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Gröhe: Keine Verabredung zu Volksabstimmungen

Die Pläne von SPD und CSU, über eine Verfassungsänderung Volksabstimmungen zu ermöglichen, stoßen bei der CDU auf Kritik. Generalsekretär Hermann Gröhe erteilt dem Vorhaben eine klare Absage. Trotzdem zeigt er sich zuversichtlich, dass die Große Koalition zustande kommt.

Hermann Gröhe im Gespräch mit Bettina Klein | 13.11.2013
    Bettina Klein: Eine weitere große Runde in den Koalitionsverhandlungen heute also in Berlin, und ein Streitthema bleibt die Maut.
    Am Telefon begrüße ich den CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Guten Morgen!

    Hermann Gröhe: Guten Morgen, Frau Klein.

    Klein: Herr Gröhe, die Stimmung wird gereizter. Ist die Beobachtung richtig?

    Gröhe: Es ist sicher richtig. Wir sind in den Böen der Ebene. Es geht um sehr konkrete Inhalte. Es gibt unterschiedliche Positionen in einer Fülle von Themen, und dass es da mal scheppert, wie es, glaube ich, eben in Ihrem Beitrag hieß, ist normal. Gleichzeitig sollten wir nicht vergessen, dass in wichtigen Politikfeldern bereits erhebliche Fortschritte erzielt wurden.

    Klein: Aber eine Reihe von Streitpunkten haben sich ja auch gerade gestern wieder aufgebaut. Beginnen wir mal mit dem zuletzt Genannten: Pkw-Maut. Rechnen Sie damit, dass Sie da heute einen Schritt weiter kommen?

    Gröhe: Da die Arbeitsgruppe ja aus guten Gründen gesagt hat, wir kommen jetzt da im Augenblick nicht weiter, denke ich nicht, dass das heute das zentrale Thema der großen Runde sein wird, denn die große Runde hat sich ja heute andere Arbeitsgruppen, Unterarbeitsgruppen zur Berichterstattung vorgenommen. Insofern wird sicher diese Debatte über den Tag hinaus laufen. Aber in der Entscheidung aller Parteien, sich zu mehr Investitionen in die Infrastruktur zu bekennen und jede Mehrbelastung der deutschen Autofahrerinnen und Autofahrer klar auszuschließen, liegt auch eine Gemeinsamkeit, die die Kompromissfindung möglich machen sollte.

    Klein: Sie betonen die Gemeinsamkeiten, Herr Gröhe. In der Öffentlichkeit ist so ein bisschen der Eindruck entstanden, gerade gestern, dass sich CSU und SPD liebend gerne ein wenig gegen die CDU profilieren. Da haben wir der "Süddeutschen Zeitung" entnehmen können, es habe schon eine Einigung gegeben beim Thema Volksabstimmung. So wurden zumindest die CSU- und SPD-Politiker verstanden. Dann kam von Ihrer Seite relativ schnell eine Art Dementi. Was haben Sie denn gedacht, als Sie die Schlagzeile gelesen haben?

    Gröhe: Dass das wohl kaum eine Einigung zwischen der Union insgesamt und der SPD sein kann, und Innenminister Friedrich, der ja CDU und CSU, unsere Seite anführt in dieser Arbeitsgruppe, hat dies ja auch sehr schnell klargestellt. Hier gibt es in der Tat – auch CDU und CSU sind unterschiedliche Parteien mit sehr, sehr viel Gemeinsamkeiten, aber auch Punkten, wo wir unterschiedlicher Meinung sind - auch unionsintern noch Gesprächsbedarf.

    Klein: Aber da haben Sie auch schon die Freude von beiden Seiten wahrgenommen, Sie da ein bisschen in die Zange zu nehmen?

    Gröhe: Ach wissen Sie, in 90 Prozent der Themen arbeiten CDU und CSU, die mit einem gemeinsamen Wahlprogramm angetreten sind, Seit an Seit für dieselbe Zielsetzung. Dass es bekannte unterschiedliche Positionen etwa im Hinblick auf direktdemokratische Elemente in unserer Verfassungsordnung gibt, war vorher bekannt, spielt jetzt eine Rolle. Seien Sie sicher: Wenn es um die Gemeinsamkeit von CDU und CSU geht, ist mir nicht bange im Hinblick auf die weiteren Koalitionsverhandlungen.

