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Griechenland
Steigende Kaiserschnitt-Rate

Griechische Frauen entscheiden sich immer öfter dazu, ihr Kind mit einem Kaiserschnitt zur Welt zu bringen. Zu einer Hebamme gehen nur 0,2 Prozent der Schwangeren. Die Kaiserschnitt-Rate ist so hoch, dass die UNO-Frauenrechtskommission das Land verwarnt hat.

Von Rodothea Seralidou | 11.03.2014
    Gutgelaunt hören rund 15 werdende Mütter und Väter der Psychotherapeutin Antigoni Oreopoulou zu. Der Geburtsvorbereitungskurs in den Räumen des Athener Vereins Eutokia ist einer der wenigen Kurse für Paare, die sich in Griechenland auf eine natürliche Geburt vorbereiten wollen. Darunter auch die 32-jährige Deti Sigala und ihr Mann Vasilis Piperas. Sie sind hier, weil sie eine Geburt per Kaiserschnitt vermeiden wollen:
    "Leider sind Kaiserschnitte sehr verbreitet. Ich habe fünf gute Freundinnen und drei von ihnen hatten einen Kaiserschnitt. Das hat mich stutzig gemacht. Es kann doch nicht sein, dass alle drei eine Komplikation hatten!"
    Dennoch hinterfragten die wenigsten Griechinnen die Entscheidung ihres Arztes, sagt Deti Sigala. Das liegt auch daran, dass in Griechenland der Frauenarzt, der die Frau während der Schwangerschaft betreut und dem sie vertraut, gleichzeitig auch ihr Geburtshelfer ist; ein Geburtshelfer, der in der Regel mit einer privaten Geburtsklinik zusammenarbeitet.
    "Viele Griechinnen wollen ihren persönlichen Arzt"
    Zwar können Frauen auch in Griechenland in einem öffentlichen Krankenhaus entbinden und sich an den Arzt wenden, der gerade Dienst hat; für die meisten komme das aber gar nicht erst in Frage, sagt Pelopidas Koutroumanis, Geburtshelfer in der Athener Uni-Klinik Alexandra.
    "Es ist eine Frage der Mentalität: Viele Griechinnen wollen ihren persönlichen Arzt. Sie wollen, dass der Arzt auch nachts um drei Uhr für sie erreichbar ist. Deshalb kommen weitaus mehr Kinder in griechischen Privatkliniken zur Welt als in öffentlichen Krankenhäusern. Das hat sich jetzt mit der Krise ein bisschen verändert; trotzdem bevorzugen die meisten Griechinnen immer noch die privaten Geburtskliniken. Und genau da ist die Kaiserschnittrate am höchsten!"
    Und zwar bei mehr als 65 Prozent: Das heißt, zwei von drei Babys, die in griechischen Privatkliniken zur Welt kommen, werden per Kaiserschnitt geboren. Dabei sind das nicht nur Not- oder Wunschkaiserschnitte. Eine rasche Geburt per Kaiserschnitt komme vor allem den Ärzten selber entgegen. Schließlich müssten sie jede einzelne Geburt in ihren vollen Terminkalender quetschen, erklärt Frauenarzt Koutroumanis:
    "Je beliebter der Arzt ist, desto schwieriger wird es für ihn, darauf zu warten, dass die Wehen natürlich einsetzen. Wenn ein Frauenarzt fünfzig oder sechzig Frauen im Monat entbinden soll, muss er die Geburten zeitlich planen. Außerdem gehört der Kaiserschnitt heutzutage zu den sichersten Operationen, die es gibt. Egal also, welche Gründe ein Arzt nennt, um einen Kaiserschnitt zu machen; letztendlich will er auf gar keinen Fall der Mutter und dem Neugeborenen damit schaden."
    Nicht zuletzt profitiert auch die Klinik von der hohen Kaiserschnittrate: Während der Staat bei einer natürlichen Geburt 600 Euro zahlt, ist es bei einem Kaiserschnitt mehr als das Doppelte.
    0,2 Prozent der Griechinnen gehen zur Hebamme
    Die Kaiserschnittrate ist inzwischen so hoch, dass die UNO-Frauenrechtskommission Griechenland verwarnt hat: Das Land müsse die Rate unbedingt senken, Kontrollen für die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts einführen und die Frauenärzte besser für eine natürliche Entbindung schulen.
    Im Geburtsvorbereitungskurs des Vereins Evtokia sind sich die werdenden Eltern einig: Sie sind für eine natürliche Geburt; ein Kaiserschnitt käme für sie nur in Frage, wenn er medizinisch notwendig wäre. Jaqueline Polenaki geht einen Schritt weiter als der Rest der Gruppe: Die 40-Jährige will gar nicht erst in eine Klinik gehen, sondern vielmehr in Ruhe Zuhause entbinden - mithilfe einer Hebamme. Polenaki gehört damit zu den gerade einmal 0,2 Prozent der Griechinnen, die sich das trauen.
    "Ich würde mir wünschen, dass sich die Situation langsam ändert: Deshalb habe ich mich bewusst für die Hebamme entschieden. Der Arzt ist immer noch nötig, falls etwas schief läuft. Wenn aber alles glattgeht, ist er doch eigentlich überflüssig."