Die Zeit drängt, denn Griechenland muss im laufenden Monat 4,2 Milliarden Euro an die Gläubiger zurückzahlen, die es nicht hat. Ohne Einigung auf neue Finanzhilfe droht Griechenland der wirtschaftliche Kollaps und ein Ende der Euro-Mitgliedschaft. Athen hatte vergangene Woche ein neues Hilfspaket der Euro-Länder beantragt, die dafür aber weitreichende Bedingungen stellten.
(sh/hba/riv)