    Klein: Aber das Thema Volksabstimmung, so wie wir es gestern lesen konnten, das ist definitiv vom Tisch? Davon können wir schon mal ausgehen?

    Gröhe: Ich sehe, dass es dazu keine Verabredung geben wird, die eine Verfassungsänderung hin zu umfassenden plebiszitären Elementen gibt. Da hat sich die CDU klar positioniert. Die Diskussion wird fortgesetzt und am Ende wird immer in einem Koalitionsvertrag über alles zum Schluss dann gemeinsam entschieden. Aber hier sind verschiedene Positionen von CDU und CSU. Das ist gestern nach missverständlichen Meldungen noch einmal klargestellt worden.

    Klein: Einen weiteren Eklat, wenn man das so nennen will, gab es am Montagabend in der Arbeitsgruppe Familie, Frauen und Gleichstellung. Da hat die stellvertretende SPD-Vorsitzende Schwesig gesagt, unter diesen Bedingungen könne sie sich nicht vorstellen, den SPD-Mitgliedern eine Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen mit der CDU zu empfehlen. Werten Sie das als Theaterdonner, oder kann auch daran eine Koalition mit der SPD noch scheitern?

    Gröhe: Na das sind schon ernste Konflikte in der Sache. Das soll man auch nicht kleinreden. Auf der anderen Seite: Es ist kein Eklat, wenn um Mitternacht eine Arbeitsgruppe feststellt, dass es vielleicht besser ist, erst am nächsten Morgen weiterzumachen. Das ist vielleicht der gesunde Menschenverstand auch, der trotz mancher hitzigen Worte da durchbricht, wenn man sagt, ein Uhr nachts ist vielleicht dann nicht der richtige Weg, sich noch mal einander anzunähern. Aber bitte, vergessen Sie doch nicht: Wir haben uns in Fragen der Außen-, der Verteidigungs-, der Europapolitik fast geräuschlos geeinigt, in einem der wichtigsten Länder dieser Erde eine nicht nur gute Nachricht für unser Land, sondern für all unsere Nachbarn. Das heißt, dass in diesen vier Wochen munteren Verhandelns Konflikte die Nachrichtenlage bestimmen und das, was gemeinsam bereits festgehalten wurde, schnell zu den Akten genommen wird und für selbstverständlich erklärt wird. All das ist normal. Jetzt gibt es den SPD-Parteitag, der natürlich für die SPD noch einmal eine Gelegenheit sein wird, sein soll, die eigene Position besonders stark zu machen. Auch dazu mag manche kraftvolle Positionierung im Vorfeld passen. Ich glaube, dass es immer noch einen starken gemeinsamen Willen der drei beteiligten Parteien gibt, dies zu einem guten Ergebnis zu führen, und das misst sich zuerst an der Frage, bringt das unser Land weiter, und nicht an einzelnen Konfliktlagen zwischen den Parteien.

    Klein: Herr Gröhe, beim Thema kraftvolle Positionierung hören wir direkt mal in den O-Ton des SPD-Politikers Ralf Stegner hinein. Die Partei hat ja kurz vor dem Beginn des Parteitages signalisiert, zumindest ab 2017 sei sie offen für rot-rot-grüne Bündnisse auf Bundesebene.

    O-Ton Ralf Stegner: "Ich glaube, es geht einfach darum, dass die Union sich nicht einfach darauf verlassen kann, dass, wenn es eine Mehrheit links von ihr gibt, die automatisch nicht zustande kommt, und das war ja so, weil wir vor der Wahl gesagt haben, wir machen das auf keinen Fall in einer Koalition mit der Linkspartei."

    Klein: Soweit Ralf Stegner. – Das klingt auch schon nach einer Art Druckmittel jetzt in den Koalitionsverhandlungen, denn wenn es diese Option jetzt schon gegeben hätte, dann hätte es für die CDU keine Machtoption gegeben.

    Gröhe: Sehen Sie, wir sind jetzt im Willen, die Koalitionsverhandlungen zu einem guten Ergebnis zu führen. Trotzdem, glaube ich, kann man feststellen, wenn man sich das Wahlergebnis von SPD und Grünen ansieht, ist ein Linksruck beider Parteien von den Wählerinnen und Wählern nicht belohnt worden. Es ist an der SPD, ihre Positionierung vorzunehmen. Aber den Menschen zu verkünden, dass man nur noch eine Zusammenarbeit mit populistischen rechtsextremen Parteien ausschließt, den Linksextremismus oder Linkspopulismus dagegen für koalitionsfähig hält, das wird die SPD in der Mitte unserer Gesellschaft nicht attraktiver machen. Sie muss sich das sehr gut überlegen.

