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Griechenlands neues Sparpaket
Kurzfristige Erfolge, langfristige Nöte

Mit dem neuen Sparpaket will die griechische Regierung 4,9 Milliarden Euro einsparen. Wieder einmal geht es vor allem um Rentenkürzungen und Steuererhöhungen. Bei der griechischen Bevölkerung kommt das Sparpaket - wie zu erwarten - alles andere als gut an.

Von Rodothea Seralidou | 18.05.2017
    In Athen demonstrieren Anhänger der kommunistischen Partei gegen die geplante Reform der Renten- und Steuersysteme.
    Mit dem neuen Sparpaket sollen ab 2019 die Renten erneut um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Auch der Steuerfreibetrag für Arbeitnehmer soll sinken. Schon bei einem Monatseinkommen von weniger als 500 Euro sollen 20 Prozent Steuern anfallen. (picture alliance/dpa - Orestis Panagiotou)
    Mit Sprechchören und Transparenten protestieren tausende Beamte, Angestellte, Rentner und Selbstständige in der Athener Innenstadt gegen das neue Sparpaket. Unter ihnen der 62-Jährige Thodoris Hamalidis. Er ist bei der Stadt angestellt:
    "Wir kämpfen gegen diese Politik der Sparmaßnahmen, die uns die Regierung, die Europäische Union und der Internationale Währungsfonds auferlegt haben. Die Renten gehen nach unten, die Steuern gehen hoch, es gibt so viele Arbeitslose, wo soll das hin führen? Ich persönlich habe unterm Strich 60 Prozent weniger Geld in der Tasche als noch 2008. Und jetzt kommen neue Belastungen auf uns zu."
    Weiter Rentenkürzungen und größere Steuerlast
    Mit dem neuen Sparpaket sollen unter anderem ab 2019 die Renten erneut um bis zu 18 Prozent gekürzt werden. Auch der Steuerfreibetrag für Arbeitnehmer soll sinken. Schon bei einem Monatseinkommen von weniger als 500 Euro sollen 20 Prozent Steuern anfallen. Der Athener Professor Nikos Vettas hält davon wenig. Die Einsparungen bringen zwar Geld in die Staatskasse, den gewünschten Aufschwung bringen sie aber definitiv nicht, kritisiert Nikos Vettas, der auch dem Vorstand des Wirtschaftsforschungsinstituts IOWE angehört.
    "Kurzfristig ist das der einfachste Weg. Man weiß, dass damit Geld fürs nächste Jahr vorhanden ist, ohne neue Hilfen zu benötigen, aber übersieht, dass Griechenland durch solche Maßnahmen seit 2008 in einer tiefen Rezession steckt. Hätte man von Anfang an viel mehr die Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionen im Blick gehabt als nur die Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung, hätten wir vielleicht gleiche oder sogar noch bessere Ergebnisse erzielt und gleichzeitig hätten wir diese tiefe Rezession vermieden."
    Entlassungen leichter möglich
    Das Reformpaket sieht auch eine stärkere Liberalisierung des Arbeitsmarktes vor: So sollen Massenentlassungen erleichtert werden. Und die Geschäfte sollen auch sonntags öffnen dürfen. Für Wirtschaftsprofessor Vettas ist diese Liberalisierung zwar ein Signal in die richtige Richtung, aber:
    "In anderen Ländern, in denen die Unternehmen ihre Angestellten ohne Schwierigkeiten entlassen können, gibt es Sozialleistungen für die Entlassenen. In Griechenland ist das nur bedingt der Fall und die Entlassenen wissen auch noch, dass es sehr schwer sein wird, eine neue Arbeit zu finden. Viel wichtiger wäre es da, andere Dinge zu verbessern, zum Beispiel den Unternehmen zu garantieren, dass in Zukunft keine neuen Steuererhöhungen drohen oder dass die Sozialbeiträge, die sie für ihr Personal zahlen, nicht noch mal ansteigen. Die griechische Wirtschaft muss sich öffnen, keine Frage, aber wir müssen da nicht übertreiben."
    Politischer Schaden für Regierung Tsipras gering
    Nicht zuletzt, um die eigenen Reihen vom Sparpaket zu überzeugen, betont die griechische Regierung vor allem die positiven Veränderungen des Reformpakets- die so genannten Gegen-Maßnahmen: leichte Steuersenkungen ab 2019, ein Mietzuschuss für besonders bedürftige Menschen und weitaus mehr Kita-Plätze. Allerdings gibt es eine wichtige Voraussetzung: Das Land muss durch das harte Sparen einen Primärüberschuss von über 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erzielen und das sei eben nur schwer zu schaffen, findet nicht nur Wirtschaftsexperte Vettas. Der politische Schaden, den die Regierung mit der Einigung auf ein neues Sparpaket davon trägt, halte sich aber im Moment in Grenzen, sagt Giorgos Tzogopoulos, Journalist und Politikexperte vom griechischen Think Tank Eliamep:
    "Der Schaden ist im Moment klein, weil die Maßnahmen erst 2019 umgesetzt werden. Im Moment bekommen die Menschen ja noch die Einsparungen des letzten Reformpakets von 2015 zu spüren. Was für Konsequenzen die neuen Maßnahmen für die Regierung haben werden, hängt also davon ab, wann die nächsten Wahlen stattfinden. Wenn sie - wie vorgesehen- im Jahre 2019 stattfinden und nicht vorgezogen werden, wird das die Wähler stärker beeinflussen und Syriza wird mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren. Denn die Menschen werden bis dahin die Maßnahmen schon zu spüren bekommen."
    Allerdings hätten die meisten Griechen wenig Hoffnung auf eine Besserung im Falle eines Machtwechsels, sagt Tzogopoulos. Sie wüssten, dass auch das neue Sparpaket - wenn es jetzt beschlossen wird - umgesetzt werden muss, egal, ob 2019 die linke Syriza an der Macht ist oder die Opposition regieren wird.