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"Grexit" auf Zeit
Schäuble-Vorschlag sorgt für Kontroversen

In der Eurogruppe ist ein Streit über die Spar- und Reformpläne Griechenlands entbrannt. Besonders Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sorgt in Brüssel mit dem Vorstoß für einen "zeitweisen Grexit" für Aufsehen.

Von Stefan Maas | 12.07.2015
    Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble beantwortet am 18.03.2015 während einer Pressekonferenz Fragen von Journalisten.
    "Wir werden uns ganz sicher nicht auf Zusagen verlassen können", so der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). (Wolfgang Kumm, dpa picture-alliance)
    Der Plan von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für ein zeitlich befristetes Ausscheiden aus der Eurozone sei der SPD "natürlich bekannt", teilte SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel auf seiner Facebook-Seite mit.
    Er schrieb: In einer derartig schwierigen Situation müsse jeder denkbare Vorschlag unvoreingenommen geprüft werden. Der Vorschlag Schäubles sei "aber nur realisierbar, wenn die griechische Regierung ihn selbst für die bessere Alternative halten würde."
    Historischen Fehler
    Die Grünen hingegen werfen dem deutschen Finanzminister vor, in Brüssel einen Kompromiss mit Griechenland zu sabotieren. Die Bundesregierung mache einen historischen Fehler, wenn sie den Austritt Griechenlands plane, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter:
    "Der Vorschlag von Herrn Schäuble ist gefährlich, schädlich und rüttelt an den Grundfesten von Europa. Und in der Form auch noch verfassungswidrig. So etwas hätte vorher mit dem Bundestag abgesprochen werden müssen."
    Ein vorübergehender Austritt könne kein gangbarer Weg sein:
    "Denn ein vorübergehender Austritt bedeutet, die griechische Währung wertet um mindestens 50 Prozent ab, die Schulden werden explodieren. Die Schulden der Unternehmer, die in Euro verschuldet sind, werden sich entsprechend verdoppeln. Die werden alle in Richtung Bankrott rutschen, und es wird keinen "Weg zurück" geben. Griechenland braucht dann kein drittes Hilfspaket sondern umfassende humanitäre Hilfe. Und auch noch die ganzen deutschen Bürgschaften sind weg. Das ist ein im Kern verantwortungsloser Vorschlag."
    Auch Bernd Riexinger, der Vorsitzende der Linkspartei, hält ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone zu diesem Zeitpunkt für falsch:
    "Das hätte man schon vielleicht etwas früher machen müssen. Jetzt gerade geht es ganz schnell darum, dass die griechischen Banken wieder mit Liquidität versorgt werden. Ein Grexit kommt völlig zur falschen Zeit. Ich glaube auch, dass er die teuerste Lösung ist. Sowohl für die Griechen aber auch für die Steuerzahler hierzulande."
    Ein Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone könne schnell zu einer humanitären Katastrophe führen.
    "Schäuble entpuppt sich offensichtlich als Hardliner, er will unbedingt Griechenland aus der Eurozone herausdrängen. Ich glaube, das ist wirklich eine vollkommende Niederlage für Europa und die Eurozone."
    Es sei für alle Seiten besser auf Grundlage der von der griechischen Regierung vorgelegten Spar - und Reformvorschläge eine Lösung zu erarbeiten.
    Günter Verheugen
    Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen (picture alliance / dpa / Adam Warzawa)
    Der SPD-Politiker und frühere EU-Kommissar Günter Verheugen deutet die Absage des Gipfels aller EU-Staats und Regierungschefs am Nachmittag als mögliches Signal dafür, dass es doch eine Annäherung geben könnte. Allerdings, sagte Verheugen im Interview der Woche im Deutschlandfunk:
    "Es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie die Bundeskanzlerin und der Finanzminister sich der Wirklichkeit verweigern."
    Haben sich die Gläubiger verschätzt?
    Im Positionspapier, das Schäuble für die Bundesregierung vorgelegt hätte, sei auch davon die Rede, dass Griechenland, um weitere Hilfen bekommen zu können, seine Schuldentragfähigkeit nachweisen müsse:
    "Und jeder weiß, dass die griechischen Schulden nicht tragfähig sind."
    In dem Papier deute Wolfgang Schäuble die Möglichkeit eines vollständigen Schuldenerlasses an. Dann aber müsse auch offen darüber gesprochen werden, dass Europa sich langfristig engagieren müsse. Die Gläubiger hätten sich beim Zeitrahmen für eine Rettung massiv verschätzt.