    Klein: Herr Gröhe, bei einigen Beobachtern hat sich der Eindruck festgesetzt, dass im Augenblick sehr viel über SPD-Themen geredet wird, Mindestlohn, Mietpreisbremse, Volksabstimmung, Gleichstellung homosexueller Paare, dass zumindest die Partei eine sehr aktive Kommunikationspolitik betreibt. Sehen Sie, dass die Bürger verstehen, was die CDU im Augenblick eigentlich will?

    Gröhe: Die CDU – und mit Verlaub: Schauen Sie sich die Umfrageergebnisse für Union, die Zustimmungswerte zu Angela Merkel an. Die CDU steht als die größte der drei beteiligten Parteien wie keine andere für den Blick auf das Ganze. Wichtiger als manche Einzelmaßnahme, um die jetzt gerungen wird, ist, dass wir uns klar positioniert haben für die Fortsetzung eines Kurses, der den Staatshaushalt in Ordnung bringt, keine neuen Schulden macht, keine Steuererhöhungen vorsieht, dass wir uns verständigt haben, dass es keine Schuldenvergemeinschaftung in Europa gibt, dass wir den Weg wählen, unsere Währung stabil zu halten, indem wir auch sagen, europäische Solidarität wird immer an Eigenanstrengungen der Empfängerländer von Hilfe gebunden. Das heißt: Dinge, die für das wirtschaftliche und damit soziale Wohlergehen unseres Landes zentral sind, sind Anliegen der Union, die erfolgreiche Politik der letzten Jahre fortzusetzen. Und seien Sie sicher: Dies wird den Koalitionsvertrag wesentlich prägen.

    Klein: Herr Gröhe, an dieser Stelle, beim Thema Wirtschaft, würde ich gerne noch mal einhaken und Ihnen vorstellen, was die "Süddeutsche Zeitung" heute schreibt, die offenbar den Bericht der fünf Wirtschaftsweisen bereits kennt, der heute vorgestellt werden wird und worin relativ schlechte Zensuren ausgeteilt werden für das, was die künftige, mögliche künftige Große Koalition bis jetzt plant. Es wird kritisiert die Einführung eines Mindestlohnes, die Ökostrom-Förderung, die Mietpreisbremse und es ist die Rede davon, dass eine rückwärts gewandte Politik betrieben werden wird. Was sagen Sie dazu?

    Gröhe: Erstens finde ich es mutig, einen noch nicht einmal halb fertigen Koalitionsvertrag in dieser Weise zu zensieren, und gleichzeitig gibt es natürlich Mahnungen, die wir ernst nehmen. Wir haben stets gesagt, wir bekennen uns zur Notwendigkeit eines Mindestlohns, wollen dabei die primäre Verantwortung der Tarifpartner betonen, und wir sagen, der darf nicht so ausgestaltet werden, dass er Arbeitsplätze vernichtet. Die Mahnung nehmen wir ernst, da ringen wir noch drüber, das wird dann mitunter als Geschepper auch nicht goutiert. Trotzdem sage ich, es ist richtig, sich da ums Detail zu bemühen.

    Wir sind bei der Energiepolitik in der letzten Runde am Montag einen großen Schritt nach vorne gekommen, ehrgeizige Klimaschutzziele mit einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu verbinden. Gerade das ist ein Thema, wo die SPD und die Union sich als Sachwalter der Sicherung von Industriearbeitsplätzen in unserem Land einerseits und des Willens, die Energiewende zu einem guten Erfolg zu führen, richtig positioniert.

    Dass es daran Kritik gibt, weil den einen die Rückführung von Überförderung nicht radikal genug erscheint, und andere Sorgen haben, dass sie dann nicht mehr in den Genuss ausreichender Förderung kommen, ist doch klar, zeigt vielleicht auch, dass es uns gelingt, faire Kompromisse, gute Mittelwege zu finden. Die Kritik nehmen wir ernst, aber wir laden ein, das Werk zu zensieren, wenn es fertig ist.

    Klein: Hermann Gröhe, der CDU-Generalsekretär, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Herr Gröhe.

    Gröhe: Ich danke Ihnen, Frau Klein.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.