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Griechenland
"Neuwahlen spätestens im Herbst"

Das neue Hilfspaket für Griechenland enthalte viele Strukturmaßnahmen, die eigentlich schon längst hätten durchgeführt werden müssen, sagte die Nea-Dimokratia-Politikerin und ehemalige Außenministerin Dora Bakoyannis im DLF. Die große Gefahr sei allerdings, dass dadurch jegliches Wachstum und notwendige Investitionen verhindert würden.

Dora Bakoyannis im Gespräch mit Japser Barenberg | 13.08.2015
    Die frühere griechische Außenministerin Dora Bakoyannis in Brüssel.
    Die frühere griechische Außenministerin Dora Bakoyannis (picture alliance / Georges Boulougouris / Europäische Kommission )
    Es sei zwar notwendig, dass jeder Grieche Steuern zahle, mit dem neuen Paket sei die Last aber erdrückend. Sie hoffe, dass nach der Einleitung der Reformen eine Restrukturierung der Schuldenlast durchgeführt werde und die griechische Wirtschaft dadurch wieder mehr Spielraum bekomme.
    Mit Blick auf die politische Zukunft Griechenlands geht Bakoyannis von Neuwahlen spätestens im Herbst aus. Die konservative Nea Dimokratia werde Ministerpräsident Tsipras unterstützen, um einen Grexit zu vermeiden. Griechenland brauche aber eine Art Große Koalition, um die Reformen durchführen zu können.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: In Athen begrüße ich Dora Bakoyannis am Telefon von der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, die frühere Außenministerin Griechenlands. Schönen guten Morgen.
    Dora Bakoyannis: Guten Morgen! Guten Morgen nach Deutschland.
    Barenberg: Die Bundesregierung, haben wir aus dem Finanzministerium gehört, prüft gründlich, auch im Interesse der Bundestagsabgeordneten, die möglicherweise nächste Woche darüber beschließen sollen, und der Wähler. Ist das aus Ihrer Sicht nachvollziehbar und so in Ordnung?
    Bakoyannis: Ja natürlich, weil sie soll ja auch gut prüfen, die Bundesregierung. Aber ich glaube, sie wird finden, dass das Hilfspaket ein sehr großes Hilfspaket für Griechenland ist, ein sehr schweres Hilfspaket für das griechische Volk, nicht so wegen der Strukturreformen, die meines Erachtens sogar, ein paar davon, zu spät kommen. Man musste damit viel früher anfangen. Auch nicht wegen des Privatisierungsfonds, sondern eigentlich wegen der Steuerpolitik. Die Steuerpolitik, die in Griechenland heute wirklich stattfindet, ist eine Steuerpolitik, die leider Gottes gar keine Investitionen und Wachstum erlaubt, und das ist natürlich ein großes Problem des heutigen Hilfspaketes. Aber sonst bei uns in Griechenland ist es sehr schwer. Die Abgeordneten machen es sich besonders schwer - nicht so der linke Flügel; das ist nicht so sehr mein Problem. Aber auch in unserer Partei gibt es Abgeordnete, die natürlich sagen, während wir an der Regierung waren haben wir es geschafft, Griechenland wieder ins Wachstum zu bringen, und jetzt müssen wir ein Paket abstimmen, das zweimal so schwer ist und das leider Gottes existiert, nur weil Herr Tsipras den Griechen alles versprochen hat und nicht einhalten konnte.
    "Wir brauchen diese Strukturreformen"
    Barenberg: Aber, Frau Bakoyannis, ist es auch doppelt schwer jetzt, weil Sie selber in der Zeit in der Regierungsverantwortung wichtige Strukturreformen nicht angepackt haben, wie Sie es ja selber gerade beklagt haben?
