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Griechische Flüchtlingslager
Bundesregierung zögert bei Aufnahme von Flüchtlingskindern

Tausende Kinder leben in den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland. Vor Wochen versprachen acht europäische Staaten die Aufnahme von mindestens 1.600 Kindern. Luxemburg nimmt nun die ersten Kinder auf - doch Deutschland wartet noch immer auf einen "europäischen Gleichklang".

Von Gudula Geuther | 06.04.2020
Ein Mädchen steht an einem Zaun im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos
Folgt Deutschland dem Beispiel Luxemburgs – wie vor Wochen von acht Staaten beschlossen – Flüchtlingskinder aus den griechischen Lagern zu holen? (dpa / picture alliance / ANE)
Die Liste derer, die auf eine schnelle Aufnahme mindestens von 1.600 Kindern aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln dringen, ist lang. Beschlossen hatten diese Notmaßnahme acht europäische Staaten, darunter Deutschland – vor mehreren Wochen und nach monatelangem Vorlauf. Nun macht das Coronavirus die Evakuierung dringlicher. "Die Vorstellung, dass über 20.000 Menschen auf engstem Raum, durch Flucht und Entbehrung sowieso geschwächt, erkranken, das ist für mich die Hölle", beklagt etwa die evangelische Bischöfin Beate Hoffmann.
Im Bayerischen Rundfunk mahnt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann Mauz: "Die Situation wird nicht besser. Wir dürfen nicht warten, bis wir irgendwann nicht mehr in der Lage sind, die Kinder aufzunehmen. Jetzt ist noch die Zeit. Und deshalb dränge ich darauf, dass wir unseren Beitrag erfüllen."
Luxemburg geht voran
50 Bundestagabgeordnete aus der Unionsfraktion appellieren in einem Brief an die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen. Die Europäische Union, so schreiben sie, befinde sich angesichts der katastrophalen Zustände in einer ernsthaften Bewährungsprobe, ihre christlich-humanitären Prinzipien umzusetzen. Und obwohl das so ist, herrscht doch keine Einigkeit. Denn offenbar verzögert sich die Abstimmung auf europäischer Ebene. Die Frage ist, wie Deutschland damit umgehen soll.
Luise Amtsberg von den Grünen kritisiert: "Das eigentliche Problem ist natürlich weiterhin, dass die Bundesregierung und das Bundesinnenministerium die Forderung ausgibt, dass sie es nur gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten machen, dieses Umverteilungsprogramm. Wenn andere Mitgliedsstaaten nicht dabei sind, dann erklärt sich die Bundesregierung eben auch nicht bereit, diese besonders Schutzbedürftigen aufzunehmen."
Noch am Freitag hatte sich von der Leyen im Interview mit der ARD hoffnungsvoll gezeigt. "Die Griechen, die griechische Regierung und die griechischen Behörden vor Ort müssen diese Jugendlichen identifizieren. Aber wir werden nächste Woche die ersten haben, die nach Luxemburg gehen. Sie hat mit allen Mitgliedstaaten geklärt, was sie zur Verfügung stellen können. Das hat seine Zeit gedauert, ja, zwei, drei Wochen sind vergangen. Aber jetzt können wir damit starten und ich bin sehr dankbar, dass diese Mitgliedsländer das tun."
Tatsächlich geht Luxemburg mit der Aufnahme von zehn Kindern voran. Der Außenminister des Landes, Jean Asselborn, ruft andere auf, es ihm gleichzutun. "Ich denke vor allem auch an Deutschland und an Frankreich. Ich hoffe, dass Deutschland nicht auf Frankreich wartet und Frankreich nicht auf Deutschland wartet – und inzwischen geschieht nichts."
Europäischer Gleichklang vonnöten
Genauso allerdings klingt es aus Teilen der Unionsfraktion. Deren Vize Thorsten Frei sagte der ARD: "Dafür braucht es wenigstens eine Handvoll europäischer Staaten, die dort vorangehen. Mit Verlaub – Luxemburg alleine ist es nicht."
Der Bundesinnenminister hat wiederholt deutlich gemacht, dass für ihn ein Vorgehen im europäischen Gleichklang von äußerster Wichtigkeit ist, betont auch Horst Seehofers Sprecher Björn Grünewälder und verweist auf laufende Absprachen.
Die SPD dringt auf Aufnahme jetzt. Informationen etwa der Grünen, wonach wegen der Corona-Belastung alle Staaten außer Deutschland und Luxemburg erst einmal nicht mitmachen, bestätigt die Kommission zwar nicht direkt. Keines der Länder habe seine Bereitschaft zurückgezogen. Die Pandemie erschwere aber die Evakuierung, betont ein Sprecher.
Wann Deutschland – wie Luxemburg - allein tätig würde, will weder das Ministerium beantworten, noch Regierungssprecher Steffen Seibert. "Wir hoffen und haben aber auch den Optimismus, dass es eben eine zeitnahe Lösung, eine europäische Lösung, geben wird." Morgen wird weiter verhandelt, in einer Telefonkonferenz zwischen der Kommission und den Innenministern der beteiligten Länder.