    Bakoyannis: Ja genau! Das war auch meine Kritik damals schon gegenüber unserer Regierung. Diese Strukturreformen müssten wir zur Zeit des ersten Pakets durchgeführt haben. Das war immer meine Meinung und das ist sie immer noch, sechs Jahre später. Wir brauchen diese Strukturreformen. Deshalb bin ich auch so klipp und klar und sage Ihnen, Griechenland kann nicht weiter ohne diese Strukturreformen. Aber auf der anderen Seite mit der gleichen Klarheit will ich feststellen, dass die Steuerpolitik eine Steuerpolitik ist, die wirklich kein Wachstum erlaubt, und das ist ein Problem. Und ich hoffe, dass unsere Partner das irgendwann mal auch sehen und verstehen, ein kompetitives Griechenland, also eine Wirtschaft, die kompetitiv sein muss, kann nicht existieren, wenn die Steuern so verschieden sind zwischen unserem zum Beispiel Tourismus und dem Tourismus der Nachbarländer oder auf andere Investitionen, die dann eben alle erforderlichen Investitionen nicht stattfinden lassen.
    Barenberg: Gibt es denn, Frau Bakoyannis, Alternativen - das ist ja immer dann die Frage - zu diesen harten Sparauflagen, die Sie beklagen, weil Sie mit guten Argumenten ja fürchten, dass es mit der Wirtschaft dann noch weiter bergab gehen könnte?
    Bakoyannis: Schauen Sie, ich glaube, wir müssen uns da einig werden. Strukturmaßnahmen ja, Privatfonds ja. Griechenland braucht Investitionen und eine richtige Art von so einem Fonds ist wirklich gebraucht. Aber auf der anderen Seite müssen wir uns einig sein, dass Geld wieder zurückkommen wird, wenn wir ein Restructuring...
    "Wir brauchen eine andere Steuerpolitik"
    Barenberg: Restrukturierung ist der technische Begriff, also Veränderung, was die Schuldenlast angeht.
    Bakoyannis: Eine Restrukturierung der Schuldenlast. Das braucht man und jetzt hoffe ich, dass jetzt langsam auch Deutschland wirklich das einsieht, und das ist sehr wichtig. Das Zweite natürlich, was wir brauchen: Wir brauchen eine andere Steuerpolitik. Es sind zwei Sachen: Ja, jeder muss zahlen, und da müssen wir wirklich alles tun, damit wir nicht Leute haben, die einfach keine Steuern zahlen. Aber B, die Steuern müssen so hoch sein, dass man in Griechenland wieder die Wirtschaft auf die Beine bringen kann.
    Barenberg: Frau Bakoyannis, sehen Sie dafür Anzeichen und Hinweise und Elemente in diesem Verhandlungspaket, was jetzt vorliegt, dass es Chancen gibt für die griechische Wirtschaft, sich zu entwickeln?
    Bakoyannis: Nein! Das Paket, was uns jetzt vorliegt, hat sehr wenig von diesen Elementen. Was ich hoffe ist, wenn wir die Strukturreformen durchbringen, dass wir uns dann auf ein paar Punkte neu einigen können, und ich glaube, das müssen wir machen.
    "Wir werden nicht Tsipras' persönliche Probleme lösen"
    Barenberg: Zum Schluss, Frau Bakoyannis: Dank der Opposition wird dieses Reformpaket eine Mehrheit haben. Wie lange wollen Sie noch dafür sorgen, dass Syriza im Parlament Reformpakete durchbekommt?
    Bakoyannis: Schauen Sie, wir werden dafür sorgen, dass alles gemacht wird, was wirklich nötig ist, damit Griechenland einen Grexit vermeidet. Das werden wir tun. Wir sind die Partei, die Griechenland nach Europa gebracht hat, und das werden wir auch weiter so machen. Aber wir werden natürlich Herrn Tsipras nicht helfen, seine persönlichen Probleme zu lösen. Meines Erachtens wird Griechenland innerhalb des Herbstes Wahlen haben. Es gibt keine andere Möglichkeit. Tsipras kann nicht mit einer Minderheitsregierung weiter regieren. Meines Erachtens - aber das ist meine ganz persönliche Meinung - braucht Griechenland eine Art Große Koalition. Sonst können wir dieses Paket wirklich nicht durchbringen.
    Barenberg: ... sagt Dora Bakoyannis von der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia heute Morgen hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch.
    Bakoyannis: Danke schön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.